Ansprache an das Regionalkomitee für Europa

Dr. Margaret Chan
Generaldirektorin

Herr Vorsitzender, sehr geehrte Exzellenzen, Ministerinnen und Minister, Delegierte, Frau Jakab, meine Damen und Herren,

lassen Sie mich zunächst noch einmal der Regierung der Republik Aserbaidschan dafür danken, dass sie uns als Gastgeberin dieser Tagung so freundlich und entgegenkommend aufnimmt.

2008 habe ich dieses Land offiziell besucht. Ich war persönlich tief beeindruckt, und bin es immer noch, von der Herzlichkeit der Menschen, dem reichen kulturellen Erbe und dem starken Engagement der Regierung für Gesundheit und Entwicklung und ich kann jetzt erkennen, welche große Fortschritte das Land in den vergangenen fünf Jahren gemacht hat.

Der Premierminister sagte mir während dieses Besuchs und bei anderer Gelegenheit, dass die Verantwortung für die Schaffung einer gesunden Gesellschaft weit über das Gesundheitswesen hinausreiche.

Eine Regierung, die den Wohlstand eines Landes auf die gesamte Bevölkerung ausdehnt, ist das Beste, was einem Land passieren kann. Ihre Investitionen in die Gesundheitsversorgung sind beeindruckend, doch vergessen Sie nicht die Bedeutung der primären Gesundheitsversorgung und der nichtübertragbaren Krankheiten. Der ressortübergreifende Ansatz Ihrer Regierung für Gesundheit und Entwicklung mit auf unterschiedliche Sektoren verteilten Führungsaufgaben vervollständigt das allgemeine Streben nach mehr Gesundheit.

Meine Damen und Herren,

Warum ist diese Tagung des Regionalkomitees so wichtig? Trotz der vielen Themen, die im Rahmen dieser Tagung behandelt werden sollen, glaube ich, in Bezug auf Ihr Programm und die Begleitdokumente drei Dinge feststellen zu können.

Erstens, dass Ihre Tagesordnung ehrgeizig und mutig ist. In einer Zeit, in der viele Länder der Region vor leeren Kassen stehen, könnte man sogar sagen, sie sei gewagt.

Durch die Arbeit an „Gesundheit 2020“ streben Sie nicht weniger an als eine Verjüngung der gesundheitspolitischen Agenda der Region.

Sie wollen die Fähigkeit des Regionalbüros erneuern, Gesundheitsministerien in der Bewältigung komplexer Herausforderungen oder, wie Sie sagen, „bösartiger“ Probleme zu unterstützen.

Außerdem bereiten Sie sich auf die Beherrschung schwerwiegender neuer Probleme vor, die uns in Form des Klimawandels, der rasanten Verbreitung ungesunder Lebensweisen, der überalternden Bevölkerung, der rapide steigenden Gesundheitskosten und des fortgesetzten wirtschaftlichen Abschwungs erwarten.

Viele der Probleme dieser Region sind in Wahrheit gesundheitliche Kollateralschäden, deren Ursachen in anderen Politikbereichen und in den internationalen Systemen zu suchen sind, die unsere stark vernetzte und interdependente Welt steuern.

Wie wir alle wissen, erzielen diese Systeme – ob im internationalen Handel oder in den globalen Finanzen – Gewinne, deren gerechte Verteilung jedoch fast nie ausdrücklich angestrebt wird.

Dies führt mich zu meiner zweiten Beobachtung. In Übereinstimmung mit den traditionellen Wertvorstellungen dieser Region sind Fairness und Gerechtigkeit Ihnen ein besonderes Anliegen. Doch sind Sie zugleich fest entschlossen, gegen die Ursachen und wahren Gründe der großen und zunehmenden Diskrepanzen in Bezug auf die gesundheitlichen Ergebnisse, den Zugang zu Versorgung und die Lebenschancen vorzugehen.

Das gesamte Programm spiegelt Ihre Entschlossenheit wider, die sozialen Determinanten von Gesundheit zu beeinflussen, doch gilt dies besonders für die Aktionspläne zu HIV/Aids und zur Bekämpfung resistenter Tuberkulosestämme.

Sie wollen Migranten, Obdachlose, durch Stigma und Diskriminierung ausgegrenzte Menschen und Menschen mit problematischem Lebenswandel wie Alkoholiker und Konsumenten von Injektionsdrogen erreichen.

Ergänzend hierzu wird die Verbesserung der Kapazitäten und Angebote im Gesundheitsbereich, auch und gerade im Rahmen der primären Gesundheitsversorgung, als Weg zu mehr Chancengleichheit im Zugang zu Versorgung bzw. zu größerer Effizienz in der Leistungserbringung vorgeschlagen.

Dies ist wohl die größte Herausforderung: die messbare Maximierung eines gerecht verteilten gesundheitlichen Zugewinns in einer Zeit, in der die Gesundheitsbudgets auf nationaler und internationaler Ebene nicht mehr wachsen oder gar schrumpfen.

Und nun meine letzte allgemeine Feststellung: Es ist zu schaffen. Ihre Dokumente zeigen, wie dies evidenzbasiert mit einer begrenzten Anzahl intelligenter und effektiver Maßnahmen geht.

Wenn wir die Dynamik für mehr Gesundheit aufrechterhalten wollen, die den Beginn des Jahrhunderts kennzeichnete, müssen die Gesundheitsprogramme effizient sein und dürfen Verschwendungen nicht toleriert werden. Ihre Dokumente und insbesondere Ihre Aktionspläne sind in dieser Hinsicht vorbildlich.

Und ebenso wichtig: Der Zwischenbericht über die Umsetzung der Charta von Tallinn zeigt, dass ehrgeizige Bekenntnisse sich trotz der derzeit knappen Kassen in Taten umsetzen lassen.

Ich stimme dem zu. Die Charta von Tallinn über Gesundheitssysteme für Gesundheit und Wohlstand bedeutete einen Meilenstein für die Gesundheitspolitik in der Europäischen Region und ist ein Vorzeigeprodukt des Regionalbüros.

Sie wurde sofort auf eine harte Probe gestellt. Sie erschien 2008, wie Sie sich erinnern werden, genau zu dem Zeitpunkt, als die Welt sich abrupt veränderte und es nach der Aussicht auf Wohlstand plötzlich hieß, den Gürtel enger zu schnallen.

Wie bereits bemerkt wurde, nutzten mehrere Länder die Finanzkrise als politische Chance zur Prioritätsverlagerung und führten Effizienzgewinne herbei, welche die negativen Auswirkungen auf Arme und Benachteiligte minderten. In einer Zeit, in der Ausgaben der öffentlichen Hand kritisch hinterfragt werden, hat die Arbeit zur Erhaltung der Leistungen der Gesundheitssysteme auch Erkenntnisse über deren Effizienz erbracht und eine verantwortliche Mittelverwendung demonstriert.

Beispielhaft möchte ich das Informationsnetzwerk für Arzneimittelpreis- und Kostenerstattung als einen intelligenten und effektiven Mechanismus nennen, der in einem der größten Bereiche der Gesundheitsausgaben Geld sparen hilft.

Wie die Charta von Tallinn so treffend feststellte, darf es „heute nicht mehr hingenommen werden […], dass Menschen infolge von Gesundheitsproblemen verarmen.“

Die Fortschritte in der Verwirklichung der Verpflichtungen aus der Charta, erhalten deren Wahrhaftigkeit und Überzeugungskraft heute. Dies ist in einer unablässig von Krisen geplagten Welt eine große Ermutigung.

Meine Damen und Herren,

ich teile die optimistische Stimmung, die aus vielen Ihrer Dokumente hervorgeht: Die Länder können die Gesundheitssituation radikal verändern, wenn sie ihre Gelegenheiten zum Handeln nutzen. Durch evidenzbasierte Maßnahmen und intelligente Grundsatzentscheidungen lässt sich die Dynamik für mehr Gesundheit sehr wohl aufrechterhalten.

Sektorübergreifende Zusammenarbeit, insbesondere zur Prävention und Bekämpfung chronischer nichtübertragbarer Krankheiten, ist eine der sich bietenden Gelegenheiten. Tatsächlich, deuteten viele von Ihnen auf gesamtstaatliche Ansätze hin, die zur Lösung vieler Ihrer „bösartigen“ Probleme unerlässlich seien.

So zeigt etwa Ihr Aktionsplan Alkohol, dass eine Verringerung des schädlichen Alkoholkonsums neben dem Einsatz des Gesundheitswesens ein zwischen staatlichen Behörden, Verkehrspolizei, Ordnungsamt, Kriminaljustiz und Sicherheitsbehörden abgestimmtes Vorgehen erfordert.

Außerdem hängt sie von der Unterstützung durch Organisationen der Zivilgesellschaft ab, zumal solche Gruppen machtvoll strengere Kontrollen und die Einhaltung der Vorschriften gegen Alkohol am Steuer einfordern können.

Doch, wie Sie ebenfalls festgestellt haben, sind Gesundheitsministerien in der Regierung oft nicht in einer Position, Veränderungen außerhalb des eigenen Ressorts einzuleiten. Jetzt, da „Gesundheit 2020“ Form annimmt, wird deutlich, dass die Gesundheitsministerien mehr politisches Gewicht benötigen.

Als eine Ironie der Geschichte könnten die Gesundheitsminister im Gefolge zweier beunruhigender Entwicklungen bald erstmals dieses politische Gewicht erhalten. Diese Entwicklungen erfordern die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft und Maßnahmen auf höchster Regierungsebene.

Die erste betrifft die oberste Priorität der internationalen Politik: Stabilität und Sicherheit. Es geht hier nicht um Gesundheitssicherheit, Sicherheit einzelner Menschen oder Sicherheit vor Epidemien. Es geht um die Sicherheit vor der Bedrohung durch soziale Unruhen und staatliches Versagen.

Es geht um Sicherheit vor dem Ausbruch kriegerischer Auseinandersetzungen, die manchmal ein internationales Eingreifen, aber immer massive humanitäre Hilfeleistungen erforderlich machen. Heutzutage kann diese Arbeit besonders schwer und gefährlich sein.

Wie die Finanzkrise des Jahres 2008, so kam auch der arabische Frühling in diesem Jahr für viele überraschend. Im Nachhinein waren die Ereignisse, die in Tunesien und Ägypten ihren Lauf nahmen, in den Augen vieler Experten und Forscher eigentlich vorhersehbar.

Sie nennen lange bestehende Ungleichheiten in Bezug auf Einkommen, Lebenschancen (insbesondere für junge Menschen) und den Zugang zu Sozialleistungen als Ursache für den Kampf um Veränderung. Sie beziehen sich auf eine so genannte „steigende Erwartungshaltung“, die in der Geschichte oftmals Proteste und Revolutionen angeheizt habe.

Sie beziehen sich auf Länder, in denen Jahr für Jahr mehr Menschen unterhalb der Armutsgrenze leben, obwohl die Wirtschaft stetig wächst. Sie beziehen sich auf Länder, in denen es keine Mittelschicht mehr gibt.

Und ihre Schlussfolgerung lautet, dass, wenn wir wirklich eine stabile und sichere Welt anstreben, mehr Chancengleichheit zu einem neuen zwingenden politischen und wirtschaftlichen Gebot werden müsse.

Die Gesundheitspolitik, die sich für die Verbesserung von Chancengleichheit in einer guten Position befindet, würde einen solchen Wandel im Denken auf höchster Ebene begrüßen.

Die zweite Entwicklung, die Sie thematisieren werden, ist die Zunahme chronischer nichtübertragbarer Krankheiten. Die Tagung auf hoher Ebene während der Generalversammlung der Vereinten Nationen muss ein Weckruf sein, nicht für die Gesundheitspolitik, sondern auch für die Staats- und Regierungschefs.

Solche Krankheiten sprengen die Bank. Nach Schätzungen einer neueren Harvard-Studie für das Weltwirtschaftsforum werden nichtübertragbare Krankheiten die Weltwirtschaft in den kommenden 20 Jahren 30 Billionen US-$ oder 48% des globalen Bruttoinlandsprodukts aus dem Jahr 2010 kosten. Wenn wir diese kostspieligen Krankheiten nicht in den Griff bekommen, werden sie unsere Wirtschaftserträge aufzehren und Millionen von Menschen unter die Armutsgrenze abrutschen lassen.

Gesundheitspraktiker und Ärzte können für gesündere Lebensweisen und strengere Tabakgesetze eintreten, Patienten behandeln und Rezepte ausgeben, aber sie können nicht das soziale Umfeld so umgestalten, dass es gesundheitsförderliche Verhaltensweisen und Entscheidungen erleichtert.

Wenn etwa Adipositas in der Bevölkerung so weit verbreitet ist, ist der Grund dafür nicht etwa fehlende Willenskraft der Betroffenen, sondern fehlender Wille auf höchster politischer Ebene.

Ihr Aktionsplan zur Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten verdient es, gesondert erwähnt zu werden. Da 86% aller Todesfälle in der Region auf diese umfassende Gruppe von Krankheiten zurückzuführen sind, kann ich nachvollziehen, weshalb der Plan so rigoros und zielstrebig formuliert ist.

Er zeigt die Zähne, vor allem durch die Forderung, Steuerpolitik und Marktkontrolle voll und ganz zur Beeinflussung der Nachfrage nach Tabakwaren, Alkohol und Nahrungsmitteln mit hohem Gehalt an gesättigten Fettsäuren, Transfetten und Zucker zu nutzen.

Wie festgestellt wurde, ist der Salzgehalt verarbeiteter Nahrungsmittel einer der Hauptgründe dafür, dass der tägliche Salzverbrauch in vielen Ländern die Empfehlung der WHO übersteigt. Ich stimme vollkommen zu: Die Reduzierung des Salzverbrauchs ist eine der kosteneffektivsten und bezahlbarsten Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit.

Der Ansatz des Aktionsplans ist vergleichbar mit dem, was die WHO durch ihre Modelllisten unentbehrlicher Arzneimittel erreichen will. Nämlich einen rationalen Gebrauch knapper Mittel, damit möglichst viele Menschen von ihnen profitieren. Ich sehe der wegweisenden Annahme und Verwirklichung des Aktionsplans durch diese Region erwartungsvoll entgegen.

Meine Damen und Herren,

wie bereits gesagt, Sie verjüngen die gesundheitspolitische Agenda der Europäischen Region. Die WHO durchläuft auch durch ihr gegenwärtiges Reformprogramm einen Verjüngungsprozess.

Die weltweiten Gesundheitsbedürfnisse haben sich seit der Gründung der WHO vor 60 Jahren bedeutend verändert und haben sich im ersten Jahrzehnt dieses neuen Jahrhunderts mit außerordentlichem Tempo weiterentwickelt. Die WHO spielt weiterhin eine führende Rolle in der globalen Gesundheitspolitik, muss aber mit diesen Veränderungen Schritt halten.

Ihre Prioritäten müssen den dringenden gesundheitlichen Bedürfnissen gerecht werden, auf deren Befriedigung die WHO in einzigartiger Weise hinwirken kann, und die Finanzierung muss auf diese Prioritäten ausgerichtet sein. Zur Verbesserung von Effizienz, Flexibilität und Wirkung sind Haushaltsdisziplin und eine veränderte Personalpolitik der WHO erforderlich.

Eine stärkere Führungsrolle seitens der WHO kann zu mehr Kohärenz in den Aktionen der zahlreichen Partner im Gesundheitsbereich führen und eine bessere Abstimmung dieser Aktionen auf die Prioritäten und Möglichkeiten in den Empfängerländern bewirken.

Aus all diesen Gründen habe ich im Jahr 2010 einen Konsultationsprozess zur zukünftigen Finanzierung der WHO in die Wege geleitet, der in Kürze in einem Plan zur Reformierung der Organisation gipfeln wird.

Die vorgeschlagenen Reformen sind umfangreich und umfassen sowohl die fachliche Arbeit und die Führungsaufgaben der WHO als auch die Mechanismen zur Steuerung dieser Arbeit.

Die Reformen sind ehrgeizig, wobei verbesserte Gesundheitsergebnisse in den Ländern als wichtigster Maßstab zur Bewertung der Arbeit der WHO herangezogen werden.

Vor allem aber werden die Reformen von den Bedürfnissen und Erwartungen der Mitgliedstaaten geprägt und sind eine Reaktion auf die von ihnen vorgebrachten Anregungen.

Ich bin mir der Herausforderungen voll bewusst, aber ich bleibe engagiert und enthusiastisch und auch zuversichtlich, dass die enge Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, den Bediensteten und den Partnerorganisationen die WHO effizienter, transparenter und verantwortungsbewusster machen und es ihr ermöglichen wird, in Bereichen, in denen sie dringend gebraucht wird, entschlossener zu agieren, und Prioritäten, bei denen sie über eine einzigartige Handlungsfähigkeit verfügt, gezielter anzugehen.

Vor allem aber müssen wir eine WHO anstreben, die in der Lage ist, aktuelle und zukünftige Herausforderungen bei der Verbesserung der Gesundheitssituation in einer komplexen Welt zu bewältigen.

Ich danke diesem Regionalkomitee dafür, dass es mehr Klarheit in Bezug auf viele der „bösartigen“ Herausforderungen geschaffen und praktikable Lösungen erarbeitet hat. Doch noch wichtiger ist vielleicht, dass diese Lösungen erneut das Wertesystem bekräftigen, von dem die Arbeit der WHO auf allen drei Ebenen der Organisation bestimmt wird.

Meine Damen und Herren,

nun möchte ich mich noch mit einem letzten Anliegen an Sie wenden.

Wenn ich mich an dieses Regionalkomitee wende, so bin ich mir dabei vollkommen der Tatsache bewusst, dass ich damit zu den Vertretern jener Länder spreche, die die WHO traditionell am großzügigsten finanziell unterstützt haben. Ich möchte Ihnen allen für die Unterstützung der Organisation danken.

Inzwischen hat in vielen Ihrer Länder ein enormer innenpolitischer Druck dazu geführt, dass die Entwicklungshilfe angesichts der strikten Erfordernis der Kosteneffizienz sowie wachsender Forderungen nach messbaren Investitionsergebnissen umgestaltet wurde. Die Arbeit der Kommission für Information und Rechenschaftsablage über die Gesundheit von Frauen und Kindern, die von der WHO gefördert wurde, trägt diesem Trend Rechnung.

Doch bringt dieser Trend zwei Probleme mit sich, die die WHO lösen muss, während wir die Reform durchlaufen.

Erstens müssen wir unsere Arbeit und ihre Wirkung besser vermitteln. Dies wird uns sogar von unseren größten Unterstützern bescheinigt. Wenn wir wollen, dass Parlamentarier Gelder für die finanzielle Unterstützung der WHO bewilligen, so müssen ihre Wähler besser verstehen, worin unsere Arbeit besteht und warum sie so wichtig ist.

Die klare Beschreibung des Mehrwerts, den die WHO zu Gesundheit und Entwicklung beisteuert, ist von entscheidender Bedeutung, seit hoch profilierte globale Initiativen für Gesundheit wie der Globale Fonds, GAVI, PEPFEAR sowie einige weitere Initiativen zu Malaria und anderen Themen entstanden sind.

Das zweite Problem ist eng mit dem ersten verbunden. Die Wirkung unserer Arbeit ist meist nur schwer zu messen, entfaltet sich eher hinter den Kulissen und sorgt nicht für Schlagzeilen; oder sie bleibt gar weitgehend unsichtbar, bis etwas Schreckliches passiert, etwa bei einem Seuchenausbruch oder wenn die Luft- bzw. Wasserverschmutzung oder die Menge an Zusatzstoffen in Nahrungsmitteln die geltenden Grenzwerte deutlich überschreitet.

So kauft und verteilt die WHO keine antiretroviralen Medikamente. Doch die von Aids Betroffenen und die Aktivisten befürworten größtenteils die fachliche Arbeit der WHO und sind der Ansicht, dass insbesondere unser anhaltendes Eintreten für die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Leitlinien für die Behandlung fast 7 Mio. einkommensschwachen Menschen Zugang zu Medikamenten verschafft hat, die lebensverlängernd wirken und die Lebensqualität verbessern.

Natürlich ist es viel einfacher, die Impfstoffe, Moskitonetze und Medikamente zu zählen, die bei Kampagnen gegen einzelne Krankheiten verteilt werden, als die Wirkung der fachlichen Arbeit der WHO zu messen. Lassen Sie mich auch betonen, dass die WHO nicht im Wettstreit mit diesen Initiativen steht. Wir arbeiten als Partner zusammen. Aber es ist wichtig, dass die WHO besser über diese Arbeit an Sie berichtet als bislang.

Gestatten Sie mir abschließend noch ein letztes Beispiel. Im Juli drängte die WHO die Länder dazu, den Gebrauch fehlerhafter und nicht genehmigter Bluttests zur Diagnose aktiver Tuberkulose zu verbieten. Die WHO hat akribisch nach soliden Belegen dafür gesucht, dass diese Tests widersprüchlich bzw. ungenau sind und das Leben von Patienten gefährden.

Die Tests sind unzuverlässig. Falsche Positiv-Befunde bedeuten, dass die Patienten monatelang grundlos toxische Medikamente einnehmen. Falsche Negativ-Befunde bedeuten, dass die Betroffenen keine Vorkehrungen treffen, um eine Ansteckung Anderer zu vermeiden.

Jährlich werden über eine Million dieser fehlerhaften Tests durchgeführt, häufig mit hohen Kosten für die Patienten, die zum Teil bis zu 30 US-$ pro Test bezahlen müssen.

Natürlich ist es richtig, dass die WHO auf der Grundlage der Evidenz Alarm schlägt und zu einem Verbot dieser Tests drängt, ebenso wie es richtig ist, dass die WHO sich öffentlich gegen den anhaltenden Einsatz von Monotherapien für Malaria, insbesondere in der Privatwirtschaft, ausspricht. Doch wie können wir die Auswirkungen dieser Arbeit messen?

Meine Damen und Herren,

die Welt braucht einen Wächter über die globale Gesundheit, einen Beschützer und Verteidiger der Gesundheit und des Rechtes auf Gesundheit.

Meiner Ansicht nach beginnt die Reform der WHO aus einer Position der Stärken, nämlich den einzigartigen Funktionen und Qualitäten dieser Organisation.

Ich selbst bin fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass diese Funktionen und Qualitäten durch den Reformprozess gestärkt werden. Und ich freue mich sehr darauf, heute und morgen mit Ihnen über diesen Reformprozess zu diskutieren.

Ich danke Ihnen.