Ansprache Ihrer Königlichen Hoheit der Kronprinzessin von Dänemark an die 67. Tagung des WHO-Regionalkomitees für Europa
11. September 2017, Budapest, Ungarn
Sehr geehrte Damen und Herren Minister, sehr geehrter Herr Generaldirektor der WHO, sehr geehrte Frau Regionaldirektorin, sehr geehrte Gäste, meine Damen und Herren!
Nochmals vielen Dank, liebe Zsuzsanna, für die Einladung, auf der 67. Tagung des WHO-Regionalkomitees für Europa teilzunehmen, die auf Einladung der ungarischen Regierung in der schönen Stadt Budapest stattfindet. Dies ist die siebte Tagung des Regionalkomitees, an der ich in meiner Eigenschaft als Schirmherrin des WHO-Regionalbüros für Europa teilnehme, und ich freue mich jedes Mal auf dieses Ereignis, bei dem führende Politiker und andere Vorkämpfer für Gesundheit zusammen künftige Ziele bei der Verwirklichung von mehr Gesundheit und Wohlbefinden in der Europäischen Region der WHO festlegen.
Aber zunächst möchte ich diese Gelegenheit nutzen, vor diesem erlesenen Publikum dem neuen Generaldirektor der WHO, Herrn Dr. Tedros, zu seiner Wahl zu gratulieren. Ich begrüße es sehr, dass die Prioritäten, die Sie, Herr Dr. Tedros, bereits öffentlich verkündet haben, in vollem Umfang mit denen der Europäischen Region übereinstimmen.
Angesichts der neuen Rahmenbedingungen aufgrund der Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) ist es in hohem Maße sinnvoll, dass wir über den neuen Fahrplan zur Umsetzung der Agenda 2030 beraten und dabei deutlich erkennbar an „Gesundheit 2020“ anknüpfen. In dem Fahrplan werden die Prioritäten der Europäischen Region genannt, und es wird eine gemeinsame Marschroute vorgegeben.
Um die SDG zu verwirklichen, müssen wir allen Menschen jeden Alters mehr Gesundheit und Wohlbefinden sichern und dabei für mehr Chancengleichheit und Nachhaltigkeit sorgen, mit anderen Worten: eine allgemeine Gesundheitsversorgung verwirklichen. Ich selbst habe geeignete Gelegenheiten genutzt, um dieses Konzept bei Themen zu vermitteln und voranzutreiben, die meiner Ansicht nach besondere Konzentration und Aufmerksamkeit erfordern, etwa bei der Gesundheit von Mutter und Kind, im Impfwesen oder bei der Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen.
Gesundheit, Menschenwürde und Rechte von Frauen, Kindern und Jugendlichen sind Eckpfeiler unserer Gesellschaft. Die Mortalität von Müttern und Kindern ist ein Gradmesser für den Gesundheitsstatus eines Landes. Sie ist ein zentraler Indikator für die Beobachtung von Fortschritten, und sie verdeutlicht auch: Wenn wir nicht Ungleichheiten und Gewalt zwischen den Geschlechtern bekämpfen, wenn wir keinen Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit sowie damit verbundenen Rechten schaffen, und wenn es uns nicht gelingt, auf Erwachsene zugeschnittene Interventionen kindergerecht zu machen, dann werden wir die in den SDG genannten Zielvorgaben nicht erreichen.
Wir dürfen nicht vergessen, wie wichtig Investitionen in Kinder und Jugendliche sind; sie sind unsere Zukunft. Ihre Fähigkeit, ihr Potenzial voll auszuschöpfen, wird davon abhängen, welche Maßnahmen wir heute ergreifen. Wenn wir sie im Stich lassen, stehen ihre Chancen auf Erfolg nicht gut, aber wenn wir für sie erfolgreich die Weichen stellen, dann werden sie sicher auch Erfolg haben.
Kinder brauchen von den frühesten Lebensphasen an Schutz. Kaum eine andere Intervention hat mehr zum weltweiten Gesundheitsschutz beigetragen als Impfungen. Impfprogramme bilden das Rückgrat eines starken Gesundheitssystems und dienen der Stärkung der Gesellschaft und dem Abbau von Ungleichheiten. Impfstoffe sind das sicherste und wirksamste Mittel zur Vorbeugung gegen Infektionskrankheiten. Sie haben positive Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden, Bildung und Beschäftigung unserer Bürger und sogar auf unsere Volkswirtschaften. Deshalb ist es ein gutes Zeichen, dass in über zwei Dritteln der Länder der Europäischen Region die Unterbrechung der endemischen Übertragung von Masern und Röteln gelungen ist.
Doch haben Probleme in Bezug auf das Angebot von Impfstoffen und die Nachfrage nach Impfungen in vielen Ländern dazu geführt, dass die gewünschten Impfraten nicht erreicht wurden. Diese Versäumnisse hatten ein Wiederaufleben impfpräventabler Krankheiten und eine Zunahme der dadurch bedingten Krankenhauseinweisungen und Todesfälle zur Folge, und die Krankheitsausbrüche treiben auch die wirtschaftlichen Kosten in die Höhe. Jedes zehnte Kind in der Europäischen Region verfügt über keinen ausreichenden Impfschutz.
Es ist besorgniserregend, dass die Masern sich weiter ausbreiten und mitten in Europa auf tragische Weise Menschenleben kosten. Es ist extrem bedauerlich, dass im vergangenen Jahr 41 Menschen an Masern gestorben sind – einer Krankheit, die sich durch nur zwei Injektionen eines verfügbaren Impfstoffs vermeiden ließe.
Dies zeigt nur allzu deutlich, dass wir trotz ständiger Fortschritte bei der Bekämpfung, Eliminierung und Eradikation der Krankheit in der Europäischen Region und weltweit noch mehr tun und weiterhin wachsam bleiben müssen. Es gilt dafür zu sorgen, dass die nächste Generation die Chance erhält, ihr volles Potenzial zu entwickeln, ohne von Krankheit oder Tod infolge impfpräventabler Krankheiten bedroht zu sein.
Im November 2016 hatte ich die Ehre, zusammen mit der Regionaldirektorin die Republik Moldau besuchen zu dürfen. Im Mittelpunkt unseres Besuchs stand die Bedeutung der Aufrechterhaltung der Dynamik der Impfprogramme. Dieser Besuch trug zu intensivierten Bemühungen des Landes um die Eliminierung der Masern und Röteln und die beschleunigte Einführung einer Schutzimpfung gegen das humane Papillomavirus bei.
Weitere inhaltliche Schwerpunkte unseres Besuchs waren die Gesundheit von Müttern und Kindern und die Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen (AMR). Ich bin davon überzeugt, dass AMR zu den größten Bedrohungen unserer Zeit für die Gesundheit von Menschen und Tieren gehören. Deshalb werde ich auch in Zukunft für entschlossenes Handeln auf diesem Gebiet werben.
Trotz allen Engagements der Politik ist es offensichtlich, dass zahlreiche Menschen in vielen Ländern sich immer noch nicht über die Folgen ihres Gebrauchs bzw. Missbrauchs von Antibiotika im Klaren sind. Leider gilt dies auch für die Europäische Region. Die Problematik der antimikrobiellen Resistenzen betrifft uns alle. Deshalb muss für jeden hörbar und verständlich vor dieser Bedrohung gewarnt werden, damit jeder ihre Bedeutung versteht und entsprechend handeln kann. Wir haben das Wissen und das Know-how; somit gibt es keine Entschuldigung für Untätigkeit.
Im vergangenen Jahr habe ich anlässlich der Weltantibiotikawoche (WAAW) in einer Erklärung auf die bedeutende Rolle der Gesundheitsfachkräfte hingewiesen, also der Ärzte, Pflegekräfte und Pharmazeuten und verschreibenden Krankenhausbediensteten, die allesamt bei der Verteidigung der Wirksamkeit von Antibiotika in vorderster Linie stehen und Unterstützung durch die Politik benötigen.
Die diesjährige Weltantibiotikawoche wird an frühere Kampagnen anknüpfen und die Bedeutung von Infektionsschutz- und -bekämpfungsmaßnahmen für eine wirksame Zurückdrängung antimikrobieller Resistenzen in den Mittelpunkt stellen. Ich möchte Sie daher alle auffordern, sich gemeinsam an dieser Woche im November zu beteiligen. Europa hat bei diesem Kampf in den letzten Jahren eine Führungsrolle gespielt. Nun ist es an der Zeit, der Welt zu zeigen, dass wir etwas bewirken und die antimikrobiellen Resistenzen zurückdrängen können.
Um dies zu erreichen, brauchen wir eine starke WHO, in Europa und weltweit – eine WHO, die Ihnen, den Mitgliedstaaten, zuhört und auf Ihre Anliegen reagiert und den Weg ebnet für den Schutz der öffentlichen Gesundheit. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist der Kapazitätsaufbau der WHO bei Präventions-, Vorsorge- und Gegenmaßnahmen in Bezug auf gesundheitliche Notlagen. Wie unser Generaldirektor, Dr. Tedros, sagte: „Allgemeine Gesundheitsversorgung und gesundheitliche Notlagen sind miteinander verwandt: zwei Seiten derselben Medaille“. Hier präsentiert sich eine WHO, die sich konsequent an ihre eigenen Ziele hält und sich ihrer Rolle als oberste Instanz in der globalen Gesundheitspolitik verpflichtet fühlt.
Als Schirmherrin des WHO-Regionalbüros für Europa bin ich ermutigt durch diese transformativen Maßnahmen und stolz darauf, zu dieser Arbeit beitragen zu können.
In den nächsten Tagen werden Sie über eine Vielzahl von Themen diskutieren: Migration und Impfung, AMR, Tuberkulose und nicht zuletzt zehn Jahre Internationale Gesundheitsvorschriften, die die zentrale Grundlage für die Verbesserung der Gesundheitssicherheit darstellen. Sie sind dazu aufgerufen, Beschlüsse über ein nachhaltiges Arbeitskräfteangebot im Gesundheitswesen, den Zugang zu Arzneimitteln oder den Themenkomplex Umwelt und Gesundheit zu fassen. Sie werden Weichen stellen für die Schaffung leistungsfähiger Gesundheitssysteme, die eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung – und letztendlich Verwirklichung – der Ziele für nachhaltige Entwicklung sind.
Ich wünsche Ihnen eine fruchtbare Arbeitswoche. Abschließend möchte ich jedem einzelnen von Ihnen für Ihren persönlichen Einsatz für Gesundheit und Wohlbefinden aller unserer Bürger in der Europäischen Region danken.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.