Adipositas im Kindesalter und Tuberkulose als Schwerpunktthemen des ersten Tages der Weltgesundheitsversammlung
Die 67. Weltgesundheitsversammlung, die jährliche weltweite Konferenz der WHO für Gesundheitsminister und andere führende Vertreter der Gesundheitspolitik, wurde am 19. Mai 2014 eröffnet.
In ihrer Ansprache an die Delegierten brachte WHO-Generaldirektorin Dr. Margaret Chan ihre tiefe Besorgnis über den weltweiten Vormarsch der Adipositas im Kindesalter und deren besonders raschen Anstieg in den Entwicklungsländern zum Ausdruck. „Wie es in der Weltgesundheitsstatistik 2014 unverblümt heißt: Unsere Kinder werden dicker“, sagte sie.
Frau Dr. Chan kündigte an, sie habe eine hochrangige Kommission für die Beseitigung der Adipositas im Kindesalter eingesetzt, um den bestmöglichen Rat für den Umgang mit dieser Krise zu erhalten. Die Kommission – die unter dem gemeinsamen Vorsitz von Sir Peter Gluckman, dem obersten wissenschaftlichen Berater des Premierministers von Neuseeland, und Dr. Sania Nishtar, der Gründerin der gesundheitspolitischen Denkfabrik Heartfile in Pakistan steht – soll in einem Konsensbericht konkretisieren, welche Lösungsansätze unter verschiedenen Rahmenbedingungen in verschiedenen Ländern Erfolg versprechen. Die Empfehlungen des Berichts werden im nächsten Jahr auf der Weltgesundheitsversammlung verkündet.
Die Mitgliedstaaten nahmen eine Resolution an, in der sie einer neuen globalen Strategie für die Zeit nach 2015 mit entsprechenden Zielvorgaben für die Prävention und Bekämpfung der Tuberkulose und die Versorgung von Tuberkulosepatienten zustimmten. Die Strategie zielt darauf ab, die weltweite Tuberkuloseepidemie zu beenden, indem bis 2035 die Zahl der tuberkulosebedingten Todesfälle um 95% und die Zahl der Neufälle um 90% gesenkt wird. Dabei werden für die Jahre 2020, 2025 und 2030 Etappenziele gesetzt.
Themen von besonderem Interesse für die Europäische Region
- Am 18. Mai 2014 unterzeichneten Veronika Skvortsova, Gesundheitsministerin der Russischen Föderation, Margaret Chan, Generaldirektorin der WHO, und Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa, eine Kooperationsstrategie (CCS) zwischen der Russischen Föderation und der WHO, die eine mittelfristige Zukunftsvision für die fachliche Zusammenarbeit zur Unterstützung der Gesundheitspolitik, der Gesundheitsstrategie und des dazu gehörigen Aktionsplans des Landes und der damit verbundenen Anstrengungen nach Maßgabe von „Gesundheit 2020“ enthält.
- Der litauische Gesundheitsminister Vytenis Povilas Andriukaitis wurde zum Vizepräsidenten der Weltgesundheitsversammlung gewählt.
- Vasily Zharko, Gesundheitsminister von Belarus, erörterte in einem Gespräch mit Zsuzsanna Jakab Fortschritte bei der Bekämpfung des Tabak- und Alkoholkonsums. Ein weiteres Thema war die Unterstützung der WHO bei den Bemühungen um Stärkung des Gesundheitssystems im Hinblick auf die Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten. Der Minister unterstrich die Fortschritte seines Landes bei der Senkung der Mütter- und Säuglingssterblichkeit und wies darauf hin, dass eine stärkere Schwerpunktlegung auf die primäre Gesundheitsversorgung zu besseren Ergebnissen in Bezug auf nichtübertragbare Krankheiten führen werde.
- In dem Gespräch zwischen Philippos Patsalis, dem Gesundheitsminister Zyperns, und Zsuzsanna Jakab lag der thematische Schwerpunkt auf der Reformierung des Gesundheitssystems und konkret auf dem überlasteten Krankenhaussystem sowie den hohen Zuzahlungen der Bürger aus eigener Tasche für Gesundheitsleistungen. Die Regionaldirektorin bot konkret Unterstützung und Rat der WHO im Hinblick auf den Reformprozess in Form von Sachverstand in den Bereichen öffentliche Gesundheit und Gesundheitsfinanzierung an.
- In einer Rede im Plenum würdigte die Delegation der Russischen Föderation die Schwerpunktlegung der Generaldirektorin auf Reformen und Effizienzverbesserung in der WHO und erläuterte, wie auch ihr Land weitreichende Veränderungen im Gesundheitssystem (Diagnostik, eGesundheit, individuelle Gesundheitsuntersuchungen) vorgenommen habe, um die gesundheitlichen Ergebnisse für die Bevölkerung zu verbessern. Die Delegation wies auch auf die Eröffnung eines Fachzentrums der WHO in Moskau hin, das die Entschlossenheit der Russischen Föderation zur Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten unterstreiche.
- Die finnische Delegation sprach im Plenum von der Notwendigkeit einer weltweiten Zusammenarbeit bei der Auseinandersetzung mit dem Klimawandel, wofür auch ein Handeln auf der lokalen Ebene zur Schaffung einer sicheren Umwelt erforderlich sei, etwa durch Förderung von Radfahren und generell Bewegung. Die Delegation unterstrich auch, dass die Kapazitäten der Gesundheitssysteme gestärkt, die Nachhaltigkeit verbessert und gesundheitliche Ungleichheiten abgebaut werden müssten.
- In einer Intervention der Delegation des Vereinigten Königreichs wurde die Notwendigkeit einer internationalen Zusammenarbeit bei der Auseinandersetzung mit der Problematik der antimikrobiellen Resistenz, der zunehmenden Ausbreitung von Demenzerkrankungen in einer alternden Bevölkerung und der Gewalt gegen Frauen (namentlich der weiblichen Genitalverstümmelung) hervorgehoben. Die Delegation appellierte konkret an die Weltgesundheitsversammlung, Maßnahmen zur Verbesserung der Kontrolle über den Antibiotikagebrauch zu ergreifen, eine globale Datenbank zur Registrierung dieses Gebrauchs einzurichten und bis 2020 eine neue Klasse von Antibiotika zu entwickeln.
- In einer Rede im Plenum sprach der deutsche Gesundheitsminister Hermann Gröhe von den negativen gesundheitlichen Folgen des Klimawandels und wies darauf hin, dass von ihnen alle Bürger, insbesondere aber gefährdete und benachteiligte Bevölkerungsgruppen betroffen seien. Der Minister unterstrich die Entschlossenheit seines Landes, sich mit dem Themenkomplex Umwelt und Gesundheit zu befassen, als Gastland für das Europäische Zentrum der WHO für Umwelt und Gesundheit zu fungieren und ein Projekt in Zentralasien und Südosteuropa zum Schutz der Gesundheit vor den Folgen des Klimawandels zu finanzieren.
- In einem bilateralen Gespräch erörterte der polnische Gesundheitsminister Bartosz Arlukowicz mit Zsuzsanna Jakab ein breites Spektrum von Themen, darunter die Preisbildung bei Arzneimitteln, die Berichterstattung über die Umsetzung von „Gesundheit 2020“, die Unterstützung für Lernen und Wissensaustausch im Bereich Gesundheitsinformation und die Beteiligung an Gremien und Ausschüssen der WHO.
- Beim Zusammentreffen zwischen der Regionaldirektorin und der Delegation Norwegens wurde ein integrierter, ressortübergreifender gesamtstaatlicher Ansatz für die Bereiche psychische Gesundheit und aktives Altern erörtert. Frau Jakab bot auch die Hilfe der WHO bei der Umsetzung der Grundsätze von „Gesundheit 2020“ in die Praxis an, insbesondere in Bezug auf gesundheitliche Ungleichgewichte und die sozialen Determinanten von Gesundheit. Im Juni wird in Helsinki ein Grundsatzdialog für die nordischen und baltischen Länder über die Umsetzung von „Gesundheit 2020“ stattfinden.
- Bei dem Gespräch der Regionaldirektorin mit der bulgarischen Delegation wurden Fragen der Zusammenarbeit sowie Möglichkeiten zur Straffung der Arbeitsprozesse zwischen dem Gesundheitsministerium und der WHO erörtert.
- Der inhaltliche Schwerpunkt beim Zusammentreffen mit der slowakischen Delegation lag auf der Stärkung der Zusammenarbeit und der Weitergabe des in dem Land vorhandenen Sachverstands auf dem Gebiet der Tuberkulosebehandlung.
- In einem bilateralen Treffen mit dem deutschen Gesundheitsminister dankte Frau Jakab Deutschland für seine Unterstützung anderer Länder und namentlich Griechenlands bei der Reformierung ihrer Gesundheitssysteme sowie auf dem Gebiet der Mittelzuweisung und des finanziellen Dialogs.
- In den Gesprächen mit der Delegation Frankreichs wurde die Problematik der Bekämpfung von Brennpunkten gesundheitlicher Ungleichgewichte erörtert, die durch die Wirtschaftskrise verschärft worden sind. Die französische Regierung hat einen ressortübergreifenden Ausschuss für Gesundheitsfragen eingesetzt. Die Delegation befürwortete auch die Förderung der Grundsätze der allgemeinen Gesundheitsversorgung, da diese nicht nur als finanzieller Schutzmechanismus wirke, sondern auch konkret den Zugang zu Gesundheitsleistungen erleichtere.