Gesundheit im Strafvollzug setzt Befähigung der Häftlinge voraus
"Nun habe ich Hoffnung für die Zukunft – zum ersten Mal. Ich kann ein guter Vater und ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft sein und Arbeit finden. Ich sehe mich nicht mehr als Eddy der Knacki, sondern als Eddy der Freiwillige beim Irischen Roten Kreuz."
Ein auf sechs Jahre angelegtes Programm des Irischen Roten Kreuzes in irischen Gefängnissen, an dem insgesamt 14 Haftanstalten und über 700 Freiwillige beteiligt waren, hat gezeigt, dass die Befähigung von Häftlingen zur Übernahme von Verantwortung für ihre eigene Gesundheit zu beeindruckenden Ergebnissen führen kann. Das Programm, das unter dem Namen „Community-based Health and First Aid in Action" bekannt wurde, wird im Rahmen einer Partnerschaft zwischen der irischen Strafvollzugsbehörde, den Bildungs- und Ausbildungsämtern und dem Irischen Roten Kreuz betrieben. Dabei werden Gruppen ausgewählter Häftlinge als sog. „Peer-Erzieher" geschult und betreiben praktische Gesundheitsförderung bei ihren Mithäftlingen, um sie in Bezug auf Bevölkerungsgesundheit, persönliche Hygiene, Erste Hilfe und Wohlbefinden zu sensibilisieren. Bei diesem das gesamte Strafvollzugssystem umfassenden Ansatz werden das Personal, das Gesundheitssystem und die Häftlinge selbst einbezogen.
Der Ansatz basiert auf einfachen Initiativen zur Förderung von Gesundheitsbewusstsein, wie richtiges Händewaschen zur Vorbeugung gegen Infektionen, Kampagnen gegen Vermüllung und ein farbkodiertes Wischmopp-und Eimer-System. Die Veränderungen werden von in Gruppen arbeitenden Häftlingen geplant und vermittelt. Durch diesen Prozess werden sowohl die Peer-Erzieher als auch die anderen Insassen dazu ermächtigt, die neuen Initiativen in die Praxis umzusetzen. Die Ergebnisse kommen sowohl den Häftlingen als auch dem Anstaltspersonal zugute und ermöglichen aufgrund der erreichten gesundheitlichen Verbesserungen Einsparungen im Etat von Haftanstalten.
Waffenfreie Haftanstalten
Neben einem grundlegenden Gesundheitsbewusstsein haben sich die ermächtigten Häftlinge auch mit Problemen beschäftigt, die in zahlreichen Haftanstalten vorherrschen, etwa Angriffen mit Stichwaffen. Angriffe auf Mithäftlinge sind in den meisten Haftanstalten keine Seltenheit. Die Insassen beschaffen sich verschiedenste Waffen, etwa geschärfte Plastikteile, die wie Messer verwendet werden. Im Rahmen des Programms des Roten Kreuzes haben sich die Insassen der Haftanstalt Wheatfield ein Gefängnis ohne Waffen zum Ziel gesetzt.
Durch die Arbeit der Freiwilligen unter den Häftlingen in Verbindung mit der Anstaltsleitung konnte der Anteil der bewaffneten Angriffe von 97% auf unter 6% gesenkt werden, und generell wurde ein Rückgang der Zahl der Angriffe um 50% verzeichnet. Die verwendeten Maßnahmen waren einfach, aber effektiv: Im Rahmen einer Amnestie für Waffenbesitz konnten die Häftlinge alle in ihrem Besitz befindlichen Waffen abgeben, und die sieben Grundsätze des Roten Kreuzes (Neutralität, Universalität, Menschlichkeit, Freiwilligkeit, Unparteilichkeit, Einheit und Unabhängigkeit) dienten als Einstieg, um die Insassen zu einer Diskussion über die Bedeutung der Begriffe zu veranlassen. Eine Kultur der Gewaltfreiheit und des Friedens wurde gefördert, und die Häftlinge wurden im Umgang mit Gewalt, Stress, Vorurteilen und Einsamkeit geschult. Freiwillige erklärten sich bereit, Neuankömmlinge über die Ächtung von Waffen zu informieren und sie einzubinden.
Gedanken von Freiwilligen
Bemerkungen von einigen der Freiwilligen zeugen von der Wirkung des Programms in der Haftanstalt und auch nach der Haftentlassung:
- „Meine Erfahrungen als Freiwilliger haben mich gelehrt, dass man in einer Gruppe etwas verändern kann, dass man zum Beispiel ein Gefängnis sauber halten kann." James
- „Meine Erfahrungen als Freiwilliger haben mir gezeigt, dass ich anderen helfen kann." Wenio
- „Durch die Arbeit in einem Team habe ich gelernt, dass Projekte leichter durchgeführt werden können, wenn die Leute an einem Strang ziehen." Patrick
- „Meine Erfahrungen als Freiwilliger haben mich gelehrt, dass man bei der Arbeit in einer Gruppe verschiedener Menschen Geduld haben muss, und dass man alles erreichen kann, wenn man sich nur wirklich dafür einsetzt." PJ
Farbkodierte Wischmopps
Eine Initiative beschäftigte sich mit der Verbesserung der Hygienebedingungen in Haftanstalten. Bisher wurden dieselben Wischmopps in allen Bereichen verwendet; das war unhygienisch und führte zur Verbreitung häufiger Infektionen. Dann wurde ein System eingeführt, nach dem Mopps für den Gebrauch in bestimmten Bereichen speziell farblich kodiert wurden, sodass die Mopps für den Toilettenbereich von denen für den Ess- und Schlafbereich oder denen für Blut oder Erbrochenes getrennt wurden. Die fürs Saubermachen zuständigen Mitarbeiter und Häftlinge erhielten entsprechende Anweisungen, und es wurden Plakate aufgehängt, um das nötige Bewusstsein zu schaffen und sicherzustellen, dass alle Häftlinge wissen, welchen Mopp sie wo benutzen sollen.
Anti-Vermüllungs-Kampagne
Da die Häftlinge Abfälle aus den Fenstern ihrer Zellen warfen, sammelten sich draußen überall Müllberge an. Das Ergebnis waren Maden und Gestank, insbesondere während der Sommermonate. Um dies zu verhindern, schlug die Verwaltung vor, die Fenster mit Abfallgittern zu versehen. Doch da die Gefangenen gegen eine Vergitterung ihrer Fenster waren, entwarf und druckte ein Team des Roten Kreuzes Poster, um die Insassen zur Änderung ihrer Gewohnheiten zu bewegen.
Händewaschen
Die Häftlinge wussten nicht darüber Bescheid, wie man durch richtiges Händewaschen die Ausbreitung von Grippe und anderen häufigen Infektionskrankheiten verhindern kann. Die Freiwilligen des Roten Kreuzes wurden in die richtigen Verfahren eingewiesen. Dies geschah mit der sog. Glo Box, einem Handhygienegerät, in dem Keime unter UV-Licht sichtbar gemacht werden. Die Freiwilligen gaben die erlernten Verfahren an ihre Mithäftlinge weiter. Mit Plakaten auf Treppenabsätzen wurden die Gefangenen daran erinnert, wie wichtig richtiges Händewaschen ist.
WHO-Programm Gesundheit im Strafvollzug
Das Programm Gesundheit im Strafvollzug beim WHO-Regionalbüro für Europa unterstützt eine Zusammenarbeit zwischen dem Strafvollzugssystem und den Gesundheitsbehörden. Die WHO befürwortet eine Gesundheitsversorgung im Strafvollzug, die in die Gesundheitspolitik und Gesundheitssysteme der Länder eingebunden ist, auch im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterentwicklung des Gesundheitspersonals. Den Häftlingen sollten während ihrer Haftzeit Schulungen angeboten werden, die sie auf ihre Rückkehr in die Gesellschaft vorbereiten und die Gefahr eines Rückfalls verringern.