Iliana Colonna: Positive Erfahrungen bei der Geburt zu Zeiten von COVID-19
„Zu Beginn der Epidemie war unsere erste Reaktion Angst – Angst vor Ansteckung, vor den Auswirkungen auf unsere Arbeit und um die Schwangeren in unserer Obhut. Unsere oberste Priorität bestand darin, diese Angst zu überwinden, indem wir uns an Leitlinien, u. a. die der WHO, hielten und eine neue Struktur schufen, die es uns erlauben sollte, unsere lebenswichtige Arbeit fortzusetzen“, erklärt Iliana Colonna, Koordinatorin für das Hebammenwesen am Infermi-Krankenhaus in Rimini (Italien).
Schaffung sicherer Räume
„In enger Zusammenarbeit mit Führungskräften und Experten aus anderen Bereichen waren wir in der Lage, strukturelle Veränderungen in unserer Geburtshilfeabteilung vorzunehmen und den unter meiner Aufsicht arbeitenden Hebammen neues Selbstvertrauen zu geben.
Zwar sind wir eine auf die tertiäre Versorgung spezialisierte Geburtshilfeabteilung in einem Krankenhaus und daher mit der Notfall- und Intensivversorgung vertraut. Trotzdem mussten wir uns an die Infektiosität des Coronavirus anpassen. So mussten wir mit COVID-19 infizierte Frauen von Frauen mit negativem Testergebnis trennen. Unsere 40 Hebammen wurden umgehend im effektiven Umgang mit der persönlichen Schutzausrüstung sowie in Infektionsschutzmaßnahmen geschult.“
Garantie des Rechts auf eine sichere und positive Geburtserfahrung
„Aus organisatorischer Sicht bedeutete die Trennung von mit COVID-19 infizierten Frauen und Frauen ohne Infektion auch die Anpassung und Umschichtung des Personals bei jeder Schicht und in jedem Team.
Während einige Kompetenzen allen Hebammen gemeinsam sind, wie etwa die Fähigkeit, technologische Werkzeuge und Programme zu nutzen und die Notfallversorgung von Säuglingen zu übernehmen, gibt es einige Fachkompetenzen, die einer sorgfältigen Zuweisung bedürfen, etwa die Fähigkeit, Ärzten bei einem Kaiserschnitt im Operationssaal als chirurgische Instrumentalisten zu assistieren.
Als Koordinatorin für das Hebammenwesen habe ich immer besonders großen Wert darauf gelegt, den mir unterstellten Hebammen zuzuhören. Dies gilt jetzt mehr denn je. Während zu Beginn einige Hebammen zunächst davor zurückschreckten, mit COVID-19 infizierte Frauen zu betreuen, bestand ich darauf, dass alle Hebammen sich der durch die Herausforderungen des COVID-19-Ausbruchs bietenden Chance der persönlichen und professionellen Weiterentwicklung stellen sollten.
Schon bald fühlten sich alle Hebammen bei der Ausübung ihrer Aufgaben sicher und ihre Gedanken wandten sich der Frage zu, wie man dazu beitragen kann, dass Schwangere – sowohl positiv auf COVID-19 getestete als auch negativ auf das Virus getestete – sich in unserer Obhut sicher fühlen, und ihnen die Möglichkeit einer positiven vaginalen Geburt bieten kann.“
Telegesundheit zur Unterstützung der Mütter nach der Entbindung
„Zu diesem Zweck ergriffen wir mehrere Schritte: Bei Müttern, die sich mit COVID-19 infiziert haben, platzieren wir das Kinderbett des neugeborenen Säuglings in einem Abstand von 1 Meter zum Bett der Mütter und sie müssen auf entsprechende Hand- und Atemhygiene achten, d. h. sie müssen etwa beim Stillen eine Maske tragen. Die Empfehlungen der WHO zum Stillen während der COVID-19-Pandemie waren für uns äußerst hilfreich. Wir wissen, dass Stillen besonders wirksam vor Infektionskrankheiten schützt, u. a. auch vor Atemwegserkrankungen, da es durch die Übertragung von Antikörpern von der Mutter auf den Säugling dessen Immunsystem stärkt.
Um die Ängste der Mütter zu zerstreuen, bieten wir den Müttern darüber hinaus an, per Videoanruf mit einem Psychologen zu sprechen. Auch die Hebammen stehen allen werdenden Müttern über Mobiltelefone als direkte Ansprechpartner zur Verfügung. Dies ermöglicht ihnen trotz physischer Hindernisse die Aufrechterhaltung einer persönlichen Beziehung.
Derzeit bereiten wir zudem informative Videos vor, welche die monatlichen Gruppentreffen ersetzen sollen, die das Krankenhaus normalerweise für Schwangere organisiert. Darin werden Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen – darunter Hebammen, Pflegekräfte, Neonatologen usw. – die Schritte erläutern, die wir ergriffen haben, um allen eine sichere Geburtserfahrung zu ermöglichen.“
Hebammen bei der Arbeit die Ausschöpfung ihres vollen Potenzials ermöglichen
„Die COVID-19-Pandemie hat erneut gezeigt, dass die Rolle von Pflegekräften und Hebammen beim Schutz der öffentlichen Gesundheit entscheidend ist. Für die Zukunft habe ich die Hoffnung, dass der Beitrag, den Hebammen leisten, zunehmend anerkannt wird, und sie mehr Chancen erhalten, sich Ausdruck zu verschaffen und ihre individuellen Fähigkeiten weiter zu entfalten, um so bei der Arbeit ihr volles Potenzial ausschöpfen zu können.“