Q&A – Wie sieht unbedenklicher Alkoholkonsum aus?

Dr. Lars Møller, Leiter des Programms „Alkohol und illegale Drogen“ beim WHO-Regionalbüro für Europa, räumt in einem Interview falsche Vorstellungen über ein unbedenkliches Niveau an Alkoholkonsum aus.

Wie sieht unbedenklicher Alkoholkonsum aus?

Manche Leute werden es nicht gern hören, aber ein unbedenkliches Maß für den Alkoholkonsum gibt es nicht. Natürlich gibt es ein Niveau, das mit einem geringeren Risiko verbunden ist, aber die WHO setzt hier bewusst keine Obergrenzen, da es wissenschaftlich belegt ist, dass ein vollständiger Verzicht auf Alkohol aus gesundheitlicher Sicht bei weitem am besten ist. Alkoholkonsum ist eng mit etwa 60 verschiedenen Diagnosen assoziiert, wobei es fast immer eine enge Dosis-Wirkungs-Beziehung gibt, d. h. je höher der Konsum, desto höher das Krankheitsrisiko. Weniger ist besser.

Aber trinken nicht alle?

Nur etwa die Hälfte der Weltbevölkerung trinkt Alkohol. Die Europäische Region weist von allen WHO-Regionen den höchsten Alkoholkonsum und die höchsten Raten an alkoholbedingten Schäden auf. Alkohol gehört zu den führenden Ursachen für Krankheit und vorzeitigen Tod in der Europäischen Region.

Ist Alkohol wirklich so schlimm?

Wir wissen, dass Alkohol Krebs und Bluthochdruck verursacht und dass es jedes Jahr eine hohe Zahl alkoholbedingter Verletzungen gibt. Außerdem schadet Alkohol nicht nur dem Konsumenten, sondern führt auch zu Gewalt auf der Straße und in der Familie.

Aber junge Menschen müssen sich doch wohl noch keine Sorgen machen?

Im Gegenteil – das Gehirn entwickelt sich bis zum 25. Lebensjahr, und Alkohol hat hier einen Einfluss. Das Gehirn von Jugendlichen ist besonders anfällig für Alkohol, und wer früh mit dem Trinken anfängt, läuft eher Gefahr, im späteren Leben alkoholabhängig zu werden. Je jünger das Einstiegsalter von Alkoholkonsumenten, desto größere Schäden drohen ihnen.

Aber ist Rotwein nicht gut für die Gesundheit?

Denn zwar deuten Forschungsergebnisse auf ein geringeres Risiko ischämischer Ereignisse (Herzkrankheit, Schlaganfall, Typ-2-Diabetes) unter leichten bis mäßigen Rotweintrinkern mittleren bis höheren Alters hin. Doch die schädlichen Auswirkungen von Alkoholkonsum übersteigen jegliche Schutzwirkung bei weitem. Ältere Menschen können durch Bewegung und gesunde Ernährung wesentlich mehr für ihre Gesundheit tun als durch Alkohol.

Ich trinke nicht so viel. Werde ich wirklich gesünder, wenn ich ganz damit aufhöre?

Auch moderate Alkoholkonsumenten können gesundheitliche Verbesserungen erzielen, wenn sie nicht mehr trinken. Sie bemerken schon bald, dass sie besser schlafen und sich am nächsten Tag wacher und frischer fühlen. Wer keinen Alkohol trinkt, kann sein Gewicht leichter unter Kontrolle halten.

Warum sollten heutzutage Frauen nicht so viel trinken dürfen wie Männer?

Es gibt gewichtige gesundheitliche Gründe, aus denen Alkoholkonsum für Frauen mit größeren Risiken verbunden ist als für Männer. Alkohol hat bei Frauen generell eine schädlichere Wirkung. Aufgrund des im Vergleich zu Männern niedrigeren Wasseranteils erreicht der Alkohol im weiblichen Körper eine höhere Konzentration – und damit eine höhere Toxizität. Außerdem wird das Enzym, das den Alkohol abbaut, vom weiblichen Körper in geringeren Mengen produziert, sodass der Alkoholabbau hier länger braucht.