Neue Forschungsbeihilfe zur Ermittlung vorbildlicher Praktiken zur Bekämpfung des Alkoholkonsums in den baltischen Staaten
Um die Effekte von Vorschriften zur Regulierung des Alkoholmarktes in Estland, Lettland und Litauen zu untersuchen, wurde mit Geldern des Nationalen Instituts für Alkoholmissbrauch und Alkoholismus (NIAAA) des Nationalen Instituts für Gesundheit der Vereinigten Staaten von Amerika ein neues internationales Projekt zur „Evaluierung der Auswirkungen von Konzepten zur Steuerung des Alkoholkonsums auf die Morbidität und Mortalität in Litauen und anderen baltischen Staaten“ ins Leben gerufen.
Das vom WHO-Regionalbüro für Europa unterstützte und auf 5 Jahre ausgelegte Forschungsprojekt soll letztendlich allen Ländern der Europäischen Region der WHO zugutekommen, indem es vorbildliche Praktiken identifiziert, die zur Reduzierung des Alkoholkonsums und der damit verbundenen gesundheitlichen Schäden beitragen.
Die Europäische Region weist mit nahezu 10 Litern reinen Alkohols pro Kopf, der höchsten Rate alkoholbedingter Störungen und dem niedrigsten Anteil an Menschen, die abstinent leben, von allen WHO-Regionen den höchsten Alkoholkonsum auf. So waren im Jahr 2016 10% aller Todesfälle in der Region auf Alkoholkonsum zurückzuführen.
Ebenfalls im Jahr 2016 wiesen die baltischen Staaten – Estland, Lettland und Litauen – im Vergleich zu anderen Ländern der Europäischen Region mit den höchsten Alkoholkonsum auf. Pro Kopf belief er sich in Estland auf insgesamt 11,6 Liter, in Lettland auf 12.9 Liter und in Litauen auf 15,0 Liter reinen Alkohols. Betrachtet man nur die gegenwärtigen Alkoholkonsumenten (jene, die in den 12 Monaten vor der Umfrage Alkohol konsumiert hatten), sind die Zahlen sogar noch höher: Sie belaufen sich in diesem Fall auf 15,9 Liter, 17,2 Liter bzw. 18,9 Liter.
Dem NIAAA war diese Situation bekannt und es gewährte daher eine Forschungsbeihilfe in Höhe von fast 2 Mio. US-$ für das von der WHO unterstützte Forschungsprojekt, in dessen Rahmen Statistiken zu Alkohol und Gesundheit erhoben und deren Trends vor dem Hintergrund von in den letzten zehn Jahren gängigen Praktiken zur Steuerung des Alkoholkonsums in den baltischen Staaten verglichen werden sollen. Das Projekt wird dabei besonderes Augenmerk auf Litauen im Zeitraum zwischen 2016 bis 2018 legen. In diesem Zeitraum waren dort bedeutende Veränderungen beim Alkoholkonsum festzustellen und kostenwirksame Konzepte zur Eindämmung des Alkoholkonsums umgesetzt worden.
Wichtige Lehren aus den Erfahrungen Litauens
Die Erfahrungen Litauens stehen aus einem bestimmten Grund im Mittelpunkt der Forschung. Die ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung des Alkoholkonsums sind Teil eines sogenannten natürlichen Experiments, bei dem über einen kurzen Zeitraum eine Vielzahl von Maßnahmen umgesetzt wurden. Zwischen 2008 und 2009 führte Litauen einige der vielversprechendsten Handlungsoptionen der WHO (sog. „best buys“) ein – kostenwirksame Handlungskonzepte und Interventionen zur Reduzierung des Alkoholkonsums und der damit verbundenen Schäden. So erhöhte das Land etwa die Preise für alkoholische Getränke, verringerte ihre Verfügbarkeit (etwa durch die Begrenzung der zeitlichen Verfügbarkeit im Einzelhandel) und verhängte tagsüber Werbebeschränkungen für Alkoholprodukte.
Das zweite Maßnahmenpaket zur Steuerung des Alkoholkonsums wurde in Litauen 2014 eingeführt und in den darauffolgenden Jahren folgten ein Verbot des Verkaufs alkoholischer Getränke in Tankstellen, eine deutliche Erhöhung der Verbrauchssteuer und die Einführung anderer von der WHO empfohlener steuerlicher Regelungen.
„Die Forschung zur Alkoholpolitik entwickelt sich rasant. Wir wissen zwar, dass Konzepte wie die Erhöhung von Preisen und Steuern für und die Beschränkung der Vermarktung und der Verfügbarkeit von alkoholischen Produkten wirksame Instrumente zur Eindämmung des Alkoholkonsums sind, doch müssen wir unsere Kenntnisse darüber vertiefen, was auch in Nachbarländern zu Erfolgen führen könnte und welches Maß an Gesundheit und wirtschaftlichem Nutzen erreicht werden kann“, erklärt Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa.
„Die Ergebnisse dieses neuen Projekts werden politischen Entscheidungsträgern dabei helfen, zu verstehen, wie Konzepte zur Steuerung des Alkoholkonsums am besten um- und durchgesetzt werden können und welche Auswirkungen sie auf die Gesundheit der Menschen haben. Dieser praktische Ansatz ist von grundlegender Bedeutung für das neue Europäische Arbeitsprogramm ,Gemeinsam für mehr Gesundheit in Europa‘“, fügt Dr. Kluge hinzu.
Erste Ergebnisse
Erste Daten des Projekts zeigen, dass die in Litauen 2017 in Kraft getretene Steuererhöhung für alkoholische Getränke sich positiv auf die Mortalität aufgrund aller Ursachen ausgewirkt hat: die Umsetzung des Konzepts führte im Jahr nach der Einführung zu 150 weniger durch Alkoholkonsum bedingten Todesfällen.
Die nächsten Ergebnisse des Projekts sollen im Rahmen einer Reihe von Experten-Workshops und -Konferenzen sowie in fachlich begutachteten Publikationen und Medienartikeln präsentiert und erörtert werden. In diesem Zusammenhang werden die Forscher eine Vielzahl von Daten aus Litauen und anderen baltischen Staaten mit Bezug zum Alkoholkonsum und den dadurch bedingten gesundheitlichen Schäden analysieren, darunter etwa Verkehrsunfälle und das Maß an zwischenmenschlicher Gewalt.
Geleitet werden die Forschungsarbeiten von Experten des Zentrums für Suchterkrankungen und psychische Gesundheit in Kanada und des Instituts für Gesundheitsforschung der litauischen Universität für Gesundheitswissenschaften in Zusammenarbeit mit Forschern und Institutionen aus Lettland und Estland. Darüber hinaus tragen auch das WHO-Regionalbüro für Europa und seine Länderbüros in den baltischen Staaten zu dieser anspruchsvollen Arbeit bei.
Die aus dem Projekt zur „Evaluierung der Auswirkungen von Konzepten zur Steuerung des Alkoholkonsums auf die Morbidität und Mortalität in Litauen und anderen baltischen Staaten“ gewonnenen Erkenntnisse werden für alle Länder in der Europäischen Region von Bedeutung sein und möglicherweise globale Folgen haben. Diese Art von realen Daten bilden eine wertvolle Grundlage für theoretische Modelle und verantwortungsvolle Handlungskonzepte, die der Gesundheit und dem Wohlbefinden zukünftiger Generationen zugutekommen.