Verzicht auf Rauchen

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Den Rauchverzicht erleichtern. Foto: iStockphoto

Der Verzicht auf Rauchen hat zahlreiche Vorteile für den Einzelnen wie auch die Gesellschaft insgesamt.

Wer zu einem beliebigen Zeitpunkt in seinem Leben mit dem Rauchen aufhört, hat sowohl unmittelbare als auch langfristige gesundheitliche Vorteile. Innerhalb eines Tages nach Beenden des Rauchens nähern sich die Kohlenmonoxidwerte der betreffenden Personen an die von Nichtrauchern an. Frauen, die vor der Schwangerschaft mit dem Rauchen aufhören, bringen Kinder mit dem gleichen Geburtsgewicht zur Welt wie Mütter, die nie Raucherinnen waren. Darüber hinaus ist der Verzicht auf Rauchen auch mit eindeutigen wirtschaftlichen Vorteilen verbunden; so werden für einen 40-jährigen Raucher die Kosten des Rauchens für den Rest seines Lebens auf 20 000 bis 56 000 US-$ (für weniger als eine bzw. mehr als zwei Packungen Zigaretten pro Tag) geschätzt.
Die Kostenbelastung der Gesellschaft durch Rauchen wird durch einige anschauliche Beispiele aus dem Vereinigten Königreich verdeutlicht. Die Behandlung von durch Tabakkonsum bedingten Erkrankungen in England hat den National Health Service (NHS) im Zeitraum 2006–2007 geschätzte 2,7 Mrd. Pfund pro Jahr gekostet; dies entspricht mehr als 50 Mio. Pfund pro Woche. 2009 war Rauchen in England für 5% aller Krankenhauseinweisungen bei Erwachsenen über 35 Jahre (462 000) verantwortlich. Erkrankungen von Kindern infolge von Passivrauch führen im Vereinigten Königreich jährlich nach Schätzungen zu etwa 300 000 Besuchen bei Allgemeinärzten und ca. 9500 Krankenhauseinweisungen.

Während die Besteuerung von Tabakprodukten im Vereinigten Königreich jährlich ca. 10 Mrd. Pfund einbringt, werden die ökonomischen Gesamtkosten des Tabakkonsums für die Gesellschaft auf 13,74 Mrd. Pfund geschätzt. Diese Kosten fallen nicht nur für die Behandlung von durch Rauchen bedingten Erkrankungen an, sondern schließen auch den Produktionsausfall infolge von Raucherpausen und erhöhten Fehlzeiten, die Kosten für die Entfernung von Zigarettenstummeln und die Bekämpfung von durch Rauchen bedingten Hausbränden sowie den Verlust der wirtschaftlichen Schaffenskraft von Menschen, die an durch Tabakkonsum oder Passivrauchen bedingten Krankheiten vorzeitig sterben.

Raucher wollen aufhören

In jüngster Zeit haben Untersuchungen wie der Global Youth Tobacco Survey (GYTS) und der Global Adult Tobacco Survey (GATS) verdeutlicht, welche beträchtlichen Chancen es für Jugendliche wie auch Erwachsene in Bezug auf Raucherentwöhnung gibt. Zu den zentralen Ergebnissen der in über 30 Ländern der Europäischen Region der WHO durchgeführten GYTS-Studie zählt, dass etwa sieben von zehn Rauchern im Alter von 13 bis 15 Jahren ein Interesse am Aufhören bekundet haben.

Bei den Erwachsenen in den vier Ländern der Europäischen Region, die an der GATS-Studie teilnahmen, zeigten sich jeweils mehr als die Hälfte der Befragten interessiert, und zwar 50,1% in Polen, 53,0% in der Türkei, 60,3% in der Russischen Föderation und 67,9% in der Ukraine.

Verzicht auf Rauchen erfordert Engagement aller maßgeblichen Akteure

Der Verzicht auf Rauchen setzt Entschlossenheit bei den Betroffenen selbst wie auch bei den zuständigen nationalen Behörden voraus. Neben dem persönlichen Engagement wird auch ein entsprechendes Umfeld benötigt, das die Raucher bei ihrer Entwöhnung unterstützt. Nach Informationen aus dem Bericht der WHO zur globalen Tabakepidemie (2009) sind in 87% der Länder der Europäischen Region Nikotinersatztherapien (NET) zugelassen, während nur 40% der Länder gebührenfreie Nummern für Raucherentwöhnungsberatung anbieten.
Die vorliegenden Erkenntnisse zeigen, dass sich in jedem Umfeld die Erfolgsquote durch Behandlung mit Arzneimitteln (NET bzw. Bupropion) ungefähr verdoppelt. Dennoch werden die Kosten von NET in nur drei Ländern vollständig und in weiteren vier teilweise von der nationalen Krankenversicherung oder dem nationalen Gesundheitsdienst übernommen. Dies hat eine eindeutige Benachteiligung von einkommensschwachen Rauchern zur Folge.

Hindernisse

Ungleichheiten in Bezug auf Gefährdung und Belastung durch Tabakrauch treten vor allen in zwei Lebensphasen zutage:

  • in der Jugend, weil Jugendliche mit niedrigerem sozioökonomischen Status das höchste Risiko tragen, zu Rauchern zu werden; und
  • im jungen Erwachsenenalter, in dem erfolgreiche Versuche der Raucherentwöhnung ein steiles sozioökonomisches Gefälle aufweisen, bei dem es Angehörige benachteiligter Schichten erheblich schwerer haben.

So waren im Vereinigten Königreich 60% der Raucher aus der vermögendsten, aber nur 15% derer aus der einkommensschwächsten Bevölkerungsschicht bei der Raucherentwöhnung erfolgreich. Dieses Muster wiederholt sich in allen Teilen der Europäischen Region der WHO: Menschen aus niedrigeren sozialen Schichten tragen ein signifikant höheres Risiko, an den Folgen des Rauchens zu sterben, als Angehörige der obersten sozialen Schichten; in Polen etwa ist ihr Risiko mehr als viermal so hoch.

Ein wesentlicher Faktor, der bei sozial benachteiligten Gruppen eine erfolgreiche Entwöhnung weniger wahrscheinlich macht, ist ein höherer Grad der Nikotinabhängigkeit. Denn Angehörige dieser Schichten beginnen oftmals früher mit dem Rauchen und haben seltener Zugang zu Raucherentwöhnungsangeboten. Leider hat die vor kurzem veröffentlichte ACCESS-Studie (Access strategies for teen smoking cessation in Europe) über Raucherentwöhnungsprogramme für Jugendliche in zehn Partnerländern in der EU gezeigt, dass die Entwicklung von Strategien für die Raucherentwöhnung für diese Altersgruppe vernachlässigt wird.

Weiterhin stellte sich in der weltweiten Umfrage unter Studenten der Gesundheitsberufe (Global Health Professions Student Survey – GHPSS), die auch in über 25 Ländern der Europäischen Region durchgeführt wurde, heraus, dass die überwiegende Mehrzahl der Befragten in den Fächern Medizin, Zahnmedizin, Pflegewesen und Pharmazie im dritten Studienjahr noch keine formale Ausbildung für die Beratung oder Behandlung von Patienten zum Zwecke der Raucherentwöhnung erhalten hatte. Diese große Lücke in den Lehrplänen trägt auch zu den Befunden der neuen GATS-Studie bei, nämlich dass viele Gesundheitsfachkräfte Raucher nicht nach ihrer Gewohnheit fragen bzw. ihnen nicht zum Verzicht auf Rauchen raten. Nach den Ergebnissen der GATS-Studie wurde die Hälfte der erwachsenen Raucher in der Ukraine, die im vergangenen Jahr einen Arzt aufsuchten, nicht einmal gefragt, ob sie Raucher seien. Noch besorgniserregender ist die Tatsache, dass in der Russischen Föderation nur 31,8% der Raucher (Männer: 34,2%; Frauen: 27,5%), denen diese Frage gestellt wurde, geraten wurde, das Rauchen aufzugeben.
Ein weiteres Hindernis besteht darin, dass die einzigen gesundheitssystemweiten Handlungskonzepte, die auch Raucherentwöhnung beinhalten, die Programme zur Verbesserung der Gesundheit von Müttern sind. Überdies wird in den gegen das Rauchen gerichteten Botschaften solcher Programme oft auf die Gesundheit des Ungeborenen – und nicht die der Mutter – hingewiesen. Ein solcher Ansatz ermutigt nicht zu einem dauerhaften Rauchverzicht, sondern begünstigt eher einen Rückfall nach der Entbindung. Auch setzen sich Raucherentwöhnungsangebote und Selbsthilfeinformationen oft nicht mit den Ursachen für das Rauchen bzw. den Bedenken der Frauen gegen Rauchverzicht (wie Angst vor Gewichtszunahme) auseinander.

Gezieltes Handeln zur Chancenmaximierung

In dem Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (FCTC) wird die Bedeutung von Entwöhnungsmaßnahmen für Raucher hervorgehoben. Diese können dazu beitragen, gesundheitliche Benachteiligungen abzubauen, sofern sie konkret auf Raucher aus benachteiligten Gruppen ausgerichtet werden und ein Höchstmaß an Verfügbarkeit, Zielgenauigkeit und Wirksamkeit aufweisen.

Das WHO-Regionalbüro für Europa bemüht sich zusammen mit den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) um einen Ausbau der Kapazitäten der Länder für die Ausgestaltung, Umsetzung und Evaluation umfassender nationaler Aktionspläne zur Förderung von Rauchverzicht sowie für die Überwachung der Umsetzung der zentralen Artikel des Rahmenübereinkommens (z. B. Artikel 14 über Aufgabe des Tabakkonsums) durch das Global Tobacco Surveillance System (GTSS). Das GTSS schließt die bereits genannten Studien GYTS, GHPSS und GATS sowie den Global School Personnel Survey (Schulpersonal) ein.

Darüber hinaus fördert das Regionalbüro den Wissensaustausch in der gesamten Europäischen Region und die Verbreitung bewährter Praktiken und Modelle für die Raucherentwöhnung durch Feldstudien in den Ländern sowie durch Publikationen. In einer vor kurzem veröffentlichten Publikation mit dem Titel „Ermächtigung von Frauen“ erhalten die Länder praktische Anleitung für die Ausarbeitung von geschlechtssensiblen Konzepten und Programmen und werden Raucherentwöhnungsmaßnahmen aus der Europäischen Region geschildert. In einigen von ihnen werden zwei wichtige Aspekte miteinander verknüpft: Geschlechtssensibilität und einkommensschwache Raucherinnen.