Neue Bewertung zeigt hohes Risiko einer Einführung und Ausbreitung des COVID-19 verursachenden Virus durch Pelztierhaltung

FAO/OIE/WHO

Eine gemeinsam von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) und der WHO durchgeführte globale Risikobewertung zeigt, dass das allgemeine Risiko einer Einführung und Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus, also des COVID-19 verursachenden Virus, von der Pelztierhaltung auf Menschen sowie anfällige Wildtierpopulationen in der Europäischen Region der WHO als hoch angesehen wird.

Grund für die Risikobewertung der globalen Dreierkoalition war die hohe Zahl an Pelztierfarmen, die große Vielfalt an anfälligen Tierarten in der Pelztierhaltung und die hohe Gesamtzahl an COVID-19-Fällen in der menschlichen Bevölkerung in der Europäischen Region.

Europäische Region der WHO – größter Produzent von Pelzen

Es ist gut dokumentiert, dass das SARS-CoV-2-Virus zwischen Menschen und Tieren übertragen werden kann. Im April 2020 waren die Niederlande das erste Land, das Fälle von SARS-CoV-2 bei gezüchteten Nerzen meldete. Seitdem haben neun weitere Länder – von denen sieben in der Europäischen Region liegen – ähnliches gemeldet. Die Europäische Region verzeichnet die größte Anzahl an pelzproduzierenden Ländern aller Regionen der WHO.

Im November 2020 meldete Dänemark die Entdeckung einer bei Nerzen auftretenden SARS-CoV-2-Variante mit einer nie zuvor beobachteten Kombination aus Mutationen (die als Cluster 5 bezeichnet wird). Vorläufige Erkenntnisse deuteten auf eine schwächere Fähigkeit der Antikörper zur Neutralisierung des Virusstamms hin, und Isolate des neuen Virenstamms wurden mit ausgewählten Referenzlaboren der WHO geteilt.

Infolge dieser Erkenntnisse führte die WHO in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) eine Reihe von Besprechungen mit Ländern, in denen Nerze gezüchtet werden, sowie eine Umfrage zu SARS-CoV-2 auf Nerzfarmen in der Europäischen Region durch.

Diese Anstrengungen zielten darauf ab, sich einen Überblick über die Pelztierhaltung in Europa zu verschaffen, Informationen über die von den Ländern zur Prävention und Eindämmung der Virusübertragung zwischen Menschen und Tieren ergriffenen Maßnahmen zu sammeln und Informationen für die Ausarbeitung einer Risikobewertung zu SARS-CoV-2 bei gezüchteten Pelztieren im Rahmen des einheitlichen Gesundheitsansatzes bereitzustellen.

Große Diskrepanzen bei ergriffenen Maßnahmen in der gesamten Region

Insgesamt beteiligten sich 31 der 53 Mitgliedstaaten in der Region an der Umfrage. Von diesen meldeten 15 Länder, dass sie über eine Pelzindustrie verfügen. Dominiert wird die Pelzindustrie von Nerzen, während Chinchillas, Zobel, Füchse, Hasen und Marderhunde einen geringeren Anteil der für die Pelztierzucht gehaltenen Tiere ausmachen.

Die gesammelten Informationen verdeutlichten, dass es bei den ergriffenen Maßnahmen und angewandten Verfahren erhebliche Diskrepanzen zwischen den Ländern gibt. Vierzehn der fünfzehn Länder mit einer Pelzindustrie haben Systeme zur Überwachung von SARS-CoV-2-Fällen auf Pelztierfarmen eingeführt. Neun Länder haben Surveillance-Systeme eingeführt, um das Virus bei Menschen zu entdecken, die auf diesen Farmen arbeiten, und in acht Ländern wurden Fälle von SARS-CoV-2 bei auf Nerzfarmen tätigen Arbeitern entdeckt.

Neun Länder meldeten zudem, dass sie die DNA-Sequenzen von SARS-CoV-2-Viren bei Tieren auf Variationen untersuchen, während acht Länder entsprechende Analysen bei in Menschen entdeckten Isolaten des SARS-CoV-2-Virus durchführen. Infolge derartiger Analysen wurden länderübergreifend verschiedene Kombinationen von Mutationen in bei Nerzen auftretenden Varianten identifiziert.

Die Informationen zeigten ferner, dass sowohl vorgeschriebene als auch empfohlene Biosicherheitsmaßnahmen zur Verhinderung einer Übertragung von SARS-CoV-2 zwischen Menschen und Tieren in den Ländern der Region sehr unterschiedlich ausfallen. Zu diesen Maßnahmen zählen etwa Voraussetzungen für die Nutzung von persönlicher Schutzausrüstung, den Zugang zu den Farmen und die Bewegung von Tieren und Arbeitern zwischen Farmen.

Strenge Verfahren erforderlich

Um die weitere Ausbreitung des Virus zwischen Menschen und Pelzzuchttieren zu verhindern und einzudämmen, enthält die Risikobewertung im Rahmen des einheitlichen Gesundheitsansatzes auch eine Reihe von Empfehlungen, insbesondere:

  • die Durchsetzung strenger Sanitär- und Biosicherheitsmaßnahmen zum Schutz vor SARS-CoV-2;
  • die Bereitstellung und Gewährleistung der Nutzung angemessener persönlicher Schutzausrüstung für Farmarbeiter und Besucher;
  • die Erwägung risikobasierter Tests bei Tieren auf SARS-CoV-2 im Rahmen der breiter gefassten Reaktion auf COVID-19;
  • die Stichprobennahme unter und Durchführung von Tests mit anfälligen Wildtierarten und anderen frei lebenden Tieren in der Nähe von Pelztierfarmen, auf denen SARS-CoV-2-Infektionen aufgetreten sind;
  • die Hinderung von Farmarbeitern, die Symptome von COVID-19 aufweisen, vom Betreten des Farmgeländes;
  • die Durchführung einer Gesamtgenomsequenzierung mit Viren aus bei Menschen und Tieren aufgetretenen COVID-19-Fällen und der Austausch von Virus-Isolaten; und
  • die Verstärkung der Surveillance zu COVID-19 an der Schnittstelle zwischen Tieren und Menschen dort, wo anfällige tierische Reservoire identifiziert werden (u. a. auf Pelztierfarmen).

Der einheitliche Gesundheitsansatz

Der einheitliche Gesundheitsansatz ist ein Ansatz zur Gestaltung und Umsetzung von Programmen, Handlungskonzepten, Gesetzen und Forschungsvorhaben, bei denen zahlreiche Ressorts miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten, um bessere Resultate im öffentlichen Gesundheitswesen zu erzielen. Der einheitliche Gesundheitsansatz ist für die Bewältigung gesundheitlicher Bedrohungen an der Schnittstelle zwischen Tieren, Menschen und Umwelt von entscheidender Bedeutung und hat besondere Relevanz für:

  • die Lebensmittelsicherheit
  • die Bekämpfung von Zoonosen
  • Labordienste
  • vernachlässigte Tropenkrankheiten
  • den umweltbezogenen Gesundheitsschutz
  • antimikrobielle Resistenz.