Die Diabetes-Epidemie in der Europäischen Region

iStockphoto

In der Europäischen Region der WHO leiden rund 60 Mio. Menschen an Diabetes; dies entspricht ca. 10,3% der männlichen und 9,6% der weiblichen Bevölkerung ab 25 Jahren. Die Prävalenz nimmt in allen Altersgruppen in der Region zu; dieser Anstieg ist überwiegend auf die Ausbreitung lebensstilbedingter Risikofaktoren zurückzuführen.

Immer mehr Menschen laufen aufgrund ihrer Lebensgewohnheiten Gefahr, an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Untersuchungen deuten darauf hin, dass potenziell veränderbare Risikofaktoren – Übergewicht und Adipositas, ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel, aber auch sozioökonomische Benachteiligungen – für 80% der Zunahme der Fallzahlen verantwortlich sind. Die übrigen 20% sind auf nicht veränderbare Risikofaktoren zurückzuführen, etwa die Bevölkerungsalterung und die erhöhte Lebenserwartung.

„Die einzige sichere Möglichkeit, die Diabetes-Epidemie wirksam zu bekämpfen, ist es, die Menschen vor einer Erkrankung an Diabetes zu schützen“, erklärt Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa.

Der Weltdiabetestag 2011 am 14. November 2011 steht im Zeichen von Aufklärung und Prävention.

Diabetes wird als ein Kontinuum angesehen, das von gesunden Menschen über Menschen mit Übergewicht und einem beeinträchtigten Glukosestoffwechsel bis hin zu Diabetikern mit oder ohne Diagnose reicht, die u. U. an Komplikationen leiden. Allgemein bedeutet die Prävention von Typ-2-Diabetes, dass Menschen in die gesunde Gruppe rücken (also von rechts nach links, wie von den blauen Pfeilen in dem Diagramm angezeigt). Ein besonderer Schwerpunkt muss darauf gelegt werden, die Gefahr der Ausbreitung von Typ-2-Diabetes auf nicht erkrankte Personen zu verringern und Maßnahmen der Gesundheitsversorgung für Personen mit Diabetes bereitzustellen, die auf eine Verbesserung der Blutzuckerkontrolle und auf eine Verringerung der Komplikationen abzielen.

Diabetes continuum

Diabetes continuum
 Es gibt Anzeichen dafür, dass Präventionsmaßnahmen Wirkung zeigen können. Sie ergeben sich überwiegend aus Untersuchungen mit Hochrisikogruppen, namentlich übergewichtigen Personen mit einer gewissen Störung des Blutzuckerstoffswechsels, die aber noch nicht an Diabetes erkrankt sind. So kam eine in Finnland  durchgeführte Studie zu dem Ergebnis, dass Personen mit einem hohen Erkrankungsrisiko in Bezug auf Diabetes, die eine verhaltensbezogene Intervention zur Verbesserung von Ernährungs- und Bewegungsverhalten durchliefen, ihr Erkrankungsrisiko im Vergleich mit einer Kontrollgruppe über einen Zeitraum von sechs Jahren um 58% senken konnten.

Da die veränderbaren Risikofaktoren für Diabetes (s. Abb.) eng mit denen für andere nichtübertragbare Krankheiten verknüpft sind, müssen Präventionsmaßnahmen gegen Diabetes in bevölkerungsbezogene Konzepte zur Vorbeugung gegen die Gesamtheit dieser Krankheiten integriert werden.

Risk factors for diabetes

 

Risk factors for diabetes 

Die Europäische Region verfügt bereits über beträchtliche Erfahrung mit der Thematisierung dieser Risikofaktoren: durch Aufklärungsarbeit und andere Konzepte zur Herbeiführung von Verhaltensänderungen; durch Regulierung der Vermarktung ungesunder Güter; durch Förderung gesünderer Ernährung durch Reformulierung von Lebensmittelprodukten und Gestaltung städtischer Umgebungen zur Förderung aktiver Fortbewegung (z. B. Radfahren und Zufußgehen).

Im September 2011 nahmen die Länder der Europäischen Region den Aktionsplan zur Umsetzung der Europäischen Strategie zur Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten (2012–2016) an, der eine Reihe konkreter evidenzbasierter Interventionen enthält und im Einklang mit den bestehenden Verpflichtungen der Mitgliedstaaten steht. Zu diesen Interventionen gehören u. a.:

  • Förderung eines gesunden Konsumverhaltens durch Steuer- und Marktpolitik;
  • Bewertung und Steuerung des kardiometabolischen Risikos;
  • Förderung aktiver Mobilität;
  • Förderung von Gesundheit an Schulen und am Arbeitsplatz.

Im Aktionsplan werden die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, umfassende Präventionsstrategien einzuführen, die ein Gleichgewicht zwischen Maßnahmen zur Zurückdrängung der Risikofaktoren für die Gesamtbevölkerung und Maßnahmen zugunsten stark gefährdeter Personen gewährleisten.

Kosten von Untätigkeit

Neben den menschlichen Kosten der Diabetes sind auch die erheblichen Kosten für die Behandlung der Krankheit und ihrer Folgeerkrankungen zu berücksichtigen. Aber auch die gesamtwirtschaftlichen Folgen sind beträchtlich.

Diabetes stellt eine enorme Belastung für die Betroffenen und ihre Familien dar. Dies gilt in besonderem Maße für einkommensschwächere Länder, in denen die Menschen einen Großteil der Kosten für die Gesundheitsversorgung aus eigener Tasche zahlen müssen. Die Krankheit führt auch zu Verlusten an Produktivität und Wirtschaftswachstum und bringt erhöhte Kosten aufgrund von Invalidität und vorzeitigem Tod mit sich.

Die Internationale Diabetes-Föderation beziffert die Ausgaben des Gesundheitswesens in der Europäischen Region für Diabetes auf 105,5 Mrd. US-$ (Stand: 2010); dies entspricht etwa 10% der Gesamtausgaben für Gesundheit. Bis 2030 wird mit einem Anstieg dieser Ausgaben auf 124,6 Mrd. US-$ gerechnet.

Ein paar kurze Fakten zu Diabetes

Diabetes ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, die durch einen zu hohen Blutzuckerspiegel gekennzeichnet ist. Die meisten Betroffenen (ca. 90% aller Fälle) leiden an Typ-2-Diabetes, einer Erkrankung, die durch die mangelnde Verwertung von Insulin im Körper bedingt ist. Sie lässt sich durch gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung weitgehend vermeiden.

Diabetes vom Typ 1 entwickelt sich, wenn die Bauchspeicheldrüse nicht mehr das Hormon Insulin produziert. Bei dieser Erkrankung, die oft schon in jungen Jahren beginnt, wird eine tägliche Dosis Insulin verabreicht.

Eine Gestationsdiabetes tritt in Verbindung mit einer Schwangerschaft auf. Hier ist eine sorgfältige Beobachtung erforderlich, um die Sicherheit von Mutter und Kind zu gewährleisten. 


(1) Tuomilehto J et al. Prevention of type 2 diabetes mellitus by changes in lifestyle among subjects with impaired glucose tolerance. New England Journal of Medicine, 2001, 344(18):1343–1350.