Bereitstellung von Angeboten zur Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten in Zeiten von COVID-19 – Erfahrungen aus den Ländern
Eine neue Erhebung der WHO untersucht, inwieweit die Bereitstellung von Angeboten zur Prävention und Behandlung nichtübertragbarer Krankheiten wie etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebserkrankungen und chronischen Atemwegserkrankungen während der COVID-19-Pandemie beeinträchtigt wird. Anlässlich der Veröffentlichung der vorläufigen Ergebnisse der Erhebung werden in einer neuen Reihe von Artikeln Erfahrungen aus der Europäischen Region der WHO von Gesundheitsfachkräften und Patienten bei der Bewältigung dieser Gesundheitsprobleme geschildert.
Schutz vor einer Beeinträchtigung der Leistungen
Innerhalb der Region beteiligten sich 38 der 53 Mitgliedstaaten an der Erhebung. Drei Viertel (74%) der teilnehmenden Länder gaben an, dass die Kontinuität von Angeboten zur Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten Teil ihrer Reaktionspläne im Kampf gegen COVID-19 sei. Doch die Erhebung ergab auch, dass die Länder in unterschiedlichem Maße in der Lage gewesen sind, diese Leistungen zu schützen.
Die Erhebung zeigte, dass in 81% der teilnehmenden Länder Rehabilitationsangebote vollständig oder teilweise beeinträchtigt wurden und dass in 47% der teilnehmenden Länder die Palliativversorgung vollständig oder teilweise beeinträchtigt ist. Ferner gaben zwar zwei Drittel (63%) der Länder an, dass Angebote für kardiovaskuläre Notfälle nicht beeinträchtigt wurden, jedoch war dies im Hinblick auf Leistungen zur Kontrolle von Bluthochdruck nur bei einem Viertel (24%) der Fall.
Erfahrungen aus Italien zeigen, welche Maßnahmen in den Ländern ergriffen wurden, um die Kontinuität der Angebote zu gewährleisten. In einem Krankenhaus in der Region Latium wurden sowohl Patienten mit COVID-19 als auch Patienten ohne COVID-19-Infektion behandelt, indem man die Notaufnahme in zwei separate Bereiche unterteilte. Es wurde zusätzliches Gesundheitspersonal eingestellt und Rezepte wurden kontaktfrei ausgestellt, um den Zulauf im Krankenhaus und das Risiko einer Übertragung zu verringern.
In Einklang mit Strategien zur Aufrechterhaltung der Kapazitäten bei der klinischen Versorgung von COVID-19-Patienten und als Teil der Bereitschafts- und Gegenmaßnahmen scheinen Länder, die mit einer COVID-19-Übertragung von Mensch zu Mensch kämpfen, sich darum bemüht zu haben, die entbehrliche Versorgung in medizinischen Einrichtungen bzw. jene Angebote, die neu priorisiert werden konnten, zu begrenzen. So wurden etwa elektive Leistungen in zwei Drittel (63%) der Länder storniert und Programme zur Vorsorgeuntersuchung wurden in 61% der Fälle vorübergehend eingestellt.
Dies wirft jedoch umfassendere Fragen auf. Der vielfältige Einsatz von Personal zu neuen Zwecken kann bedeuten, dass einige ambulante Leistungen nicht angeboten werden können. Drei Fünftel (61%) der teilnehmenden Länder meldeten zudem einen Rückgang des ambulanten Patientenaufkommens, da Patienten nicht zu ihren Terminen erscheinen. Dies könnte verschiedene Gründe haben, etwa Schwierigkeiten bei der Anreise über Stadt- oder Gebietsgrenzen für den Zugang zur Versorgung oder die Angst vor einer Infektion.
Erfahrungen aus Kirgisistan illustrieren dieses Problem vor Ort. Eine 67-jährige Frau aus Talas zeigte Symptome, die auf Brustkrebs hindeuten könnten, daher überwies ihr Familienarzt sie ans Nationale Onkologiezentrum in Bischkek. Aufgrund der strengen Ausgangsbeschränkungen und der Tatsache, dass Hotels geschlossen waren, musste sie ihren Termin auf die Zeit nach der Lockerung der Maßnahmen verschieben.
Gewährleistung der Kontinuität der Versorgung durch digitale Technologien
In Reaktion auf die Beschränkungen ergreifen die Länder eine Reihe von Abhilfemaßnahmen, indem sie Plattformen zur Erbringung von Angeboten an die speziellen Umstände anpassen. Hierzu zählen etwa die Nutzung von Telemedizin und digitaler Technologien. Ein Viertel der Länder gab ferner an, neuartige Lieferketten für Medikamente zur Behandlung nichtübertragbarer Krankheiten bzw. neuartige Ansätze zu deren Ausgabe zu nutzen.
Ein Bericht aus Portugal zeigt, inwiefern die telefonische Beratung bei geplanten Terminen von Diabetes-Patienten zur Gewährleistung einer kontinuierlichen Kommunikation und Versorgung beitragen konnte. „Ich war sehr überrascht zu sehen, wie gut das von Anfang an funktionierte“, berichtet ein Arzt. „Wir waren in der Lage, über das Telefon effektive Konsultationen durchzuführen und die Interventionen der Pflegekräfte und Ernährungsberater zu planen. Ich hoffe, dass wir diese Art der Behandlung auch in Zukunft teilweise weiterführen können.“
Angesichts der guten Annahme dieses neuen Ansatzes durch Patienten und Gesundheitspersonal hoffen die Leistungsanbieter in Portugal, dass die neuen Kanäle zur Kommunikation mit Patienten und Öffentlichkeit auch langfristig aufrechterhalten werden können, während die Behandlung von Patienten mit Diabetes weiter angepasst wird.
Neue Ansätze für eine neue Realität
Im Rahmen der Erhebung gaben die Länder Bereiche an, in denen sie eine weitere Unterstützung der WHO begrüßen würden. In einer Reihe dieser Bereiche wird bereits Unterstützung geleistet. Neben ihrer Arbeit im Bereich Bereitschaftsplanung und Gegenmaßnahmen bei Notlagen und ihrer Unterstützung zur Stärkung der Kapazitäten bei der Infektionsprävention und -bekämpfung hat die WHO eine Reihe fachlicher Leitlinien zur Aufrechterhaltung unentbehrlicher Gesundheitsleistungen entwickelt.
Darüber hinaus hat die Organisation eine Reihe von Webinaren organisiert zu klinischem Management und Maßnahmen zur Infektionsprävention und -bekämpfung in Zusammenhang mit COVID-19 sowie zur gegenseitigen fachlichen Unterstützung bei der Bereitstellung von Angeboten für Patienten ohne COVID-19-Infektion, die an einer nichtübertragbaren Krankheit leiden.
Am 28. Mai 2020 hielt die WHO ein weiteres Webinar in einer Reihe von Veranstaltungen ab, die zur Erleichterung des Erfahrungsaustauschs zwischen den Ländern beitragen sollen. Hieran nahmen etwa 50 Bedienstete aus Gesundheitsministerien, nationalen Behörden und Kliniken aus Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan teil, um von den Erfahrungen von Experten aus Italien und der Russischen Föderation im Hinblick auf die Bereitstellung von Angeboten zur akuten Versorgung und Rehabilitation bei Herzinfarkten und Schlaganfällen zu lernen.
Ähnliche Veranstaltungen sind regionsweit zu einer Reihe von Themen geplant, darunter etwa die Versorgung von Diabetes- und Krebspatienten. Dadurch sollen die Länder und Gesundheitssysteme bei der Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen in Verbindung mit COVID-19 unterstützt werden.