Unsere Entscheidungen sind individuell, aber können beeinflusst werden – Prominente haben die Möglichkeit, gesunde Verhaltensweisen zu fördern

WHO/Malin Bring

Wenn Influencer oder Personen des öffentlichen Lebens ungesunde Produkte wie Lebensmittel und Getränke mit hohem Salz-, Fett- oder Zuckergehalt konsumieren oder für sie werben, hat dies oft unmittelbare Auswirkungen auf ihre Follower bzw. Anhänger. Es kann deren Konsumverhalten sowie ihre Einstellungen und Präferenzen beeinflussen. Schon eine einfache Handlung einer prominenten Person kann erhebliche Auswirkungen haben und darf nicht unterbewertet werden.

Große Marken geben Milliarden für Werbung aus. Die Ausgaben für die digitale Vermarktung ungesunder Produkte steigen weiter, und ein Großteil dieser Ausgaben zielt darauf ab, Influencer in den sozialen Medien zu gewinnen, die Produktplatzierung und -werbung betreiben. Dieser Bereich ist rechtlich noch weitgehend eine Grauzone, und die Wirtschaft nutzt dies, um überall für ungesunde Produkte zu werben, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen.

Doch Beispiele aus jüngster Zeit, bei denen Sportstars auf Pressekonferenzen zuckergesüßte Getränke wegstellten, sind in den Medien und im Internet auf Zustimmung gestoßen und haben den Betreffenden Lob für ihr aktives Eintreten für gesündere Optionen eingebracht. Dies hat gezeigt, wie Einzelpersonen und Influencer – insbesondere solche, zu denen junge Menschen aufschauen – eine positive Wirkung erzielen und den Werbebotschaften der großen Marken entgegenwirken können.

Die gesunde Wahl ist nicht immer leicht

„So klein diese Aktionen auch sein mögen, so verdeutlicht doch die Aufmerksamkeit der Medien das Potenzial von Influencern, entweder gesunde oder ungesunde Verhaltensweisen zu fördern“, sagte Dr. Carina Ferreira-Borges, kommissarische Leiterin des Europäischen Büros der WHO für die Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten.

Gesüßte Softdrinks spielen eine wesentliche Rolle beim übermäßigen Zuckerkonsum, der zur Entstehung nichtübertragbarer Krankheiten beiträgt, die in der Europäischen Region der WHO wie auch weltweit die führende Todesursache sind.

Es wächst die Besorgnis, dass freie Zucker (oder Zuckerzusatz) – vor allem in Form zuckergesüßter Getränke – eine Erhöhung der Zuckerzufuhr insgesamt und möglicherweise eine Abnahme des Verzehrs von Lebensmitteln mit ernährungsphysiologisch angemessenen Kalorien und damit eine ungesunde Ernährung, Gewichtszunahme und ein erhöhtes Risiko für Adipositas und nichtübertragbare Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen zur Folge haben.

Die WHO empfiehlt sowohl Erwachsenen als auch Kindern eine Reduzierung der Aufnahme freier Zucker auf unter 10% der Gesamtenergiezufuhr.

Kinder und Jugendliche sind besonders gefährdet

Adipositas im Kindesalter ist in vielen Ländern der Europäischen Region der WHO eine anhaltende Herausforderung. Es gibt überwältigende Belege dafür, dass die Vermarktung von Lebensmitteln und Getränken mit hohem Anteil an gesättigten Fetten, Transfettsäuren, freien Zuckern oder Salz das Wissen, die Einstellungen und die Präferenzen von Kindern beeinflusst.

WHO/Europa ist entschlossen, die Methoden zur Überwachung und Beschränkung der digitalen Vermarktung ungesunder Produkte an Kinder zu verbessern, auch durch Einbindung von Influencern. Hierzu muss unbedingt untersucht werden, wie geeignet die bisherigen Konzepte zum Schutz der Kinder in der Europäischen Region vor Beeinflussung durch Werbung sind.

Übergewicht und Adipositas bei Kindern und die daraus resultierenden nichtübertragbaren Krankheiten lassen sich verhindern, wenn die gesunde Wahl für alle Menschen von ihrer Kindheit an erleichtert wird.

„Wir müssen dafür sorgen, dass es für Eltern und Betreuungspersonen von Kindern leichter wird, sich über gesunde Optionen zu informieren, und dass diese leicht verfügbar und bezahlbar sind. Und wir brauchen mehr Beschränkungen für die Vermarktung ungesunder Produkte und deren Entkopplung von Sportereignissen und Umfeldern, in denen Kinder und Jugendliche oft solcher Werbung ausgesetzt sind.

Dabei spielt Entscheidungsfreiheit eine zentrale Rolle – die wir alle unterstützen würden, wenn die Entscheidungen der Menschen nicht durch bewusste und unbewusste Faktoren geprägt würden, die ihr Verhalten beeinflussen, wenn sie bestimmten Werbepraktiken wie der Werbung durch Influencer ausgesetzt sind. Hier können mutige Influencer enorm viel bewirken, wenn sie sich zu Wort melden – als Influencer, die in Bezug auf ungesunde Produkte demselben Vermarktungsdruck ausgesetzt sind wie wir alle“, so das Fazit von Dr. Ferreira Borges.

Eine einfache Handlung vor laufenden Kameras könnte jetzt zu einem Schlüsselereignis werden, bei dem Influencer nicht nur eingesetzt werden, um für ein Produkt zu werben, sondern um vor seinen Risiken zu warnen. Selbstbewusste und gewissenhafte Menschen können bei der Gesundheitsförderung eine wesentliche Rolle spielen.