Neue Leitlinien der Europäischen Region für Sexualerziehung: Experten befürworten Sexualerziehung von Geburt an

Madrid, 20. Oktober 2010

Die erstmals veröffentlichten detaillierten Leitlinien sollen gesundheitspolitische Entscheidungsträger in der Europäischen Region in die Lage versetzen, geeignete Lehrpläne für die Sexualerziehung auszuarbeiten.

Das WHO-Regionalbüro für Europa hat die Leitlinien heute anlässlich einer Tagung der Europäischen Region der WHO über Herausforderungen bei der Verbesserung der sexuellen Gesundheit veröffentlicht, die auf Einladung des spanischen Ministeriums für Gesundheit und Sozialpolitik in Madrid stattfindet. Die Leitlinien wurden von einer Gruppe von 20 Experten aus neun Ländern der Region unter der Federführung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA) in Köln und des WHO-Regionalbüros für Europa entwickelt. Sie beinhalten jeweils aufeinander folgende Anweisungen und eine detaillierte Matrix als Unterstützung für Fachkräfte aus dem Gesundheits- und Bildungswesen bei ihren Bemühungen, den Kindern zutreffende und sensibel aufbereitete Informationen über Sexualität zu vermitteln.

Dr. Gunta Lazdane, die als Regionalbeauftragte für sexuelle und reproduktive Gesundheit beim Regionalbüro die Ausarbeitung des Dokuments koordinierte, kommentiert: „Das hervorstechende Merkmal der neuen Leitlinien ist neben der Thematik selbst die zentrale Aussage, dass Sexualerziehung schon mit der Geburt eines Kindes beginnen muss. Aus den Leitlinien geht auch hervor, welche spezifischen Fähigkeiten sich Kinder und Jugendliche aneignen sollten und welche Einstellungen in bestimmten Altersgruppen gefördert werden sollten.“

Bisher werde in den Lehrplänen für die Sexualerziehung der Schwerpunkt meist eindeutig auf biologische Aspekte gelegt. „Das reicht aber nicht aus. Wir brauchen einen wirklich neuen Ansatz in der Sexualerziehung. Genau das ist das Ziel der neuen Leitlinien. Denn darin werden Fakten in den breiteren Kontext von Wertvorstellungen, Wissen und Lebensfertigkeiten gestellt, so dass die gesundheitsbezogenen Aspekte im breitesten Sinne verstanden werden können“, fügt Dr. Lazdane hinzu.

Die neuen Leitlinien sind auf einer positiven Einstellung gegenüber der Sexualität als einem Bestandteil der körperlichen und seelischen Gesundheit begründet. Dabei werden Themen wie HIV/Aids, unerwünschte Schwangerschaften und sexuelle Gewalt in ein allumfassendes Aufklärungskonzept eingebunden, das auf individueller Selbstbestimmung und Eigenverantwortung sowie der Verantwortung gegenüber anderen beruht.

Eine einseitige Ausrichtung und die dürftige Qualität der Sexualerziehung werden häufig für die wachsenden Probleme im Bereich der sexuellen Gesundheit wie steigende Schwangerschaftsraten unter Minderjährigen und die Zunahme sexuell übertragbarer Infektionen und sexueller Gewalt verantwortlich gemacht. Ein wesentliches Ziel der Leitlinien besteht darin, zur Förderung der sexuellen Gesundheit allgemein beizutragen.

Die Leitlinien sind auch als eine Reaktion auf die Vielzahl von Herausforderungen zu verstehen, die sich aus den ausgeprägten Unterschieden zwischen den Ländern der Region hinsichtlich der Qualität der Sexualerziehung in den Schulen ergeben. Gegenwärtig verfügen ein Drittel der Länder der Europäischen Region der WHO nicht über Lehrpläne für Sexualerziehung in der Schule. In manchen Ländern beginnt die Sexualerziehung erst in der Altersgruppe von 14 bis 18 Jahren.

Die Autoren weisen nachdrücklich darauf hin, dass die Leitlinien lediglich Wunschziele enthalten, was nur der Beginn des Prozesses ist. „Der nächste Schritt besteht dann darin, die Methodik zu entwickeln“, erklärt Dr. Lazdane.

Weitere Auskunft erteilen:

Dr. Gunta Lazdane
Regionalbeauftragte, Sexuelle und reproduktive Gesundheit
WHO-Regionalbüro für Europa
Scherfigsvej 8
2100 Kopenhagen Ø
Tel.: +45 39 17 14 26
E-Mail: gla@euro.who.int

Liuba Negru
Kommunikationsreferentin
WHO-Regionalbüro für Europa
Scherfigsvej 8
2100 Kopenhagen Ø
Tel.: +45 39 17 13 44; Mobil: +45 20 45 92 74
E-Mail: LNE@euro.who.int