Neue Forschungserkenntnisse verleihen dem WHO-Plan zur Eindämmung der HIV-Ausbreitung neue Impulse

Die 53 Länder wollen sich verpflichten, schneller auf die HIV-Ausbreitung zu reagieren, da sich die Raten in Osteuropa und Zentralasien in zehn Jahren verdreifacht haben

Baku, 14. September 2011

Auf der 61. Tagung des WHO-Regionalkomitees für Europa, die vom 12. bis 15. September 2011 in Baku (Aserbaidschan) stattfindet, wird das WHO-Regionalbüro für Europa den Mitgliedstaaten einen Aktionsplan zur Eindämmung der HIV-Ausbreitung in der Europäischen Region der WHO vorlegen.

„Mit dem Europäischen Aktionsplan HIV/Aids (2012–2015) stehen wir in Bezug auf Wissen und gute Praxis ganz an der Spitze“, erklärte Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa, „doch der Erfolg des Plans als Reaktion auf die wachsende Epidemie hängt von der Bereitschaft der Länder ab, die evidenzgeleiteten Interventionen für wichtige Bevölkerungsgruppen, die in einigen Ländern noch nicht bereit stehen, voll umzusetzen und dabei Chancengleichheit und Menschenrechte zu wahren.“

Bahnbrechende Forschungsresultate aus dem Juli 2011 haben gezeigt, dass sich die sexuelle Übertragung von HIV durch eine frühzeitige, unter der Bezeichnung „Behandlung als Prävention“ laufende Behandlung von Virusträgern um 96% und durch die antiretrovirale Behandlung von nicht mit dem Virus infizierten Partner(inne)n um 73% reduzieren lässt. Diese wissenschaftlich bestätigte präventive Wirkung der antiretroviralen Therapie liefert jetzt neue Impulse im Hinblick auf die dringend erforderliche Beschleunigung des Zugangs zu antiretroviralen Arzneimitteln. Die Behandlungsraten gehörten in einigen Teilen der Europäischen Region bisher zu den schlechtesten weltweit. Während zahlreiche Mitgliedstaaten, vor allem im westlichen Teil der Region, zu den Ländern mit den weltweit höchsten Versorgungsraten zählen, erhielten 2009 nach Schätzungen nur 19% der behandlungsbedürftigen Erwachsenen in den Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen im östlichen Teil der Region die lebensrettenden Arzneimittel. Eine beschleunigte Verbesserung des Zugangs zur Behandlung wird nicht nur Menschenleben retten, sondern auch Neuinfektionen verhindern und die HIV-Belastung in den Ländern der Region verringern.

Im östlichen Teil der Europäischen Region breitet sich die HIV-Epidemie so schnell aus wie nirgendwo sonst auf der Welt. Dies ist in hohem Maße besorgniserregend. Weltweit geht die Zahl der HIV-Neuinfizierten zurück, doch in Osteuropa und in Zentralasien hat sich die Zahl der mit HIV lebenden Menschen seit 2000 schätzungsweise verdreifacht, die Gesamtzahl der gemeldeten Fälle ist sogar fast um das Sechsfache gestiegen. Nach Schätzungen lebten 2009 in der Europäischen Region 2,2 Mio. Menschen mit HIV, davon 1,4 Mio. in Osteuropa und in Zentralasien.

Die zahlreichen Gründe für die steigenden Raten haben zumeist mit der Tatsache zu tun, dass die durch ungeschützten Sex oder die gemeinsame Benutzung von Injektionsbestecken am stärksten HIV-gefährdeten Gruppen diejenigen sind, die sozial ausgegrenzt sind oder als gesellschaftlich randständig gelten und deren Rechte eingeschränkt oder verletzt werden. Zu diesen Gruppierungen zählen Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten, injizierende Drogenkonsumenten und deren Sexualpartner/innen, Häftlinge, Prostituierte und Migranten.

Es muss nun vorrangig angestrebt werden, neue HIV-Infektionen zu verhindern und für diese Gruppierungen den Zugang zu HIV-Angeboten zu verbessern. Der Aktionsplan bestätigt die in der Politischen Erklärung zu HIV/Aids niedergelegten Verpflichtungen, die die Länder im Juni 2011 bei der Tagung auf hoher Ebene über Aids in der Generalversammlung der Vereinten Nationen eingegangen sind. Dazu gehören Bemühungen um eine 50%ige Reduzierung der sexuellen Übertragung von HIV sowie der HIV-Übertragung unter injizierenden Drogenkonsumenten, Fortschritte bei der Eliminierung von HIV-Neuinfektionen unter Kindern während der nächsten fünf Jahre, die Erhöhung der Zahl der Menschen, die eine lebensrettende antivirale Behandlung erhalten, sowie eine Halbierung der tuberkulosebedingten Todesfälle unter Menschen, die mit HIV leben, bis 2015. Angesichts der prekären Finanzlage in vielen Ländern der Europäischen Region ist es zwingend notwendig, dass die verfügbaren Ressourcen sinnvoll in evidenzgeleitete und kostenwirksame Programme investiert werden.

Zum Aktionsplan

Der Aktionsplan ruft zu beschleunigtem Handeln, stärkerem politischem Engagement, erhöhten Investitionen und einem umfassenden Konzept auf, wobei starke Partnerschaften die Grundlage einer erfolgreichen Umsetzung bilden müssen. Er enthält Ziele, Indikatoren und Vorgaben für Prävention, Diagnose, Behandlung, Pflege und Betreuung und sieht die breite Zusammenarbeit aller gesundheitsrelevanten Programme und den Aufbau starker Systeme sowie den Abbau sozialer Barrieren vor. Er wurde mit einer breiten Vielfalt von Akteuren im Bereich der HIV-Bekämpfung in Europa erarbeitet, darunter Vertreter der Länder, Repräsentanten der Zivilgesellschaft sowie Experten und Partnerorganisationen. Bei der Festlegung der vorrangigen Handlungsfelder wurde ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet, Menschen mit HIV sowie andere Teile der Zivilgesellschaft sinnvoll einzubinden – ein den gesamten Aktionsplan leitendes Prinzip.

„Als Organisationen der Zivilgesellschaft im Bereich der HIV-Bekämpfung wissen wir den Prozess, durch den der Europäische Aktionsplan HIV/Aids gestaltet wurde, für seine Offenheit und die Einbindung von Menschen mit HIV zu schätzen. Der Plan entspringt dem starken Bedürfnis und der Verpflichtung der einschlägigen Interessengruppen, gegen die HIV-Epidemie in der Region anzugehen, und befasst sich als Dokument ausführlich mit den Bedürfnissen der wichtigsten von HIV betroffenen Bevölkerungsgruppen“, erklärte Anna Zakowicz, die Vorsitzende der European AIDS Treatment Group und Ko-Vorsitzende des Global Network of People Living with HIV, „doch nur durch politische Führungs- und Handlungsbereitschaft auf nationaler und europäischer Ebene können wir das Dokument einen Schritt weiter bringen und die Worte in einen ständigen Prozess umsetzen, mit dem die kühnen Ziele und Vorgaben, die wir uns selbst gesetzt haben, erreicht werden können.“

Der Aktionsplan unterstützt die Umsetzung der vom Gemeinsamen Programm der Vereinten Nationen für HIV/Aids (UNAIDS) und der WHO durchgeführten globalen Strategien zu HIV/Aids.

Weitere Auskünfte erteilen:

Martin Donoghoe
Programmleiter, HIV/Aids, sexuell übertragene Infektionen und Virushepatitis
WHO-Regionalbüro für Europa
Tel.: +45 39 17 12 07
Mobiltel.: + 45 29 60 91 86
E-Mail: mdo@euro.who.int

Viv Taylor Gee
Kommunikationsberaterin
WHO-Regionalbüro für Europa
Tel.: +45 39 17 12 31
Mobiltel.: +45 2272 3691
E-Mail: vge@euro.who.int