WHO eröffnet erweitertes Europäisches Zentrum für Umwelt und Gesundheit in Bonn und stellt neuen Bericht über gesundheitsrelevante Umweltungleichheit vor

Kopenhagen und Bonn, 14. Februar 2012

Jeder fünfte Einwohner der Europäischen Region der WHO stirbt an den Folgen einer durch Umwelteinflüsse verursachten Krankheit. Allerdings schwankt der Anteil der umweltbedingten Erkrankungen an der Krankheitslast innerhalb der Region beträchtlich: zwischen 14% und 54%. Innerhalb der Länder sind einkommensschwache Gruppen bis zu fünfmal höheren Umweltrisiken ausgesetzt als ihre wohlhabenderen Mitbürger, wie aus einem neuen Bericht der WHO hervorgeht.

Der Bericht über gesundheitsrelevante Umweltungleichheit in der Europäischen Region ist die jüngste Veröffentlichung des Zentrums für Umwelt und Gesundheit beim Regionalbüro, das heute, zehn Jahre nach seiner Eröffnung, in Bonn seine Tätigkeit in erweiterter Form fortsetzt.

„Wir leben in einer sich ständig wandelnden Umwelt, die uns dazu zwingt, innovativ zu arbeiten und unsere Strategien anzupassen. Daher sind wir der Bundesregierung für die Unterstützung unserer erweiterten Tätigkeit im Bereich Umwelt und Gesundheit auch so dankbar, denn hier liegt eine Priorität für die WHO“, erklärt Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa. „Ich sehe das Zentrum nun nach seiner Erweiterung als die künftige Kompetenz-Schaltstelle der Europäischen Region, die die Mitgliedstaaten dabei unterstützen wird, für ihre gesamte Bevölkerung – und ich betone: die gesamte Bevölkerung – in gleicher Weise gesunde Umweltbedingungen zu schaffen.“

„Wir erhöhen unseren Anteil an der Finanzierung des Europäischen Zentrums, weil Umweltfaktoren maßgeblichen Einfluss auf die Gesundheit haben. Die WHO wird hier mit dem erweiterten Zentrum zukünftig noch aktiver sein können und die Umweltpolitik mit ihren Analysen und Empfehlungen unterstützen“, sagt Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

„Im Sinne eines vorbeugenden Gesundheitsschutzes müssen wir heute handeln, damit die nächsten Generationen gesunde Lebenswelten vorfinden. Hierzu müssen wir alle Akteure einbinden, um gemeinsam Maßnahmen zu entwickeln und die Gesundheitssysteme zu stärken. Das erweiterte WHO-Zentrum in Bonn ist hierzu ein wichtiger Schritt“, sagt Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr.

Erweitertes Europäisches Zentrum für Umwelt und Gesundheit (ECEH)

In den zurückliegenden Jahren hat das Zentrum in Bonn die Sammlung und Analyse wissenschaftlicher Erkenntnisse über Umweltbelastungen und ihre Gesundheitsfolgen koordiniert und so den politischen Entscheidungsprozess unterstützt:

  • Es hat veranschlagt, dass die Bürger in der Europäischen Region der WHO infolge einer über den von der WHO empfohlenen Werten liegenden Luftbelastung im Durchschnitt 8,6 Monate an Lebenserwartung einbüßen.
  • Es ist zu dem Schluss gelangt, dass Verkehrslärm im Westeuropa Jahr für Jahr zum Verlust von mehr als einer Million gesunder Lebensjahre führt.
  • Es hat herausgefunden, dass unangemessene Wohnbedingungen in der Europäischen Region jedes Jahr mehr als 100 000 Menschen das Leben kosten.

Die vom ECEH herausgegebenen Leitlinien unterstützen die politischen Entscheidungsprozesse in der Europäischen Region und in anderen Regionen der Welt.

Dank des zusätzlichen Finanzierungsbeitrags Deutschlands kann das ECEH seinen Aktionsradius nun um vier Hauptbereiche erweitern: Klimawandel und nachhaltige Entwicklung; Belastung durch zentrale Umweltrisiken (Luftverschmutzung, Lärm, Chemikalien, Strahlung, ungünstige Arbeits- und Wohnbedingungen); gesundheitsrelevante Umwelterkenntnisse und Prognosen; und Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen, einschließlich Wasserver- und Abwasserentsorgung.

Die mit diesen Themen befassten Programme werden sich stärker mit Art und Ausmaßen aktueller und künftiger umweltbedingter Gesundheitsgefahren befassen, um so die Länder der Region bei der Ausarbeitung und Durchführung von Gegenstrategien zu unterstützen, auch im Falle von Umweltkatastrophen.

Das ECEH leistet auch wissenschaftliche und organisatorische Unterstützung für den Prozess Umwelt und Gesundheit in Europa, der auf der ersten Ministerkonferenz zu diesem Thema 1989 in Frankfurt am Main eingeläutet wurde. Seit über 20 Jahren sichert dieser Prozess das politische Engagement der Länder im Kampf gegen die Umweltgefahren an vorderster Front der Politikgestaltung und -umsetzung.

Einkommensschwache Bevölkerungsgruppen  sind Umweltgefahren am stärksten ausgesetzt

In Zeiten knapper Finanzen und sich verschärfender soziodemografischer Ungleichheiten steht das ECEH vor der einzigartigen Aufgabe, den Ländern neue Erkenntnisse und Grundsatzoptionen für die Überwindung der Ungleichverteilung umweltbedingter Gesundheitsrisiken an die Hand zu geben.

In allen Ländern der Region besteht in Bezug auf die Belastung durch Umweltfaktoren eine Kluft zwischen Reich und Arm. Der neue Bericht der WHO über gesundheitsrelevante Umweltungleichheit versetzt die Länder erstmalig in die Lage, anhand konkreter Daten Prioritäten für landesweite Maßnahmen festzulegen. Allein in der Europäischen Union (EU) leben rund 80 Mio. Menschen in relativer Armut, d. h. mit einem Einkommen unterhalb von 60% des mittleren Einkommens in ihrem Land (1). Viele dieser Menschen leben in feuchten, unzureichend beheizten Wohnungen ohne angemessene Sanitäreinrichtungen. In den neuen EU-Mitgliedstaaten verfügen die Haushalte der untersten Einkommensschichten 13mal so häufig nicht über Bad und Dusche, wie dies in den wohlhabendsten Schichten der Fall ist, und in der EU sind insgesamt fast 7 Mio. einkommensschwache Personen von diesem Problem betroffen. Noch schwerer wiegt jedoch die Tatsache, dass über 16 Mio. Menschen, die in relativer Armut leben, es sich nicht leisten können, ihre Häuser im Winter zu beheizen. Ähnliche Befunde gibt es in Bezug auf Lärmbelastung, Passivrauchen und die Inzidenz verschiedener Arten von Verletzungen.

In dem Bericht wird im Hinblick auf die Priorisierung von Maßnahmen in den Ländern auf jene umweltbedingten Gesundheitsrisiken hingewiesen, die in bestimmten Ländern größer oder ungleicher verteilt sind als in anderen.

Hinweise an Redakteure

  • Das ECEH nahm seine Arbeit 1991 mit finanzieller Unterstützung Italiens, Frankreichs und der Niederlande auf. Nach der Schließung der Büros in Frankreich und den Niederlanden wurde im Jahr 2001 mit finanzieller Unterstützung durch die Regierung der Bundesrepublik Deutschland als Ergänzung zum Büro in Rom das Bonner Büro eröffnet. Nach der Schließung des Büros in Rom im Jahr 2011 erweitert das Büro in Bonn nun seinen Aktionsradius im Themenbereich Umwelt und Gesundheit.
  • Der Bericht mit dem Titel „Environmental health inequalities in Europe“ [dt.: Gesundheitsrelevante Umweltungleichheit in der Europäischen Region] beruht auf den verfügbaren statistischen Daten. Die WHO hat 14 Indikatoren für umweltbedingte Ungleichheiten im Gesundheitsbereich entwickelt, die sich auf drei Bereiche erstrecken: Wohnungswesen, Verletzungen und Umwelt.
  • Die Europäische Region der WHO mit ihrer Bevölkerung von über 900 Mio. Menschen in 53 Ländern umfasst ein Gebiet, das sich vom Nordpolarmeer im Norden bis zum Mittelmeer im Süden und vom Atlantischen Ozean im Westen bis zum Pazifischen Ozean im Osten erstreckt.

Weitere Auskünfte erteilen:

Dr. Michal Krzyzanowski
Leiter, Europäisches Zentrum für Umwelt und Gesundheit
WHO-Regionalbüro für Europa
Tel.: +49 228 815 0400
Fax: +49 228 815 0414
E-Mail: mkr@ecehbonn.euro.who.int

Cristiana Salvi
Kommunikationsreferentin
WHO-Regionalbüro für Europa
Tel.: +49 174 1750078
E-Mail: csa@euro.who.int

 


1. Armut und soziale Ausgrenzung [Website]. Brüssel, Europäische Kommission 2012 (http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=751&langId=de, eingesehen am 10. Februar 2012).