Erwachsene in der Europäischen Region konsumieren durchschnittlich drei Alkoholeinheiten pro Tag

Kopenhagen, 27. März 2012

In Europa ist der durchschnittliche Alkoholkonsum pro Kopf mit 12,5 Litern reinem Alkohol pro Jahr höher als in jedem anderen Teil der Welt. Die Wirkung von Alkohol auf die Gesundheit ist davon abhängig, wie häufig, wo und in welchen Situationen er konsumiert wird. In dem neuen Bericht der WHO mit dem Titel „Alkoholkonsum in der Europäischen Union“, der mit Unterstützung der EU-Kommission erstellt wurde, werden beträchtliche Unterschiede zwischen verschiedenen Teilregionen der Europäischen Union in Bezug auf Konsummuster wie auch gesundheitliche Auswirkungen deutlich.

„Die zweifelhafte Ehre, einen doppelt so hohen Alkoholkonsum zu haben wie der weltweite Durchschnitt, hat in Europa anerkanntermaßen eindeutige gesundheitliche Folgen für die Konsumenten, ihr Umfeld und die Gesellschaft insgesamt“, sagte Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa. „Doch die entscheidende Botschaft aus diesem neuen Bericht lautet, dass die alkoholbedingte Belastung für die Gesundheit in Europa vermeidbar ist. Der Bericht enthält für jeden Aspekt in Verbindung mit dem Alkoholkonsum evidenzbasierte Empfehlungen für Politik und Praxis, und ich appelliere dringend an die Länder, ihn sorgfältig zu lesen.“

Regional verschiedene Konsummuster

Unterschiedliche soziale, kulturelle, geografische und ökonomische Gegebenheiten in den Ländern der EU haben zu ihrer Einteilung in vier klar abgegrenzte Ländergruppierungen geführt, für die jeweils unterschiedliche Muster und -trends in Bezug auf den Alkoholkonsum gelten; dies sind: Osteuropa und östliches Mitteleuropa; Westeuropa und westliches Mitteleuropa; nordische Länder; und Südeuropa.

Gesamtkonsum und Indikatoren für gefährliches Trinken

Auch wenn der Alkoholkonsum in allen vier Teilregionen höher liegt als der weltweite Durchschnitt, so geht doch aus einer Aufschlüsselung nach Teilregion hervor, dass er in Osteuropa und dem östlichen Mitteleuropa (14,5 Liter reiner Alkohol pro Jahr) am höchsten ist, gefolgt von den Teilregionen Westeuropa und westliches Mitteleuropa (12,4 Liter), Südeuropa (11,2 Liter) und Nordische Länder (10,4 Liter).

Werden jedoch diese Zahlen mit den Indikatoren für gefährliches Trinken – etwa dem Anteil des Trinkens außerhalb von Mahlzeiten und an öffentlichen Orten oder des gelegentlichen exzessiven Trinkens (Rauschtrinken) – gewichtet, so ergibt sich ein ganz anderes Bild. Demnach erreichen die nordischen Länder in Bezug auf das Trinkverhalten ihrer Bürger auf einer Skala von 1 (am wenigsten schädlich) bis 5 (am schädlichsten) einen Wert von 2,8; für die Teilregion Osteuropa und östliches Mitteleuropa liegt der Wert mit 2,9 nur geringfügig höher, während er für die Teilregionen Westeuropa und westliches Mitteleuropa (1,5) und Südeuropa (1,1) deutlich niedriger ausfällt.

Konsumentwicklung im zeitlichen Verlauf

Auch wenn der Alkoholkonsum pro Kopf in Europa in den vergangenen zehn Jahren nahezu konstant geblieben ist, so hat doch in den nordischen Ländern und in Osteuropa der Konsum unter Erwachsenen zugenommen, während er in West- und Südeuropa rückläufig war.

Alkoholbedingte Todesfälle

In der EU betrug im Jahr 2004 die standardisierte Mortalitätsrate aufgrund von Alkohol 57 Fälle pro 100 000 Einwohner für Männer und 15 Fälle für Frauen. Doch gab es hier zwischen den Teilregionen erhebliche Unterschiede, die von 129 (Männer) bzw. 27 Fällen (Frauen) pro 100 000 EW (Osteuropa und östliches Mitteleuropa) bis zu nur 30 (Männer) bzw. 10 Fällen (Frauen) in Südeuropa reichten.
Neben diesen allgemeinen Unterschieden haben spezifische Trinkgewohnheiten in den Teilregionen auch Einfluss auf die Todesursachen. So liegt der Anteil der Todesfälle infolge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (ohne ischämische Herzkrankheit) und Verletzungen in Osteuropa höher, was auf den hohen Gesamtkonsum in diesen Ländern sowie die dort verbreitete Tendenz zu gelegentlichen Alkoholexzessen zurückzuführen ist. In den nordischen Ländern ist dagegen der Anteil der Todesfälle infolge psychischer und neurologischer Störungen höher, da es dort eine hohe Prävalenz von Alkoholabhängigkeit und alkoholbedingten Gesundheitsproblemen gibt. In Südeuropa wiederum ist der Anteil der Krebserkrankungen höher, da in diesen Ländern der Alkoholkonsum vor zwei Jahrzehnten deutlich höher lag und Krebserkrankungen sich oftmals über einen langen Zeitraum entwickeln.

Negative Auswirkungen des Alkoholkonsums auf andere Personen

Alkoholkonsum schadet nicht nur den Konsumenten selbst, sondern häufig auch anderen Personen. Aus den Zahlen von 2004 geht hervor, dass in den EU-Staaten über 5500 Männer (alle Altersgruppen) und über 2000 Frauen ihr Leben infolge des Alkoholkonsums anderer verloren. Bei weitem den größten Anteil an diesen Todesfällen und Schädigungen hatten Verkehrsunfälle, in deutlichem Abstand gefolgt von Gewalteinwirkung.

Südeuropa weist – gemessen an der Zahl der Todesfälle – den höchsten Anteil der Schädigung anderer Personen an dem Gesamtumfang der alkoholbedingten Schäden auf. Für Osteuropa dagegen deuten Berechnungen darauf hin, dass ein größerer Anteil der alkoholbedingten Straßenverkehrsunfälle mit einer Schädigung der trunkenen Fahrer verbunden ist.

Neuer Bericht „Alkoholkonsum in der Europäischen Union“

In dem Bericht „Alkoholkonsum in der Europäischen Union“, der vom WHO-Regionalbüro für Europa und von der Europäischen Kommission verfasst wurde, werden verschiedene Muster von Alkoholkonsum und die dadurch verursachten Gesundheitsschäden bei Konsumenten wie Nichtkonsumenten untersucht, aber auch die Frage, welche konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung in Europa ergriffen werden können. Eine Reihe kostenwirksamer Konzepte haben gezeigt, dass höhere Verbrauchssteuern, eine eingeschränkte Verfügbarkeit von Alkohol und Beschränkungen hinsichtlich seiner Vermarktung in erheblichem Maße zu einer Verringerung des schädlichen Alkoholkonsums beitragen können. Die einschlägigen Grundsatzoptionen werden allesamt in dem Bericht erläutert.

Das Wichtigste auf einen Blick

  • In den EU-Staaten ist der Alkoholkonsum in der Altersgruppe ab 15 Jahren mehr als doppelt so hoch wie im weltweiten Durchschnitt. Er liegt bei 12,5 Litern reinem Alkohol pro Jahr; dies entspricht 27 Gramm reinem Alkohol bzw. fast drei Alkoholeinheiten pro Tag.
  • Es gibt mehr als 40 anerkannte alkoholbedingte Gesundheitsprobleme, darunter Alkoholabhängigkeit und Alkoholmissbrauch, alkoholbedingte Leberzirrhose, alkoholinduzierte chronische Pankreatitis, versehentliche Alkoholvergiftung und fetales Alkoholsyndrom. Alkohol spielt auch bei einer Vielzahl anderer Gesundheitsprobleme eine Rolle, etwa bei Verletzungen und Todesfällen im Straßenverkehr.
  • Alkoholkonsum ist außerdem für jeden zehnten Krebsfall bei Männern und jeden 33. Fall bei Frauen verantwortlich.
  • In den EU-Staaten waren im Jahr 2004 11,8% aller Todesfälle in der Altersgruppe von 15 bis 64 Jahren auf Alkoholkonsum zurückzuführen; dies entspricht einem Siebtel aller Todesfälle bei Männern und einem Dreizehntel der Todesfälle bei Frauen.
  • Insgesamt waren 2004 ca. 3,3% aller Todesfälle in der Altersgruppe von 15 bis 64 Jahren auf den Alkoholkonsum anderer Personen zurückzuführen.

Europäischer Aktionsplan Alkohol

Der Europäische Aktionsplan zur Verringerung des schädlichen Alkoholkonsums (2012–2020), der im September 2011 von den 53 Mitgliedstaaten der WHO in der Europäischen Region angenommen wurde, ist die jüngste konzeptionelle Antwort für die gesamte Europäische Region auf das Ausmaß der alkoholbedingten Gesundheitsschäden. Er gibt einen umfassenden Überblick über die Problematik und zeigt eine Reihe von Grundsatzoptionen auf, die nachweislich eine Verringerung der alkoholbedingten Schäden bewirken. So haben sich etwa die Regulierung der Preisgestaltung, ein gezieltes Vorgehen gegen Alkohol am Steuer und die Begrenzung der Alkoholwerbung als wirksam erwiesen.

Weitere Auskünfte erteilen:

Lars Møller
Programmleiter (kommissarisch), Alkohol und illegale Drogen
WHO-Regionalbüro für Europa
Tel.: +45 39 17 12 14, + 45 29610109 (Mobiltel.)
E-Mail: lmo@euro.who.int

Tina Kiaer
Informationsreferentin
Abteilung Nichtübertragbare Krankheiten und Gesundheitsförderung
WHO-Regionalbüro für Europa
Tel.: +45 39 17 12 50
E-Mail: tki@euro.who.int