Neu entdeckte gesundheitliche Auswirkungen von Luftverschmutzung machen größere Anstrengungen zur Reinhaltung der Luft in der Europäischen Union erforderlich
Brüssel und Kopenhagen, 31. Januar 2013
Die Langzeitexposition gegenüber Feinstaub (PM2,5) kann zu Arteriosklerose, ungünstigen Geburtsergebnissen und Atemwegserkrankungen im Kindesalter führen. Dies geht aus einer heute veröffentlichten Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hervor. Die Untersuchung der Erkenntnisse über die gesundheitlichen Aspekte der Luftverschmutzung (REVIHAAP) deutet auch auf einen möglichen Zusammenhang mit der neurologischen Entwicklung und den kognitiven Fähigkeiten sowie mit Diabetes hin und stärkt die kausale Verknüpfung zwischen Exposition gegenüber PM2,5 und Todesfällen infolge von Herz-Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen. Die Forschungsarbeiten gingen auf eine Initiative der Europäischen Kommission im Rahmen der 2013 durchzuführenden Überprüfung der Luftreinhaltepolitik der Europäischen Union zurück.
Der Umweltkommissar der EU, Janez Potočnik, sagte: „Die Luftreinhaltepolitik der EU muss sich auf die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse stützen. Deshalb habe ich die WHO gebeten, diese Forschungsarbeiten in Angriff zu nehmen. Die von ihr festgestellten Zusammenhänge zwischen Luftverschmutzung und menschlicher Gesundheit liefern ein weiteres Argument für eine ehrgeizige neue Politik: Dies wird als wesentlicher Impuls in die Überprüfung der Luftreinhaltepolitik in diesem Jahr einfließen.“
„Noch vor wenigen Jahren waren Normen und Vorschriften gegen Luftbelastung mangels eindeutiger Erkenntnisse nicht ausreichend auf den Schutz der menschlichen Gesundheit ausgerichtet“, sagte Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa. „Inzwischen haben jahrelange, von der WHO koordinierte Forschungsanstrengungen die ersten quantitativen Schätzungen für die durch Schwebstaubbelastung bedingte Krankheitslast ermöglicht und Zusammenhänge zwischen Luftbelastung und gesundheitlichen Ergebnissen ans Licht gebracht. Wir sind zuversichtlich, dass dieses neue Wissen letztendlich zu strengeren gesetzlichen Vorschriften zur Reinhaltung der Luft führen wird, die dem Schutz der Bürger in der Europäischen Region dienen.“
Über 80% der Bürger in den Ländern Europas sind einer Schwebstaubbelastung ausgesetzt, die oberhalb dessen liegt, was nach den Luftgüteleitlinien der WHO von 2005 als unbedenklich gilt. Dadurch verringert sich die Lebenserwartung jedes Bürgers um durchschnittlich 8,6 Monate. Untersuchungen aus jüngster Zeit belegen Zusammenhänge zwischen der Belastung mit PM2,5 und der Mortalität schon bei einem Niveau unterhalb der in den geltenden Luftgüteleitlinien festgelegten Obergrenze von 10 µg/m3 jährlich. Deshalb wird in der Untersuchung der WHO eine Überarbeitung der Luftgüteleitlinien für Feinstaub bis 2015 empfohlen. In dem Bericht werden auch weitere Änderungen am EU-Recht empfohlen, zumal der gegenwärtige Grenzwert für PM2,5 in der Luftqualitätsrichtlinie der EU doppelt so hoch ist wie der dafür empfohlene Grenzwert in den Luftgüteleitlinien.
Die Studie der WHO brachte neue Erkenntnisse über die Auswirkungen einer Langzeitexposition gegenüber Ozon (O3) auf die Mortalität aufgrund von Atemwegserkrankungen sowie auf die Zahl der Todesfälle unter Menschen mit einschlägigen chronischen Vorerkrankungen. Dies kommt zu bisherigen Erkenntnissen über kurzfristige Wirkungen hinzu, die im Mittelpunkt der geltenden Vorschriften stehen. Ferner wird davon ausgegangen, dass die Ozonbelastung auch Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung und die Reproduktionsgesundheit (einschließlich Frühgeburten) hat. In der Untersuchung wird die Entwicklung von Luftgüteleitlinien für langfristige Ozondurchschnittswerte empfohlen.
Empfohlen wird auch eine neue Leitlinie für die Stickstoffdioxidwerte (NO2), ein toxisches Gas, das in Verbrennungsprozessen in den Bereichen Heizung, Stromerzeugung und Kraftfahrzeugverkehr entsteht. In neuen Studien wird die kurz- und langfristige Belastung mit NO2 in Konzentrationen, die um die oder unterhalb der geltenden EU-Grenzwerte liegen (die sich auf demselben Niveau wie die Luftgüteleitlinien befinden), für eine zunehmende Zahl von Todesfällen, Krankenhauseinweisungen und Atemwegserkrankungen verantwortlich gemacht.
Nächste Schritte
Ein umfassender fachlicher Bericht über das Projekt REVIHAAP wird im Frühjahr 2013 vorgelegt.
Hintergrund
REVIHAAP ist ein im Rahmen der 2013 anstehenden Überprüfung der Luftreinhaltepolitik der Europäischen Union in Auftrag gegebenes Projekt unter der Federführung der WHO. Es zielt darauf ab, evidenzbasierte Antworten auf Fragen über wesentliche allgemeine Aspekte für das Luftgütemanagement zu geben und Lösungen für konkrete Fragestellungen in Bezug auf bestimmte Luftschadstoffe zu finden. Die von einer Gruppe von Wissenschaftlern aus aller Welt durchgeführte Untersuchung wurde von einem wissenschaftlichen Beratungsausschuss betreut.
Die Luftgüteleitlinien der WHO von 2005 sollen weltweit als Richtschnur für die Reduzierung der gesundheitlichen Folgen von Luftbelastungen dienen. Während die ursprünglichen Leitlinien noch auf die Europäische Region beschränkt waren, haben die im Jahr 2005 aktualisierten Werte weltweit Gültigkeit und basieren auf einer fachlichen Evaluation neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse. Empfohlen werden Grenzwerte für die Konzentration ausgewählter Luftschadstoffe: Schwebstaub (PM), Ozon (O3), Stickstoffdioxid (NO2) und Schwefeldioxid (SO2).
Schwebstaub ist ein Luftschadstoff, der aus einer Mischung aus festen und flüssigen in der Luft schwebenden Partikeln besteht, die sich in der Regel aus Sulfaten, Nitraten, Ammonium und anderen Stoffen zusammensetzt. Zu den Hauptquellen vom Menschen verursachter Schwebstaubemissionen gehören Heizen im Haushalt, die Industrie und der Straßenverkehr. Zu den gesundheitlichen Folgen der Schwebstaubbelastung gehören Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Lungenkrebs.
Der Europäische Umweltkommissar Janez Potočnik hat 2013 zum Jahr der Luftreinhaltung in der Europäischen Union erklärt. Die Absicht besteht darin, auf die Bedeutung sauberer Luft für alle hinzuweisen und Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität in allen Teilen der Europäischen Union anzustreben.
Kontakt
WHO-Regionalbüro für Europa
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Kommunikationsreferentin
Übertragbare Krankheiten, Gesundheitssicherheit und Umwelt
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