Experten aus der Europäischen Region erörtern Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Gesundheit
Kopenhagen und Oslo, 16. April 2013
Auf einer Tagung am 17. und 18. April 2013 in Oslo wollen hochrangige Regierungsvertreter aus den 53 Mitgliedstaaten in der Europäischen Region der WHO eine Bestandsaufnahme der Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf Gesundheit und Gesundheitssysteme in der Europäischen Region durchführen, über die ergriffenen Gegenmaßnahmen diskutieren, Erfahrungen austauschen und sich darauf einigen, wie sich die Länder besser für die Zukunft rüsten können.
Auf der Tagung sollen die Erkenntnisse aktualisiert werden, die vor genau vier Jahren auf der Ministertagung von Oslo mit dem Titel „Schutz der Gesundheit zu Zeiten einer globalen Wirtschaftskrise: Ein aktueller Lagebericht über die Situation in der Europäischen Region der WHO“ präsentiert wurden.
Die anwesenden Gesundheitsminister, Vertreter multilateraler Organisationen und Experten werden anhand einer vom Europäischen Observatorium für Gesundheitssysteme und Gesundheitspolitik gemeinsam mit dem Regionalbüro durchgeführten Studie mit dem Titel „Gesundheit, Gesundheitssysteme und die Wirtschaftskrise in Europa: Auswirkungen und Folgen für die Politik“ die neuesten Erkenntnisse auf diesem Gebiet prüfen. Deren Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Ausgaben für die öffentlichen Gesundheitsdienste in vielen Ländern seit 2008 rückläufig sind.
„In Krisenzeiten ist es noch wichtiger, die Finanzierung der Gesundheitssysteme zu sichern, denn die Anforderungen an sie können schnell anwachsen. Die Gewährleistung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung ist ein zentraler Bestandteil eines übergeordneten sozialen Sicherheitsnetzes“, sagte Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa. „Deshalb appelliert die WHO an alle Regierungen in der Ländern unserer Region: Wenn Sie Einschnitte vornehmen müssen, dann mit Umsicht, nicht nach dem Rasenmäherprinzip, und möglichst so, dass die Bedürftigen geschützt werden und die flächendeckende Gesundheitsversorgung gewährleistet ist. Dies ist das zentrale Anliegen des gesundheitspolitischen Rahmenkonzeptes der Europäischen Region, Gesundheit 2020. Die Erfahrung zeigt, dass unangemessene Kürzungen im Gesundheitsbereich die Situation noch verschärfen können. Gleichzeitig muss das Gesundheitswesen alles in seinen Kräften Stehende tun, um die Verschwendung von Mitteln auf ein Mindestmaß zu reduzieren, und dafür Sorge tragen, dass die verfügbaren Ressourcen auf bewährte Leistungen konzentriert werden.“
„Wir müssen dafür sorgen, dass Kostensenkungsmaßnahmen im Gesundheitswesen nicht zu einer Verschärfung sozialer Ungleichheiten im Gesundheitsbereich führen. Unsere Fähigkeit, die Schwächsten in unserer Gesellschaft zu erkennen und ihnen Vorrang einzuräumen, muss in ökonomisch guten wie schwierigen Zeiten unser leitender Grundsatz sein. Deshalb ist es erfreulich, dass viele Länder Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Bevölkerungsgruppen ergreifen, damit diese weniger von den mittlerweile erhöhten Gebühren betroffen sind“, sagte Jonas Gahr Støre, der norwegische Minister für Gesundheit und Soziales. „In den kommenden Jahren müssen alle Länder der Europäischen Region unabhängig von der Krise schwierige Entscheidungen über Prioritäten treffen, wenn sie die langfristige Nachhaltigkeit unserer Gesundheitssysteme aufrechterhalten wollen. Es ist daher wichtig, dass die norwegischen Gesundheitsbehörden zu dieser Konferenz beitragen und ein Licht auf die positiven wie negativen Folgen der eingeführten Veränderungen werfen. So können wir in Zukunft sachgerechtere Entscheidungen treffen.“
Trotz bestehender Datenlücken deuten die vorliegenden Erkenntnisse darauf hin, dass die psychische Gesundheit in Zeiten eines Konjunktureinbruchs besonders gefährdet ist, denn das Erkrankungsrisiko ist erhöht, und auch Erholungsprozesse können beeinträchtigt werden. So ist in der Europäischen Union die Zahl der Selbstmorde in der Altersgruppe unter 65 Jahren seit 2007 entgegen dem zuvor verzeichneten Trend wieder angestiegen. Sowohl Arbeitslosigkeit als auch die Angst davor können sich hier in erheblichem Maße auswirken. Darüber hinaus ist die Inzidenz von Infektionskrankheiten (z. B. HIV-Infektion) in einigen der am stärksten betroffenen Länder dramatisch angestiegen, wo Haushaltseinschnitte Kürzungen der Präventionsprogramme (z. B. Nadeltauschprogramme) und der Angebote zur Frühbehandlung zur Folge hatten.
Dies zeigt, wie wichtig nicht nur der Schutz, sondern auch die Stärkung von Präventionsangeboten sind, denn die Nachfrage nach ihnen nimmt während wirtschaftlicher Krisenzeiten zu. Ähnlich ist der Schutz einkommensschwacher und besonders gefährdeter Bürger, vor allem vor den finanziellen Risiken in Verbindung mit dem Zugang zur Gesundheitsversorgung, zu Zeiten einer erhöhten Nachfrage nach Gesundheitsleistungen eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass einer weiteren Verarmung entgegengewirkt wird.
Sinkende Haushaltseinkommen wirken sich auch ungünstig auf gesundheitsschädliche Verhaltensweisen wie Rauchen und Alkoholmissbrauch aus, auch wenn viele Länder auf diesem Gebiet insgesamt einen Rückgang verzeichnen.
Nach den vorliegenden Erkenntnissen haben sich in allen Teilen der Europäischen Region die Regierungen stark darum bemüht, Haushaltskürzungen abzufedern und den Zugang zur Gesundheitsversorgung durch eine kostengünstigere (und damit effizientere) Gestaltung der Leistungen zu schützen. Eine Reihe von Gesundheitsministerien aus von der Krise betroffenen Mitgliedstaaten werden auf der Tagung schildern, wie Herausforderungen zu Chancen für eine Verbesserung von Zugänglichkeit und Qualität der Versorgung bei gleichzeitiger Kosteneindämmung werden können.
Die Tagung in Oslo wird im Internet übertragen.
Wenn Sie weitere Auskünfte oder ein Interview wünschen, wenden Sie sich bitte an:
Faith Kilford Vorting
Kommunikationsreferentin
WHO-Regionalbüro für Europa
Tel.: +45 45 33 67 42
E-Mail: fki@euro.who.int