Reaktion der Europäischen Region auf HIV nicht ausreichend zur Überwindung der Epidemie: 80% mehr neue HIV-Fälle im Vergleich zu 2004

Kopenhagen und Stockholm, 27. November 2014

Trotz Fortschritten in der medizinischen Behandlung sowie neuer Möglichkeiten in der Prävention breitet sich die HIV-Epidemie in Europa seit 2004 weiter aus. 2013 wurden in Europa und Zentralasien über 136 000 neue HIV-Fälle diagnostiziert. Dies geht aus den neuesten Daten hervor, die heute vom Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und vom WHO-Regionalbüro für Europa veröffentlicht wurden. Damit wird gegenüber 2004 eine Zunahme um 80% verzeichnet; damals wurden knapp 76 000 neue Fälle diagnostiziert.

Von den HIV-Neuinfektionen in der Europäischen Region im Jahr 2013 wurden mehr als 105 000 in den Ländern Osteuropas und Zentralasiens (EECA), über 29 000 in der Europäischen Union und dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sowie ca. 2000 in anderen Staaten außerhalb der EU gemeldet. Im Vergleich zu 2004 verzeichneten die EECA-Länder eine Verdreifachung der neuen HIV-Fälle, während in den Staaten der EU und des EWR kein Rückgang der HIV-Diagnosen erfolgte.

„Der Europäischen Region ist es nicht gelungen, die im Rahmen der Millenniums-Entwicklungsziele festgelegte Zielvorgabe zu erreichen, bis 2015 die Ausbreitung von HIV/Aids zum Stillstand zu bringen und allmählich umzukehren. Die Uhr läuft allmählich ab. Auch wenn wir immer mehr neuen gesundheitlichen Bedrohungen gegenüberstehen, werden wir hier wiederum daran erinnert, dass wir bei HIV/Aids nicht in Untätigkeit verfallen dürfen“, sagt Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa. „In Osteuropa, wo 77% aller Neuinfektionen gemeldet wurden, wurden zwei Drittel der Fälle unter injizierenden Drogenkonsumenten verspätet entdeckt. Das bedeutet, dass von ihnen eine größere Gefahr einer Übertragung von HIV ausgeht, ihre Behandlung mehr kosten wird und sie mit höherer Wahrscheinlichkeit sterben werden. Jetzt gibt es neue Leitlinien der WHO, die es den Ländern ermöglichen, speziell die in Bezug auf HIV-Infektion am meisten Gefährdeten ins Visier zu nehmen. Darin werden mit Nachdruck bewährte Interventionen zur Schadensminderung für injizierende Drogenkonsumenten propagiert. Durch gezieltes Handeln können wir das Blatt noch wenden.“

„Wir müssen uns die Frage stellen, warum im vergangenen Jahrzehnt keine wesentlichen Fortschritte bei der Reduzierung der Zahl der HIV-Infektionen erzielt werden konnten. Wenn wir uns die Daten ansehen, dann stellen wir eindeutig fest, dass in allen Teilen der Europäischen Region die in Bezug auf HIV-Infektionen am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen nicht genügend erreicht werden, insbesondere Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten“, erklärt Marc Sprenger, Leiter des ECDC. In den Staaten der EU und des EWR ist Geschlechtsverkehr zwischen Männern nach wie vor die häufigste Art der HIV-Übertragung und war 2013 für 42% aller HIV-Neudiagnosen verantwortlich. Sprenger fügt hinzu: „Die Zahl der HIV-Diagnosen in dieser Gruppe ist seit 2004 um 33% gestiegen, und ein Anstieg war mit vier Ausnahmen in allen Staaten der EU und des EWR zu verzeichnen. Deshalb muss die Prävention und Bekämpfung von HIV unter Männern mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten in allen Teilen der Europäischen Region zu einem Eckpfeiler der nationalen HIV-Programme werden.“

Beide Direktoren sind sich darüber einig, dass zu einer erfolgreichen Bekämpfung der HIV-Epidemie in der Europäischen Region entschlossenere Maßnahmen erforderlich sind, die auf die speziellen Anforderungen der einzelnen Länder zugeschnitten sind.

Während die Zahl der gemeldeten Aids-Fälle in den Staaten der EU und des EWR im vergangenen Jahrzehnt stetig um 48% zurückging, stieg die Zahl der Neudiagnosen mit Aids in den EECA-Ländern um das mehr als Dreifache.

Hinweise an Redakteure

  • Die WHO führte 1988 den Welt-Aids-Tag ein. Er wird jährlich am 1. Dezember begangen, um die durch HIV ausgelöste Aids-Pandemie ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken.
  • Das HIV greift das menschliche Immunsystem an und führt nach langer Inkubationszeit unbehandelt zu einer chronischen lebenslangen Erkrankung. Aids ist das Endstadium einer unbehandelten Infektion und die Folge der Zerstörung der körpereigenen Abwehr. Aids ist durch das Vorhandensein einer oder mehrerer opportunistischer Erkrankungen (aufgrund des geschwächten Immunsystems) charakterisiert.
  • Die Europäische Region der WHO umfasst 53 Länder und hat eine Gesamtbevölkerung von fast 900 Mio. Menschen, von denen ca. 508 Mio. in den Ländern der EU und des EWR (28 EU-Mitgliedstaaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen) leben. Die Gesamtzahl der für 2013 gemeldeten 136 235 neu diagnostizierten Infektionen setzt sich folgendermaßen zusammen: über 56 000 an das ECDC und die WHO gemeldete Diagnosen und knapp 80 000 neue Fälle, die vom Wissenschaftlichen und methodologischen Zentrum für die Prävention und Bekämpfung von Aids in der Russischen Föderation veröffentlicht wurden.
  • Die neuen Konsolidierten Leitlinien der WHO zur Prävention, Diagnose, Therapie und Versorgung im Bereich HIV für wesentliche Zielgruppen wurden im Juli 2014 veröffentlicht. In den Leitlinien werden Schritte skizziert, mit denen die Länder die Zahl der HIV-Neuinfektionen senken und den Zugang zu Untersuchungen, Therapie und Versorgung im Bereich HIV für fünf Hauptzielgruppen (Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten, Häftlinge, injizierende Drogenkonsumenten, Prostituierte und Transgender) erweitern können.

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Cristiana Salvi
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