Rekordzahl neuer HIV-Fälle in der Europäischen Region gemeldet
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Siff Malue Nielsen
WHO-Regionalbüro für Europa
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Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten
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Kopenhagen und Stockholm, 26. November 2015
ECDC und WHO fordern verbesserte Präventions-, Diagnose- und Behandlungsangebote für anfällige Bevölkerungsgruppen wie Migranten und Flüchtlinge
Mit einer Gesamtzahl von über 142 000 Neudiagnosen wurde in der Europäischen Region für 2014 die höchste Zahl neuer HIV-Fälle seit Beginn der Berichterstattung in den 1980er Jahren gemeldet. Aus den neuesten Daten, die vom Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und vom WHO-Regionalbüro für Europa veröffentlicht wurden, geht hervor, dass die Ausbreitung der HIV-Epidemie durch einen Anstieg im östlichen Teil der Region bedingt ist, wo sich die Zahl der Neudiagnosen in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt hat.
Die Ursache für den Anstieg im östlichen Teil der Region ist heterosexuelle Übertragung, und auch die Übertragung durch Drogeninjektion spielt weiterhin eine wesentliche Rolle. In den Staaten der EU und des EWR ist Geschlechtsverkehr zwischen Männern der häufigste Übertragungsweg für das HIV. Zwei Drittel der HIV-Neuinfektionen entfallen auf in der Europäischen Region geborene Personen, und nur ein Drittel der HIV-Diagnosen auf die Gruppe der außerhalb der Region Geborenen, einschließlich der Migranten.
„Trotz aller Anstrengungen zur Bekämpfung von HIV sind in der Europäischen Region in diesem Jahr über 142 000 HIV-Neuinfektionen zu verzeichnen – eine Rekordzahl, die uns große Sorgen macht", kommentiert Dr. Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa, die Zahlen. „Aufgrund all der Erkenntnisse über die Prävention und Bekämpfung von HIV, einschließlich der neuen Leitlinien für die Behandlung, appellieren wir an die Länder der Europäischen Region, entschlossene Maßnahmen zu ergreifen und die HIV-Epidemie ein für alle Mal zu besiegen."
"Seit 2004 haben sich die Raten der Neudiagnosen in einigen Ländern der EU und des EWR mehr als verdoppelt, während sie in anderen um 25% gesunken sind. Doch insgesamt gesehen dauert die HIV-Epidemie weitgehend unverändert an", erklärt die Geschäftsführende Direktorin des ECDC, Andrea Ammon. „Das bedeutet, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung von HIV in der EU und im EWR nicht ausreichend effektiv waren, um einen spürbaren Rückgang in den letzten zehn Jahren zu bewirken."
Soziale Ausgrenzung erhöht Gefahr einer HIV-Infektion für Flüchtlinge und Migranten
Während der letzten zehn Jahre ist die Zahl der HIV-Diagnosen bei Migranten in der Europäischen Region deutlich gesunken, und es gibt Hinweise darauf, dass sich ein erheblicher Anteil der Betroffenen nach der Ankunft in Europa mit dem Virus infiziert.
„Bei der Prävention und Versorgung im Bereich HIV bleiben Flüchtlinge und Migranten eine vorrangige Zielgruppe. Der Zugang von mit HIV lebenden Menschen zur Versorgung darf durch Konflikte und Katastrophen nicht beeinträchtigt werden. Wenn Flüchtlinge und Migranten in den Aufnahmeländern sozialer Ausgrenzung ausgesetzt sind, haben sie ein erhöhtes Risiko einer HIV-Infektion, was sie wiederum zu riskanten Verhaltensweisen veranlassen und damit eine weitere Erhöhung ihres Infektionsrisikos bewirken kann. Das Risiko wird durch einen unzureichenden Zugang zu Angeboten im Bereich HIV sowie durch die Angst vor Stigmatisierung verschärft", betont Dr. Jakab. „Wir bei der WHO fordern alle Länder der Europäischen Region eindringlich auf, allen Flüchtlingen und Migranten unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus Zugang zu den benötigten Leistungen im Bereich der HIV-Prävention sowie der Untersuchung und Behandlung zu gewähren. So kann auch die ortsansässige Bevölkerung am zuverlässigsten vor HIV-Infektion geschützt werden."
Geschlechtsverkehr zwischen Männern häufigster Übertragungsweg in EU- und EWR-Staaten
Trotz gezielter Präventionsprogramme in vielen Ländern Europas ist Geschlechtsverkehr zwischen Männern in den Staaten der EU und des EWR immer noch der häufigste Übertragungsweg für das HIV.
„Die Zahl der HIV-Diagnosen unter Männern mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten ist in besorgniserregendem Maße gestiegen – von 30% im Jahr 2005 auf 42% im Jahr 2014, und alle bis auf sechs Länder der EU und des EWR verzeichnen eine Zunahme", unterstreicht die Geschäftsführende Direktorin des ECDC, Andrea Ammon. „Europa muss seine Anstrengungen verstärken, um diese Gruppe zu erreichen. Dazu gehören die Prüfung neuer Strategien wie der Präexpositionsprophylaxe gegen HIV und der Zugang zur Versorgung für EU-Bürger, die in anderen EU-Staaten ansässig sind." In seinem neuen Leitfaden nennt das ECDC sieben wesentliche Angebote, die sich bei der Prävention von HIV-Infektionen unter Männern mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten als wirksam erwiesen haben.
Das Hindernis für die Beendigung von Aids: eine späte Diagnose
Fast die Hälfte der HIV-Infektionen in der Europäischen Region wird erst spät diagnostiziert; dadurch erhöhen sich die Risiken in Bezug auf Krankheit, Tod und HIV-Übertragung. Die hohe Zahl der Aids-Fälle im östlichen Teil der Europäischen Region bestätigt, welche wichtige Rolle eine späte HIV-Diagnose, eine verzögerte Einleitung der antiretroviralen Therapie (ART) und ein niedriger Versorgungsgrad spielen.
In den Ländern der EU und des EWR sinkt die Zahl der Aids-Fälle ständig. Doch zwei Drittel der im Jahr 2014 gemeldeten Aids-Diagnosen erfolgten zeitgleich mit oder nur kurz nach der HIV-Diagnose, was darauf hindeutet, dass das Immunsystem der Betroffenen zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr voll funktionsfähig war. Bei Migranten besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit einer späten Diagnose, doch nur die Hälfte der Länder der EU und des EWR gewähren irregulären Migranten eine kostenlose Behandlung.
Neue globale Leitlinien für HIV bewirken Verbesserung von Prävention und Behandlung
2015 veröffentlichte die WHO neue globale Leitlinien für die Prävention und Behandlung von HIV. Danach soll eine ART für alle mit HIV lebenden Personen unabhängig von ihrer CD4-Zellzahl eingeleitet werden. Es gibt inzwischen starke Indizien dafür, dass eine frühzeitige Behandlung der Gesundheit der behandelten Person zugute kommt und auch die Wahrscheinlichkeit einer Weiterübertragung des HIV senkt.
Doch die frühzeitigen Tests, die Unterstützung durch geschulte Laien und der mögliche Einsatz von HIV-Schnelldiagnosesets sollten ausgeweitet werden, um Infizierten diese neue Möglichkeit zu geben. So werden frühzeitigere Diagnosen und eine frühere Einleitung der Behandlung ermöglicht; das Ergebnis sind günstigere Verläufe mit weniger Erkrankungen und Todesfällen.