Neuer Bericht der WHO warnt vor Ausbreitung resistenter Bakterien in Krankenhäusern in der Europäischen Region

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Kopenhagen, 18. November 2016

Antibiotikaresistenz ist in der Europäischen Region ein weit verbreitetes Phänomen. Dabei breiten sich resistente Bakterien in Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen aus und bringen für die Patienten die Gefahr einer Ansteckung mit unheilbaren Krankheiten mit sich. So lautet das besorgniserregende Fazit des zweiten Berichts des Netzwerks CAESAR zur Surveillance antimikrobieller Resistenzen in Zentralasien und Osteuropa, den die WHO heute anlässlich der Weltantibiotikawoche 2016 präsentiert.

„Die Surveillance von Antibiotikaresistenzen ist das Rückgrat unserer gesamten Arbeit zur Verteidigung der Wirksamkeit von Antibiotika. Solange wir nicht wissen, wo Resistenzen auftreten, können wir keine Handlungsprioritäten setzen. Deshalb arbeiten wir durch das Netzwerk CAESAR gezielt darauf hin, die Datenerhebung in Bezug auf Antibiotikaresistenz auf Länder außerhalb der Europäischen Union auszuweiten“, erklärte Dr. Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa. „Die Erkenntnisse aus dem Bericht sind besorgniserregend: Aufgrund eines unsachgemäßen oder übermäßigen Gebrauchs von Antibiotika sowie Defiziten bei Infektionsschutz und -bekämpfung sind unsere Patienten in Krankenhäusern resistenten Bakterien ausgesetzt. Wir appellieren dringend an die Politik, sich diese Erkenntnisse zu vergegenwärtigen und ihre Reaktion auf eine der großen globalen gesundheitlichen Herausforderungen unserer Zeit zu forcieren.“

Dr. Andrea Ammon, die geschäftsführende Direktorin des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC), erklärte: „In den Ländern der Europäischen Union haben sich bei den meisten der überwachten Bakterien und Antibiotika die Resistenzen auch 2015 weiter ausgebreitet. Besonders besorgniserregend sind die Zunahme von Carbapenem-Resistenzen in Isolaten von Klebsiella pneumoniae sowie das Auftreten von Infektionen mit kombinierten Resistenzen gegenüber Carbapenemen und Colistin bei diesen Bakterien. Dies ist ein wichtiges Warnsignal, dass die Behandlungsoptionen heute noch enger begrenzt sind als in der Vergangenheit.“ Sie fügte hinzu: „Wir müssen zusammen mit Partnern in allen Teilen der Europäischen Region und weltweit beharrlich darauf hinarbeiten, die Wirksamkeit von Antibiotika zu erhalten.“

Wichtigste Ergebnisse aus dem CAESAR-Bericht

Die Zahl der Länder, die Daten über antimikrobielle Resistenzen (AMR) vorlegen, hat sich im zweiten CAESAR-Bericht von fünf auf sieben erhöht. Die aus Belarus, Bosnien und Herzegowina, der Russischen Föderation, der Schweiz, Serbien, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien und der Türkei sowie dem Kosovo* eingegangenen Daten lassen folgende Schlüsse zu:

  • In mehreren Ländern treten Mehrfachresistenzen – in Form von weit verbreiteten Carbapenem-Resistenzen bei Klebsiella pneumoniae und einem hohen Anteil von multiresistenten Acinetobacter spp. – in Gesundheitseinrichtungen auf. Auch wenn das genaue Ausmaß der Resistenz in vielen Ländern noch schwer zu bestimmen ist, so gibt es doch starke Anzeichen für die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Förderung eines verantwortungsbewussteren Umgangs mit Antibiotika sowie eines wirksameren Infektionsschutzes in Gesundheitseinrichtungen.
  • Eine weite Verbreitung von Resistenzen, wie sie oft in den südlichen und östlichen Ländern der Europäischen Union besteht, ist auch in den Ländern des Netzwerks CAESAR im östlichen Teil der Europäischen Region gegeben. Besonders besorgniserregend ist die weite Verbreitung von Resistenzen gegenüber sog. Reserve-Antibiotika in den CAESAR-Ländern, die die Frage nach der richtigen Behandlung für die infizierten Patienten aufwirft.

Wichtigste Entwicklungen in den Ländern

An dem Netzwerk CAESAR sind insgesamt 19 Länder außerhalb der Europäischen Union**  sowie das Kosovo* beteiligt, die sich in unterschiedlichen Stadien der Entwicklung und Beteiligung befinden. Einzelheiten:

  • Bisher haben 17 Länder und das Kosovo Aktionspläne gegen AMR ausgearbeitet oder sind dabei, dies zu tun;
  • 8 Länder und das Kosovo verfügen über Systeme für die AMR-Surveillance;
  • 16 Länder und das Kosovo haben Referenzlabore für AMR bestimmt oder sind dabei, dies zu tun;
  • 17 Länder und das Kosovo beteiligen sich an den externen Qualitätsbewertungen des CAESAR.

Das Ziel des CAESAR-Berichts besteht darin, jenen Ländern, die ihre nationalen Systeme für die Surveillance antimikrobieller Resistenzen auf- bzw. ausbauen, Orientierungshilfe und Inspiration zu geben und den internationalen Austausch von Daten zu fördern. Die WHO und ihre Partnerorganisationen sind auch weiterhin entschlossen, die Länder bei diesen Bemühungen zu unterstützen.

Weltantibiotikawoche 2016

Die Weltantibiotikawoche (WAAW) dient dazu, verstärkt für die weltweite Problematik der Antibiotikaresistenz zu sensibilisieren und für vorbildliche Praktiken zu werben, um die Entstehung und weitere Ausbreitung von Resistenzen zu verhindern. Dies ist eines der zentralen Ziele des globalen und des europäischen Aktionsplans gegen AMR. Im Mittelpunkt der diesjährigen zweiten WAAW steht das Gesundheitspersonal. Um dessen zentrale Rolle bei der Verteidigung der Wirksamkeit von Antibiotika hervorzuheben, hat das WHO-Regionalbüro für Europa mit Vertretern der Gesundheitsberufe aus allen Teilen der Europäischen Region gesprochen.

In der Europäischen Region wird mit der WAAW der Aktionsradius des Europäischen Antibiotikatages erweitert. Dieser ist eine vom ECDC koordinierte europaweite Initiative, die 2012 vom Regionalbüro auf Länder außerhalb der Europäischen Union ausgedehnt wurde.

Der neue Antibiotic Guardian in der Europäischen Region

Im Rahmen der WAAW hat das Regionalbüro eine russische Version der von Public Health England begonnenen Initiative „Antibiotic Guardian“ (dt. Antibiotika-Schützer) gestartet. Diese Online-Plattform bietet der Allgemeinheit sowie den Gesundheitsberufen und der Politik die Möglichkeit, ihre Unterstützung zu erklären und zu „Antibiotika-Schützern“ zu werden und so zur Erhaltung der Wirksamkeit von Antibiotika beizutragen.

Zwischen 2014 und 2016 gaben über 34 000 Personen aus dem Vereinigten Königreich und anderen Teilen der Welt durch die Website des Antibiotic Guardian ihr Versprechen ab. Inzwischen ist festzustellen, dass:

  • zwei Drittel der Teilnehmer berichten, sich stets an ihr Versprechen zu halten;
  • immer mehr Teilnehmer angeben, ein persönliches Verantwortungsgefühl zu verspüren, seitdem sie sich der Kampagne angeschlossen haben.

Während und nach der WAAW 2016 hat das Regionalbüro alle Bürger in der Europäischen Region dazu aufgefordert, zu Antibiotika-Schützern zu werden.

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* In Übereinstimmung mit Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen.

** Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Bosnien und Herzegowina, ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Montenegro, Republik Moldau, Russische Föderation, Schweiz, Serbien, Tadschikistan, Türkei, Turkmenistan, Ukraine und Usbekistan.