Die Hälfte aller Frauen mit HIV werden in der Europäischen Region erst spät diagnostiziert

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Kopenhagen/Stockholm, 28. November 2019

Viele Frauen in der Europäischen Region der WHO, insbesondere jene in den Vierzigern, werden erst in einem späten Stadium der HIV-Infektion diagnostiziert, wenn ihr Immunsystem bereits schwächelt. Sie werden drei- bis viermal häufiger spät diagnostiziert als jüngere Frauen. Daten aus dem Jahr 2018, die heute vom Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und dem WHO-Regionalbüro für Europa veröffentlicht wurden, zeigen, dass Frauen ein Drittel der 141 000 HIV-Neudiagnosen in der Region ausmachen. Dies deutet darauf hin, dass dieser Bevölkerungsgruppe in Bezug auf die Bemühungen bei Prävention und  HIV-Tests in der Europäischen Region mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muss.

Die HIV-Epidemie in der Region wird durch das anhaltende Problem der späten Diagnose angetrieben, von der 54% der bekannten Fälle unter Frauen betroffen sind. Dieser hohe Anteil der späten Diagnosen ist zum Teil auf die relativ geringe Verbreitung von HIV-Tests und die relativ geringe diesbezügliche Akzeptanz in der Europäischen Region zurückzuführen und ein Anzeichen dafür, dass sexuelle Risiken, einschließlich der Infektion mit HIV und anderen sexuell übertragenen Infektionen, bei älteren Erwachsenen nicht angemessen in Angriff genommen werden.
Im Jahr 2018 entfielen zwei Drittel (60%) der HIV-Diagnosen unter Frauen auf die Altersgruppe der 30-49-Jährigen. Heterosexueller Geschlechtsverkehr war dabei die häufigste Art der HIV- Übertragung (92%) unter Frauen in der Region.

Dr. Piroska Östlin, die kommissarische WHO-Regionaldirektorin für Europa, sagte hierzu:

„Die späte Diagnose bei Frauen deutet darauf hin, dass geschlechtersensible Beratung und Tests, einschließlich Informationen über die sexuelle Gesundheit, diese Bevölkerungsgruppe nicht erreichen. Es ist an der Zeit, das Schweigen über die sexuelle Gesundheit zu brechen, insbesondere im Hinblick auf HIV, und sicherzustellen, dass Frauen gut informiert und in der Lage sind, sich selbst zu schützen. Wenn wir das Ziel einer allgemeinen Gesundheitsversorgung verwirklichen wollen, müssen wir die Prävention, Behandlung und Versorgung von Frauen verbessern und die Zahl versäumter Gelegenheiten in Bezug auf HIV-Tests für Risikogruppen in Gesundheitseinrichtungen und der Gemeinschaft reduzieren.“

Dr. Vytenis Andriukaitis, Europäischer Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, betont:

„Zu viele Menschen, die mit HIV leben, sind sich ihres HIV-Status noch immer nicht bewusst. Je früher Frauen und Männer von ihrer HIV-Infektion wissen, desto schneller können sie mit einer antiretroviralen Behandlung beginnen und die sexuelle Übertragung von HIV unterbinden. Das macht einen erheblichen Unterschied im Leben der mit HIV lebenden Menschen und ihrer Mitmenschen. Es ist daher umso wichtiger, dass das öffentliche Gesundheitswesen einen leichten Zugang zu Tests und eine schnelle Verknüpfung mit einer entsprechenden Versorgung ermöglicht, insbesondere für infektionsgefährdete Menschen, um die Menschen schneller an den Punkt zu bringen, dass sie nicht länger ansteckend sind. Wir alle müssen unsere Anstrengungen zur Eindämmung und Umkehrung der HIV-Epidemie verstärken, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030 zu verwirklichen.“

Dr. Andrea Ammon, Direktorin des ECDC hebt hervor:

„In der Europäischen Region werden Frauen allgemein später diagnostiziert als Männer, und je älter sie werden, desto länger leben sie mit einer nicht diagnostizierten HIV-Infektion. Wir müssen besser verstehen, inwiefern und wo die derzeitigen Systeme versagen, damit wir die Bemühungen um HIV-Tests für Frauen und ältere Erwachsene angemessen intensivieren können. Die Diversifikation und Ergänzung der Testmöglichkeiten ist wahrscheinlich die beste Strategie, um ältere Erwachsene zu erreichen. Einer der wichtigsten Einflussfaktoren für das Testverhalten älterer Erwachsener ist denkbar einfach: das aktive Angebot von HIV-Tests durch Dienstleister im Gesundheitswesen.“

Im Jahr 2018 verzeichneten die Länder Zentraleuropas unter Frauen im Vergleich zu Männern nur knapp ein Sechstel der Diagnosen. In der Europäischen Union und dem Europäischen Wirtschaftsraum (EU/EWR) entfiel ein Drittel der Diagnosen auf Frauen. Die einzige Ausnahme bildet hierbei der östliche Teil der Europäischen Region, wo die Verteilung zwischen Frauen und Männern gleichmäßiger ausfällt und auf den 86% der insgesamt fast 50 000 Neudiagnosen unter Frauen im Jahr 2018 entfallen.

Verbesserung der Tests zur Ermöglichung einer bedarfsgerechten Behandlung

Eine frühzeitige HIV-Diagnose ist so wichtig, weil sie den Betroffenen einen früheren Therapiebeginn ermöglicht, was wiederum ihre Chancen auf ein langes und gesundes Leben erhöht. Darüber hinaus verringert sie das Risiko einer HIV-Übertragung auf andere, da eine effektive Behandlung zu einer nicht nachweisbaren Viruslast führt, das Virus also nicht mehr auf andere Personen übertragen werden kann.

Es sind erweiterte Strategien und Systeme notwendig, um HIV-Tests einer breiteren Masse zugänglich und insgesamt verbraucherfreundlicher zu machen und so eine frühzeitige Diagnose zu gewährleisten. Sowohl die Konsolidierten Leitlinien der WHO für die Durchführung von HIV- Selbsttests und die Benachrichtigung von Partnern als auch die evidenzbasierten Leitlinien des ECDC über integrierte Tests für HIV und Virushepatitis empfehlen innovative Ansätze, die auch Selbsttests und gemeindenahe Tests durch Laienanbieter im Rahmen der allgemeinen HIV- Testangebote umfassen.

Zu den erweiterten Strategien für eine frühzeitige Diagnose bei Frauen zählen etwa:

  • die Bewusstseinsschärfung unter Frauen und Leistungsanbietern im Gesundheitswesen;
  • das Angebot von Beratung und Tests abgestimmt auf die Bedürfnisse von Frauen;
  • die Benachrichtigung der Partner von mit HIV diagnostizierten Männern;
  • die Durchführung von HIV-Tests aufgrund des Vorliegens bestimmter Erkrankungen wie anderer sexuell übertragbarer Infektionen, Virushepatitis, Tuberkulose oder bestimmter Krebsarten;
  • das Angebot von Tests und Therapien in der Gemeinschaft und näher an der Bevölkerung.