WHO-Bericht über das Gesundheitsverhalten von 11–15-Jährigen in der Europäischen Region offenbart, dass immer mehr Jugendliche über psychische Probleme berichten
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Kopenhagen, 19. Mai 2020
Der Bericht enthält umfassende Daten über die körperliche Gesundheit, sozialen Beziehungen und das psychische Wohlbefinden von 227 441 Schulkindern im Alter von 11, 13 und 15 Jahren aus 45 Ländern. Er dient damit als Basislinie für die Messung der Auswirkungen von COVID-19 auf das Leben junger Menschen in zukünftigen Studien.
Ein heute vom WHO-Regionalbüro für Europa veröffentlichter neuer Bericht über die Studie zum Gesundheitsverhalten von Kindern im schulpflichtigen Alter (HBSC), der sich mit den gesundheitlichen und sozialen Verhaltensweisen von Schulkindern im Alter von 11, 13 und 15 Jahren aus 45 Ländern befasst, deutet auf eine Verschlechterung des psychischen Wohlbefindens von Jugendlichen in vielen Ländern im Zeitraum zwischen 2014 und 2018 hin.
„Dass eine zunehmende Zahl von Jungen und Mädchen in allen Teilen der Europäischen Region über psychische Probleme – etwa in Form von Niedergeschlagenheit, Nervosität oder Reizbarkeit – berichten, ist für uns alle ein Grund zur Besorgnis“, erklärt Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa. „Wie wir mit diesem zunehmenden Problem umgehen, wird sich über Generationen hinweg auswirken. Investitionen in die Jugend zum Beispiel durch die Gewährleistung, dass sie leichten Zugang zu auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Angeboten der psychischen Gesundheitsversorgung erhalten, werden sich dreifach auszahlen: durch gesundheitliche, soziale und ökonomische Zugewinne für die heutige Jugend, die Erwachsenen von morgen und zukünftige Generationen“, fügt Dr. Kluge hinzu.
Der Bericht mit dem Titel „Gesundheit und Wohlbefinden von Jugendlichen im Fokus“ zeigt, dass das psychische Wohlbefinden von Kindern sich verschlechtert, wenn sie älter werden. Dabei weisen Mädchen im Vergleich zu Jungen ein besonders großes Risiko auf, im Hinblick auf ihr psychisches Wohlbefinden schlecht abzuschneiden. Jeder vierte Jugendliche gibt an, mindestens einmal pro Woche mit Nervosität, Reizbarkeit oder Einschlafstörungen zu kämpfen zu haben.
Der Bericht macht deutlich, dass in Bezug auf das psychische Wohlbefinden zwischen den Ländern erhebliche Unterschiede bestehen. Dies zeigt, dass kulturelle, politische und wirtschaftlichen Faktoren eine Rolle bei der Förderung des psychischen Wohlbefindens spielen können.
Dem Bericht zufolge werden Jugendliche in etwa einem Drittel der Länder im Vergleich zu 2014 zunehmend durch Schularbeiten belastet und immer weniger junge Menschen gehen gerne zur Schule. In den meisten Ländern verschlechtern sich die schulischen Erfahrungen mit dem Alter: die Schulzufriedenheit und die von den Jugendlichen wahrgenommene Unterstützung durch Lehrer und Klassenkameraden sinkt mit der zunehmenden Belastung durch Schularbeiten.
Die Studie untersucht neben dem sich verändernden Bild des psychischen Wohlbefindens bei Jugendlichen in der Region auch die zunehmende Verwendung digitaler Technologien durch die Jugend. Diese Technologien können zweifelsohne positive Effekte haben, doch sie können auch zur Verschärfung von Anfälligkeiten beitragen und neue Bedrohungen verursachen. Hierzu zählt etwa Cyber-Mobbing, durch das insbesondere Mädchen unverhältnismäßig stark betroffen sind. Mehr als jeder zehnte Jugendliche gibt an, mindestens einmal in den vergangenen zwei Monaten Opfer von Cyber-Mobbing gewesen zu sein.
„Es ist besorgniserregend zu sehen, dass Jugendliche erklären, es sei mit ihrem psychischen Wohlbefinden nicht alles zum Besten bestellt. Wir müssen diese Botschaft ernst nehmen, denn die psychische Gesundheit ist ein wichtiger Teil der Gesundheit unserer Jugend“, erklärt Dr. Jo Inchley, internationale Koordinatorin der HBSC-Studie von der Universität Glasgow.
Risikobereitschaft, Ernährung und Bewegungsmangel weiterhin zentrale Herausforderungen
Der Bericht beschreibt die Ergebnisse der alle vier Jahre durchgeführten HBSC-Studie aus Ländern der Europäischen Region und Kanada. Zu den weiteren zentralen Erkenntnissen dieser jüngsten Studie zählen folgende:
- Riskantes Sexualverhalten gibt nach wie vor Anlass zur Sorge: Jeder vierte sexuell aktive Jugendliche hat ungeschützten Geschlechtsverkehr. Jeder vierte Junge (24%) und jedes siebte Mädchen (14%) im Alter von 15 Jahren ist eigenen Angaben zufolge sexuell aktiv.
- Alkohol- und Tabakkonsum gehen unter Jugendlichen zwar nach wie vor zurück, doch die Zahl der gegenwärtigen Alkohol- und Tabakkonsumenten ist unter 15-Jährigen noch immer hoch, wobei Alkohol weiterhin die am häufigsten konsumierte Substanz darstellt. Jede(r) fünfte 15-Jährige (20%) war in seinem bzw. ihrem bisherigen Leben bereits mindestens zweimal betrunken und bei nahezu jedem Siebten (15%) Jugendlichen diesen Alters war dies in den vergangenen 30 Tagen der Fall.
- Weniger als einer von fünf Jugendlichen erfüllt die Empfehlungen der WHO für körperliche Betätigung – seit 2014 sind die Zahlen in etwa einem Drittel der Länder insbesondere unter Jungen zurückgegangen. Besonders Mädchen und ältere Jugendliche verzeichnen einen zunehmenden Bewegungsmangel.
- Die meisten Jugendlichen halten sich nicht an die aktuellen Ernährungsempfehlungen und gefährden damit ihre gesunde Entwicklung. Etwa zwei Drittel der Jugendlichen verzehren nicht genügend nährstoffreiche Nahrungsmittel und jeder Vierte isst jeden Tag Süßigkeiten, während jeder Sechste jeden Tag zuckerhaltige Getränke konsumiert.
- Die Zahl der übergewichtigen bzw. adipösen Jugendlichen ist seit 2014 gestiegen: mittlerweile ist jeder fünfte Jugendliche betroffen, wobei die Zahlen bei Jungen und jüngeren Jugendlichen höher sind. Gleichzeitig nimmt sich jeder vierte Jugendliche selbst als zu dick war, insbesondere Mädchen.
Zeitgleich mit der Veröffentlichung der jüngsten HBSC-Studie, die Ergebnisse aus den Jahren 2017/2018 enthält, kämpft die Welt mit der COVID-19-Pandemie. Die nächste Studie mit Ergebnissen aus den Jahren 2021/2022 wird somit die Auswirkungen der Pandemie auf das Leben junger Menschen widerspiegeln.
„Die Vielzahl an Themen, die von der HBSC-Studie abgedeckt werden, geben wichtige Einblicke in das Leben von Jugendlichen heute und sollte uns zudem eine nützliche Basislinie für die Messung der Auswirkungen von COVID-19 auf Jugendliche liefern, wenn die Ergebnisse der nächsten Studie im Jahr 2022 veröffentlicht werden“, erklärt Martin Weber, Leiter des Programms für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen beim WHO-Regionalbüro für Europa. „Anhand eines Vergleichs der Daten werden wir messen können, in welchem Ausmaß und inwiefern sich längerfristige Schulschließungen und Ausgangssperren auf die sozialen Interaktionen junger Menschen sowie ihr körperliches und psychisches Wohlbefinden ausgewirkt haben.“
Die HBSC-Studie
Die HBSC-Studie verfolgt seit über 35 Jahren die Erfahrungen junger Menschen und ist ein wichtiges Instrument, um die erzielten Fortschritte im Hinblick auf eine Vielzahl von gesundheitlichen und sozialen Indikatoren zu identifizieren und Problembereiche hervorzuheben, die möglicherweise aufeinander abgestimmte Handlungskonzepte und praktische Interventionen erforderlich machen.
Die HBSC-Daten werden auf nationaler, regionsweiter und internationaler Ebene genutzt, um neue Erkenntnisse über Gesundheit und Wohlbefinden von Jugendlichen zu gewinnen, die sozialen Determinanten von Gesundheit besser zu verstehen und die Gestaltung von Politik und Praxis zur Verbesserung des Lebens junger Menschen in allen Teilen der Europäischen Region und Kanada zu inspirieren.
Das Internationale Koordinationszentrum der HBSC-Studie ist an der Universität Glasgow (Vereinigtes Königreich) angesiedelt. Weitere Informationen zur Studie und den teilnehmenden Ländern finden Sie unter www.hbsc.org.