Ein Handlungsappell: Nationale Regierungen und internationale Gemeinschaft müssen jetzt handeln
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Kopenhagen, 16. März 2021
Heute hat die Paneuropäische Kommission für Gesundheit und nachhaltige Entwicklung an Regierungen, maßgebliche wirtschaftliche und soziale Akteure sowie internationale Organisationen appelliert, ihre allgemeinen politischen Prioritäten zu überdenken, ihre Investitionen in die Gesundheits- und Sozialsysteme zu erhöhen und deren Reformierung zu forcieren und auf globaler Ebene den Umgang mit öffentlichen Gütern wie Gesundheit und Umwelt zu verbessern.
Wenn diese drei Ziele nicht energisch verfolgt werden, ist nicht zu erwarten, dass die Welt weitere verheerende Pandemien oder sonstige globale Gesundheitskrisen vermeiden kann.
Die COVID-19-Pandemie hat uns auf drastische Weise die Ungleichheiten und tiefen Gräben vor Augen geführt, wie sie in vielen Gesellschaften bestehen. Sie hat verdeutlicht, dass unsere Gesundheits-, Finanz-, Wirtschafts- und Sozialsysteme schlecht vorbereitet und unzureichend ausgerüstet waren, um SARS-CoV-2 wirksam zu bekämpfen.
Fünf Monate nach ihrer ersten Sitzung hat die Kommission nun diesen Handlungsappell – das erste Ergebnis ihrer Arbeit – veröffentlicht, der in die übergeordnete Debatte auf nationaler und supranationaler Ebene zu der Frage einfließen soll, wie an den tief verwurzelten Rahmenbedingungen angesetzt werden soll, die dazu geführt haben, dass die COVID-19-Pandemie solch beispiellosen Schaden an Menschenleben und Volkswirtschaften anrichten konnte. Er gibt Empfehlungen dazu, wie wir Gesundheit und nachhaltige Entwicklung jetzt als vorrangige Aufgabe behandeln müssen, um unsere Systeme und Gesellschaften für die nächsten Jahrzehnte auf den richtigen Weg zu bringen.
Die wichtigsten Vorschläge in diesem Handlungsappell lauten:
- Bestimmung, Bewertung und Bekämpfung von Risiken aus menschlichen Aktivitäten, einschließlich des Klimawandels, neu entstehender Zoonosen und antimikrobieller Resistenzen, durch Einrichtung einer Zwischenstaatlichen Sachverständigengruppe für Gesundheitsgefahren;
- Behebung von Rissen in der Gesellschaft und Wiederherstellung des Vertrauens in die Institutionen durch Ermittlung und Einbeziehung benachteiligter Gruppen und Verbesserung des Zugangs zu Gesundheits- und Sozialleistungen;
- Anerkennung der Tatsache, dass Ausgaben für Gesundheits- und Sozialwesen sowie Bildung und Forschung Investitionen in das menschliche und intellektuelle Kapital darstellen, das den Fortschritt befördert; konkret Einbeziehung von Risiken in Verbindung mit dem einheitlichen Gesundheitsansatz (Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt) in die Risikoanalysen der internationalen Finanzinstitutionen, der staatlichen Behörden und des Finanzwesens;
- Schaffung eines Globalen Gesundheitsrates auf Ebene der G20 nach dem Vorbild des Rates für Finanzstabilität, um Anfälligkeiten zu bestimmen, die die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt bedrohen, und Eintreten für einen Internationalen Pandemievertrag; und
- Förderung der Entdeckung und Entwicklung von Medikamenten, medizinischen Technologien, digitalen Lösungen und organisatorischen Innovationen und Verbesserung der Transparenz öffentlich-privater Partnerschaften.
Die Arbeit der Kommission wird in einem Bericht münden, der im September 2021 veröffentlicht werden und Empfehlungen für Investitionen und Reformen zur Verbesserung der Gesundheits- und Sozialsysteme enthalten soll.
Mario Monti, Vorsitzender der Paneuropäischen Kommission für Gesundheit und nachhaltige Entwicklung, Präsident der Bocconi-Universität (Italien) und ehemaliger Ministerpräsident Italiens:
„Wir appellieren an führende Politiker und internationale Organisationen, die Risse in unseren Gesellschaften zu schließen und nicht länger die Augen vor den Zuständen zu verschließen, die es dem neuartigen Coronavirus ermöglicht haben, weltweit so gravierende Schäden anzurichten. Dazu müssen sich einige Dinge ändern: von der Sicht des Gesundheits- und Sozialwesens in unseren Gesellschaften bis zu der Frage, ob die Finanzsysteme Umwelt- und Gesundheitsrisiken ausreichend berücksichtigen und wie die globale Politik auf die zunehmend zentrale Rolle öffentlicher Güter reagieren soll. Wir haben die Wahl: entweder ignorieren wir die Anzeichen und laufen damit Gefahr, bei künftigen Pandemien noch härter getroffen zu werden; oder wir nehmen die Warnungen ernst und setzen die Lehren in die Tat um.“
Tarja Halonen, ehemalige Präsidentin der Republik Finnland:
„Diese Pandemie hat uns die Schwächen unserer Gesellschaften in Bezug auf politische und gesellschaftliche Resilienz vor Augen geführt. Aus vergangenen Erfahrungen wissen wir, dass uns nur ein begrenztes Zeitfenster bleibt, um die überfälligen Veränderungen herbeizuführen. Wir müssen jetzt den politischen Willen und Rückenwind nutzen, um die Resilienz unserer Gesellschaft zu stärken, damit sie künftigen Pandemien standhalten kann.“
Roza Otunbayeva, ehemalige Präsidentin der Kirgisischen Republik:
„COVID-19 hat uns die Ungleichheiten in unseren Gesellschaften schmerzlich vor Augen geführt. Die Schaffung eines Zugangs zu hochwertigen Gesundheitsleistungen für alle und die Gewährleistung einer gleichberechtigten Beteiligung an Entscheidungsprozessen werden erheblich dazu beitragen, das Vertrauen in die Institutionen wiederherzustellen, sozialen Zusammenhalt zu schaffen, Wirtschaftswachstum zu fördern und den Menschen mehr Sicherheit und Hoffnung zu geben. Eine allgemeine Gesundheitsversorgung ist das Herzstück nachhaltiger Gesellschaften.“
Hans Henri P. Kluge, WHO- Regionaldirektor für Europa:
„Ich begrüße den Handlungsappell der Kommission. Sie wurde mit der Aufgabe betraut, die Gesundheitspolitik zu überdenken und dabei weit über den vor der Pandemie herrschenden Gesundheitsbegriff hinauszugehen. Mir ist insbesondere daran gelegen, dass öffentliche Gesundheit nicht mehr als Randthema behandelt wird. Mehr als ein Jahr nach Beginn einer gesundheitlichen Notlage, die unsere Gesellschaften bis ins Mark erschüttert hat, muss uns allen klar sein, dass Gesundheit eine Investition ist, die den Fortschritt befördert. Diese erste Anleitung von der Kommission, die eine zentrale Rolle im Europäischen Arbeitsprogramm spielt, ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass wir gemeinsam für mehr Gesundheit eintreten.“
Die Paneuropäische Kommission für Gesundheit und nachhaltige Entwicklung
Die Paneuropäische Kommission für Gesundheit und nachhaltige Entwicklung ist eine vom WHO-Regionalbüro für Europa auf Betreiben seines Regionaldirektors Hans Kluge einberufene unabhängige fachübergreifende Gruppe von Führungspersönlichkeiten mit dem Auftrag, politische Prioritäten im Lichte von Pandemien zu überdenken.
Die Kommission setzt sich aus ehemaligen Staats- und Regierungschefs, namhaften Biowissenschaftlern und Ökonomen, Leitern von gesundheitlichen und sozialen Einrichtungen sowie Führungspersönlichkeiten aus Privatwirtschaft und Finanzinstitutionen aus der gesamten Europäischen Region der WHO zusammen, die über ein außerordentliches Maß an Sachverstand und Erfahrung verfügen.
Den Vorsitz über die 19-köpfige Kommission führt Mario Monti, Präsident der Bocconi-Universität und ehemaliger Ministerpräsident Italiens sowie früheres Mitglied der Europäischen Kommission. Elias Mossialos, Gründer und Leiter der Fakultät für Gesundheitspolitik an der London School of Economics and Political Science, ist der Wissenschaftliche Koordinator der Kommission. Deren Arbeit wird unterstützt von einem Wissenschaftlichen Beirat unter dem Vorsitz von Martin McKee, Professor für öffentliches Gesundheitswesen in Europa an der London School of Hygiene & Tropical Medicine und Forschungsleiter am Europäischen Observatorium für Gesundheitssysteme und Gesundheitspolitik.