Déclaration – Aktuelles über COVID-19: WHO/Europa ruft in Bezug auf Langzeitfolgen einer COVID-Erkrankung/„Long COVID“ zum Handeln auf
Presseerklärung von Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa
25. Februar 2021
Guten Morgen.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt beläuft sich die Zahl der bislang in der Europäischen Region der WHO gemeldeten COVID-19-Fälle auf nahezu 38 Mio. und die Zahl der Todesfälle auf 850 000.
Das SARS-CoV-2-Virus breitet sich noch immer stark in allen Teilen der Region aus, wobei zwei besorgniserregende Varianten weiterhin andere Varianten verdrängen und sich so weiter ausbreiten und uns weiter dazu herausfordern, mehr zu unternehmen.
Die zweite Woche in Folge wurden dank der anhaltenden Verlangsamung der Übertragung in der gesamten Region erneut weniger als 1 Mio. neue Fälle gemeldet. Der Rückgang der Zahl der neuen Fälle im vergangenen Monat wird von den Ländern angetrieben, die neue Maßnahmen ergriffen haben, um die Übertragung zu verlangsamen.
Die Zahl der neu gemeldeten Fälle ist seit Ende 2020 um fast die Hälfte zurückgegangen. Dies muss jedoch relativiert werden: die Zahl der neuen Fälle in der Region ist jetzt zehnmal höher als sie es im vergangenen Mai war. Und es trifft noch immer zu, dass die meisten Länder in allen Teilen der Region sehr hohe oder hohe Übertragungsraten von Mensch zu Mensch aufweisen.
Ich weiß, dass viele von Ihnen sehnlich darauf warten, dass wir zu einer neuen Normalität zurückkehren können, in der wir nicht länger durch die Übertragung eines tödlichen Virus oder durch Maßnahmen eingeschränkt werden, die unsere Freiheiten beschränken.
Andere, insbesondere ein großer Teil jener Menschen, die eine Infektion mit COVID-19 überlebt haben, fragen, wann ihre Gesundheit vollständig wiederhergestellt sein bzw. ob dies irgendwann der Fall sein wird. Ich spreche über die Tausenden, die mit den Langzeitfolgen einer COVID-Erkrankung, auch als „Long COVID“ oder Post-COVID-Syndrom bezeichnet, zu kämpfen haben.
Heute möchten wir darüber aufklären, dass bei einigen Patienten die Invalidität nach einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus monatelang anhält, mit schwerwiegenden sozialen, wirtschaftlichen, gesundheitlichen und beruflichen Folgen.
Dies stellt eine reale und erhebliche Belastung dar: etwa jeder zehnte an COVID-19 Erkrankte fühlt sich auch nach zwölf Wochen weiterhin unwohl, und viele deutlich länger.
Wie mit jeder neuen Krankheit gab und gibt es bei COVID-19 weiterhin viele Unbekannte. Im Laufe der Pandemie haben Fachkräfte und Patienten gleichermaßen anhand ihrer Erfahrungen einen Weg durch das Dunkel abgebildet. Doch kamen rasch Geschichten über jene auf, die sich längst erholt haben sollten, deren Leben aber noch immer von kräftezehrenden Symptomen belastet wurde. Bedauerlicherweise wurde einigen von ihnen Unglaube oder Unverständnis entgegengebracht.
Wir müssen einander zuhören und wir müssen Verständnis zeigen und aufbauen. Betroffene, die an Langzeitfolgen einer COVID-Erkrankung leiden, müssen gehört werden, wenn wir die langfristigen Folgen und die Erholung von COVID-19 verstehen wollen. Dies ist eine eindeutige Priorität für die WHO und von größter Bedeutung. Und das sollte sie für jede einzelne Gesundheitsbehörde sein.
Wir haben nicht alle Antworten. Noch wissen wir nicht, welcher Anteil an Patienten von diesen Langzeitfolgen betroffen ist. Aber wir lernen schnell.
Zu Beginn dieses Monats führte die WHO eine Konsultation zu den Langzeitfolgen einer COVID Erkrankung durch, unter Schwerpunktlegung auf Erkennung, Erforschung und Rehabilitation. Mit zunehmendem Wissen müssen wir sicherstellen, dass Patienten mit Verdacht auf eine COVID-19-Erkrankung oder einer bestätigten Erkrankung, die unter anhaltenden Symptomen leiden – unabhängig davon, ob dies neue oder sich verändernde Symptome sind – Zugang zur Nachsorge erhalten. In dieser Hinsicht spielt die primäre Gesundheitsversorgung eine besonders wichtige Rolle.
Am heutigen Tag ergänzen wir bereits veröffentlichte Empfehlungen durch eine neue Ressource für Entscheidungsträger, in der näher darauf eingegangen wird, was wir über diese Langzeitfolgen wissen und welche Maßnahmen und Handlungskonzepte uns zur Verfügung stehen. Prof. Martin McKee wird sich in Kürze hierzu äußern.
Ich fordere die Länder und Institutionen in der Europäischen Region auf, sich im Rahmen einer integrierten Forschungsagenda unter Nutzung einheitlicher Werkzeuge zur Datenerfassung und einheitlicher Studienprotokolle zusammenzuschließen. Dies wird entscheidend sein, um die Wirkung von Behandlungsansätzen zu maximieren und die langfristigen Resultate für die Patienten zu verbessern.
In einem nächsten Schritt werde ich die obersten Gesundheitsbeamten aller 53 Länder in der Europäischen Region zusammenbringen, um eine regionsweite Strategie zur Verwirklichung dieser Zielsetzung zu erarbeiten.
Entscheidend hierfür ist es, jenen, die unter den Langzeitfolgen einer COVID-Erkrankung leiden, Gehör zu schenken. Uns heute zugeschaltet ist auch Richard Roels aus dem Vereinigten Königreich, der im vergangenen März an COVID-19 erkrankte. Richard, vielen Dank, dass Sie heute hier bei uns sind.