Ansprache von Dr. Margaret Chan, WHO-Generaldirektorin
Herr Vorsitzender, Exzellenzen, meine Damen und Herren Minister, sehr geehrte Delegierte, liebe Kollegin Frau Jakab, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Seit Beginn dieses Jahrhunderts, als die Millenniums-Entwicklungsziele in den Mittelpunkt der Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft zur Linderung menschlichen Elends rückten, hat sich die Welt dramatisch verändert.
Damals wurde davon ausgegangen, dass für dieses Elend eine Reihe konkreter Hauptursachen verantwortlich seien, namentlich Armut, Hunger, unzureichende Wasserver- und Abwasserentsorgung, bestimmte Infektionskrankheiten und das Fehlen einer elementaren Gesundheitsversorgung in der Kindheit sowie während Schwangerschaft und Entbindung.
Die Ergebnisse dieser zielgerichteten Anstrengungen – und die gesamten davon ausgehenden Energien, Ressourcen und Innovationen – haben die kühnsten Träume vieler Menschen übertroffen. Sie haben eindrucksvoll die Macht der Solidarität unter Beweis gestellt und die beste Seite der menschlichen Natur herausgekehrt.
Ich persönlich war nicht allzu optimistisch über die Aussichten auf Erfüllung der Millenniums-Entwicklungsziele 4 und 5 – bis die spektakulären Ergebnisse der Strategie „Jede Frau, jedes Kind" sichtbar wurden.
Einige der stärksten Befürworter dieser Strategie sind heute in diesem Saal anwesend.
Und ich sehe keine Anzeichen für ein Nachlassen der durch das Bekenntnis zu den Millenniums-Entwicklungszielen getriebenen Dynamik hin zu mehr Gesundheit.
Im Gegenteil: Eines der besten Anzeichen für den Erfolg der gesundheitsbezogenen Ziele ist die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten nun neue Strategien und Aktionspläne mit noch ehrgeizigeren Zielen verabschieden.
Zu diesen zählen die Beendigung der HIV- und Tuberkuloseepidemie, die Eliminierung der Malaria in einer großen Zahl von Ländern und die Verhinderung vermeidbarer Todesfälle bei Müttern, Neugeborenen und Kindern.
Ende dieses Monats soll die Generalversammlung der Vereinten Nationen die neue Agenda für eine nachhaltige Entwicklung verabschieden. Diese beinhaltet gegenwärtig 17 Ziele, darunter eines zum Thema Gesundheit, und insgesamt 169 Zielvorgaben. Die Einflussfaktoren, die heute das Wohlbefinden der Menschen und unseres Planeten bestimmen, lassen sich nicht mehr so eindeutig eingrenzen. Die Agenda hat es mit einer grundlegend anderen Welt zu tun.
Immer mehr erleben wir die schlimmste Seite der menschlichen Natur: internationaler Terrorismus, wahllose Massenmorde, Bombenanschläge auf Märkte und religiöse Stätten, die sinnlose Zerstörung archäologischer Denkmäler von unschätzbarem Wert und scheinbar endlose bewaffnete Konflikte, die die schlimmste Flüchtlingskrise seit Ende des Zweiten Weltkrieges ausgelöst haben.
Ihre Regionaldirektorin hat eine Erklärung über die gesundheitlichen Bedürfnisse von Flüchtlingen und Migranten veröffentlicht. Ihrer Einschätzung kann ich mich nur voll und ganz anschließen. Ich bin sicher, dass diese Thematik – Migration und Gesundheit – in der WHO weiterhin für lebhafte Diskussionen sorgen wird.
Meine Damen und Herren!
Seit Beginn dieses Jahrhunderts sind neuere Bedrohungen für die Gesundheit in den Vordergrund gerückt.
Wie die anderen Probleme, die die Aussichten der Menschheit auf eine nachhaltige Zukunft trüben, sind auch diese neueren Bedrohungen für die Gesundheit erheblich größer und komplexer als jene, die vor 15 Jahren im Zentrum der gesundheitspolitischen Agenda standen.
Chronische nichtübertragbare Krankheiten haben die Infektionskrankheiten als die weltweit häufigsten Todesursachen abgelöst.
Wenige der Gesundheitssysteme in der Welt sind für die Bewältigung chronischer, teilweise sogar lebenslanger Erkrankungen konzipiert. Noch weniger sind die Ärzte für ihre Prävention ausgebildet.
Und die wenigsten Regierungen können sich ihre Behandlung leisten. So kostete beispielsweise jedes im Jahr 2014 von der Arzneimittelbehörde in den Vereinigten Staaten zugelassene Krebsmedikament 120 000 US-$ pro Patient pro Jahr. Viele dieser Behandlungen verlängern das Leben um nur ein paar Monate.
Unser Klima verändert sich. Die Schätzungen der WHO in Bezug auf die Mortalität aufgrund von Luftverschmutzung, der größten einzelnen umweltbedingten Gefahr in der Europäischen Region, haben der Gesundheit endlich einen Platz in der Debatte über die Folgen des Klimawandels verschafft.
Der vergangene Juli war im weltweiten Durchschnitt der wärmste Monat seit mindestens 1880, als Wissenschaftler mit systematischen Wetteraufzeichnungen begannen. Auch die Tausenden von Todesfällen infolge von Hitzeperioden in Indien und Pakistan in diesem Jahr haben der Welt die schweren gesundheitlichen Folgen extremer Wetterereignisse vor Augen geführt.
Im Dezember findet in Paris die 21. Tagung der Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen statt.
Viele Beobachter sehen diese Konferenz als unsere historische Chance an, zu verhindern, dass wir der nächsten Generation einen ruinierten Planeten hinterlassen.
Die Medizin verliert immer mehr grundlegende antimikrobielle Mittel, da Erreger Resistenzen entwickeln. Neue „Superbakterien" verbreiten Angst und Schrecken in Krankenhäusern und auf Intensivstationen, auch hier in der Europäischen Region. Gonorrhö ist inzwischen gegen zahlreiche Klassen von Medikamenten resistent.
In Teilen von Afrika und Asien breitet sich ein multiresistenter Typhuserreger epidemieartig aus. In der Europäischen Region wie auch in anderen Regionen der Welt können nur die Hälfte aller Fälle von multiresistenter Tuberkulose erfolgreich behandelt werden.
Ich bin einigen der in diesem Saal vertretenen Regierungen dafür dankbar, wie sie sich dieser durch antimikrobielle Resistenz bedingten Krise entschlossen gestellt und dabei Führungskompetenz und den nötigen Innovationsgeist bewiesen haben.
Durch die Europäische Kommission reagiert die Europäische Region auch auf die Notwendigkeit der Schaffung von Anreizen für Forschung und Entwicklung im Hinblick auf die Ersetzung mittlerweile untauglicher Produkte.
Meine Damen und Herren!
Bitte unterschätzen Sie nicht die Herausforderungen, die vor uns liegen.
Denn es ist schwieriger, unsere Kinder vor Werbung für ungesunde Lebensmittel und Getränke zu schützen, als sie vor impfpräventablen Krankheiten zu bewahren.
Ebenso ist es schwieriger, die Länder davon zu überzeugen, ihre Treibhausgasemissionen zu senken, als Brunnen zu graben oder Latrinen auszuheben.
Und es ist auch schwieriger, die Lebensmittelindustrie dazu zu veranlassen, ihren massiven Einsatz von Antibiotika zu reduzieren, als sie zur Spende von Medikamenten gegen Lepra oder Flussblindheit zu bewegen.
All diese neueren Anstrengungen können auf den erbitterten Widerstand mächtiger Akteure aus der Wirtschaft und ihrer ebenso mächtigen Interessenverbände stoßen. Wirtschaftliche Macht bedeutet meist auch politische Macht.
Diese neueren Bedrohungen passen nicht so einfach in das biomedizinische Modell, das traditionell die Handlungskonzepte der Gesundheitspolitik geprägt hat. Denn ihre Grundursachen liegen außerhalb des traditionellen Aktionsradius des Gesundheitsschutzes.
Sie liegen auch außerhalb des traditionellen Aktionsradius souveräner Staaten, die es gewohnt sind, auf ihrem Staatsgebiet das Geschehen zu kontrollieren. In einer von einer radikal erhöhten Interdependenz geprägten Welt gibt es nur grenzüberschreitende Bedrohungen.
Die globalisierte Vermarktung ungesunder Produkte macht nicht vor Staatsgrenzen Halt. Ein sich veränderndes Klima hat naturgemäß Auswirkungen auf den gesamten Planeten.
Malaria, Tuberkulose und Bakterien, die das NDM-1-Enzym tragen, haben uns auf drastische Weise vor Augen geführt, dass medikamentenresistente Erreger sich mit Leichtigkeit in der Welt ausbreiten.
Meine Damen und Herren!
Viele der Risikofaktoren für nichtübertragbare Krankheiten sind durch das Verhalten multinationaler Konzerne bedingt.
Im Interesse der Prävention stehen die notorisch unterfinanzierten Gesundheitsministerien, die in Kabinettssitzungen oft am unteren Ende des Tisches sitzen, nun vor der Herausforderung, das Verhalten der Unternehmen zu verändern. Was für eine Aufgabe!
Laut Daten der Weltbank aus dem Jahr 2011 sind über 60% der 175 weltweit größten wirtschaftlichen Akteure Unternehmen – und nicht Staaten. Die Daten belegen auch, dass diese Machtkonzentration rapide zunimmt.
Diese neue Verteilung der Macht wirft eine Frage auf, die für die Gesundheit im Zeitalter der nachhaltigen Entwicklung zentral entscheidend ist: Wer bestimmt eigentlich die Politik, die unsere Gesundheit prägt?
Sind es die demokratisch gewählten Vertreter, die im öffentlichen Interesse handeln? Oder die multinationalen Konzerne, die in ihrem eigenen Interesse handeln? Oder beides zusammen, also Regierungen, die unter massiver Einflussnahme von Wirtschaftsverbänden Politik machen?
Ich appelliere eindringlich an Sie, auch in Zukunft unermüdlich für eine konsequente staatliche Politik einzutreten. Die Gesundheitsministerien prüfen stets die vorhandene medizinische und wissenschaftliche Evidenz. Aber die Finanz- und Handelsministerien hören oft auf andere Stimmen.
So ist beispielsweise die Stärkung der Umsetzung des Rahmenübereinkommens der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs ein Thema auf Ihrer Tagesordnung.
Länder, die ihre Bürger durch größere bildliche Warnhinweise auf Zigarettenpackungen oder durch die Einführung neutraler Verpackungen schützen wollen, werden oft von der Aussicht auf die von der Tabakindustrie angedrohten langwierigen und kostspieligen Prozesse abgeschreckt.
Mit Hilfe von Mechanismen zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten werden Regierungen wegen Tabakgesetzen verklagt, die sich negativ auf die Gewinne der Industrie auswirken. So hat etwa Australien bisher fast 50 Mio. A$ aufgewandt, um seine gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf eine obligatorische Einführung neutraler Verpackungen zu verteidigen.
Wir müssen dieses Geschehen mit größter Aufmerksamkeit verfolgen. Denn hier steht nicht weniger auf dem Spiel als das souveräne Recht eines jeden Staates, Gesetze zu erlassen, die seine Bürger vor Schaden bewahren.
Erfreulich ist hingegen, dass die Toleranz von Öffentlichkeit und Presse für das Gebahren der Konzerne offenbar auch irgendwann an Grenzen stößt.
So war im vergangenen Monat in der New York Times ein Artikel auf der ersten Seite zu lesen, in dem enthüllt wurde, wie ein riesiger Softdrink-Konzern Wissenschaftler dafür bezahlt, die Verantwortung für Adipositas von zuckerhaltigen Getränke abzulenken.
Denn nach Aussage des neu gegründeten Global Energy Balance Network liegt die wahre Ursache für Adipositas im Bewegungsmangel. Das Network wird von dem Getränkehersteller finanziert.
Es verweist auf „deutliche Indizien" dafür, dass der Schlüssel zur Verhinderung von Gewichtszunahme nicht in einer Reduzierung der Kalorienzufuhr, sondern in der Annahme eines aktiven Lebensstils bei gleichzeitig erhöhter Kalorienzufuhr liege. Die hier zitierten „deutlichen Indizien" stammten aus zwei Studien, die von eben diesem Getränkehersteller finanziert wurden.
Sie werden auf dieser Tagung auch über eine Strategie zur Bewegungsförderung in der Europäischen Region für die nächsten zehn Jahre beraten. Wie in dieser Strategie erwähnt wird, bringt Bewegung vielerlei Nutzen, der weit über die Verhinderung von Gewichtszunahme hinausreicht.
Es war ein weiser Entschluss, Ihr Arsenal an Präventionsinstrumenten um eine solche Strategie zu erweitern.
Denn wie darin erläutert wird, sind in 47 Ländern (auf die 87% der Bevölkerung der Europäischen Region entfallen) mehr als 50% der Erwachsenen übergewichtig oder adipös. In einigen dieser Länder liegt die Rate bei nahezu 70% der erwachsenen Bevölkerung.
Doch Bewegung allein reicht nicht aus, um die Adipositasepidemie in der Europäischen Region wirksam zu bekämpfen.
Wie die WHO-Kommission für die Beseitigung der Adipositas im Kindesalter in diesem Jahr öffentlich erklärte, reicht die Bekämpfung des adipogenen Umfelds zwar nicht aus, doch ist ein Konzept, das dieses Umfeld nicht ins Visier nimmt, zum Scheitern verurteilt.
Die Kommission hat eine Vielzahl von Einflussfaktoren genannt, die zur Erklärung der Tatsache beitragen können, dass Adipositas unter Kindern in allen Ländern auf dem Vormarsch ist.
Doch sie hat mit besonderem Nachdruck auf eine besonders verheerende Kraft hingewiesen: die weltweite Vermarktung ungesunder Lebensmittel und Getränke.
Die Mitglieder der Kommission bezeichneten die Erkenntnisse über ihre Auswirkungen auf die Adipositas unter Kindern als „eindeutig".
Dieses Beispiel wirft eine entscheidende Frage auf:
Lässt sich die Wissenschaft dafür kaufen, den Machenschaften der Industrie einen respektablen Anschein zu geben und dabei die vorhandenen Erkenntnisse zu verzerren, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen und ihre Bedenken zu zerstreuen?
Findet die vorliegende Evidenz ihren Niederschlag in gesundheitlichen Ratschlägen, oder kann der Meistbietende auf ihren Inhalt Einfluss nehmen?
Die Tabakindustrie jedenfalls hat sich dieser Taktik jahrelang mit Erfolg bedient. Doch wir wollen hoffen, dass sich die Welt inzwischen verändert hat.
Die Gründung des Global Energy Balance Network löste in den gedruckten wie auch in den sozialen Medien einen Sturm der Entrüstung aus. Wir brauchen das Gewicht der öffentlichen Meinung und gelegentlich der Empörung der Bürger auf unserer Seite, wenn wir den Menschen dabei helfen wollen, die richtigen Entscheidungen in Bezug auf ihren Lebensstil zu treffen.
Meine Damen und Herren!
Die Europäische Region war von jeher richtungsweisend für die WHO. Viele ihrer Pionierleistungen bilden die Grundlage für die Reaktion auf neue gesundheitliche Herausforderungen im Zeitalter der nachhaltigen Entwicklung.
Wie es in einem Ihrer Dokumente zum Ausdruck kommt, sind komplexe gesundheitsrelevante Probleme ohne einen ressortübergreifenden Ansatz nicht lösbar.
Ihre Region hat sich als erste mit lebensstilbedingten Krankheiten auseinandergesetzt, als erste über Wege zur Veranlassung von Verhaltensänderungen nachgedacht und als erste die sozialen Determinanten von Gesundheit thematisiert.
Schon früh hat Ihre Region Umweltgefahren als eine vorgelagerte Ursache von Krankheit erkannt und mit ihrer systematischen Bekämpfung begonnen.
Mit der bahnbrechenden Charta von Tallinn gehörten die Mitgliedstaaten in der Europäischen Region zu den Ersten, die überzeugende ökonomische Argumente für Investitionen in die Gesundheitssysteme formulierten.
Die Europäische Region hat Schlagwörter wie „Gesundheit in allen Politikbereichen" und „gesamtstaatlicher Ansatz" in die gesundheitspolitische Debatte eingebracht. „Gesundheit 2020" hat sich diese Errungenschaften zunutze gemacht. Sie unterstreichen das Bekenntnis zu Chancengleichheit und Solidarität als den prägenden Werten der Europäischen Region.
Doch Sie haben auch andere Aktivposten.
Das erste mobile Labor, das kurz nach Beginn des Ebola-Ausbruchs in Guinea eingerichtet wurde, stammte aus der Europäischen Region. Zur Bewältigung der Krise haben ihre Länder Gesundheitspersonal, Logistiker, Ingenieure, Führungskräfte, Fahrzeuge, Hilfsgüter, militärisches Personal und jede Menge Geld beigetragen.
Nichtstaatliche und gemeinnützige Organisationen aus Ihren Ländern haben den Großteil der klinischen Versorgung und der Betreuung geleistet.
Die zuständigen Behörden in Ihren Ländern waren dabei behilflich, die die Probleme bei den medizinisch notwendigen Evakuierungen zu bewältigen, die zuvor so viele Länder von der Entsendung von Ärzteteams abgehalten hatten.
Der Ausbruch ist noch nicht überstanden, aber wir sind sehr nahe dran. Wir befinden uns in einer Phase, in der wir die letzten Übertragungsketten aufspüren und durchbrechen können. Um so weit zu kommen, musste die WHO über 1000 Mitarbeiter an 68 Standorte in den drei betroffenen Ländern entsenden.
Nun, da sich das Tempo der Gegenmaßnahmen verringert hat und die Tatsachen allmählich ans Licht kommen, stellt sich das Bild von der Führungskompetenz der WHO während des Ausbruchs deutlich anders dar als in den meisten Medienberichten.
Auf einem Workshop zum Thema Ebola, den das US Institute of Medicine in diesem Monat organisierte, wurde die WHO als bequemer Sündenbock während des Ausbruchs bezeichnet. Es war ja so einfach, auf die WHO einzudreschen.
Als oberste Vertreterin dieser Organisation habe ich die Pflicht, zu solchen Aussagen Stellung zu beziehen. Dies ist umso wichtiger, als einige unserer Erfolge die gegenwärtigen organisationsweiten Reformen unterstützen, die der Stärkung der Führungskompetenz der WHO bei künftigen Ausbrüchen und in anderen gesundheitlichen Notlagen dienen.
Bereits während des Ebola-Ausbruchs kam es zu einem Zusammenwirken der für Krankheitsausbrüche und humanitäre Krisen zuständigen Mitarbeiter aus sämtlichen Regionen und aus dem Hauptbüro der WHO. Diese Zusammenarbeit ist ein deutlicher Beleg für die Berechtigung des neuen einheitlichen Programms, das ich auf der Weltgesundheitsversammlung im Mai angekündigt habe.
Die Reaktion auf der Entscheidungsebene erfolgte anfangs zu langsam. Doch dann gelang es uns, die administrativen Verfahren zu straffen und die Dinge zu beschleunigen.
Die aus dieser Situation gezogenen organisatorischen Lehren werden in die Gestaltung der beschleunigten Verfahren für Personalanwerbung und -einsatz innerhalb des Programms einfließen, das von den übrigen Teilen der Organisation getrennt sein wird.
Vor dem Ausbruch in Westafrika war Ebola eine seltene Krankheit. Alle freiwilligen Helfer hatten Schwierigkeiten, eine ausreichende Zahl erfahrener Kliniker und Epidemiologen zu finden.
Viele Organisationen, denen es ein großes Bedürfnis war, zu helfen, übernahmen Aufgaben, die weit über ihren Auftrag und ihre bisherige Erfahrung hinausgingen.
Jene unter ihnen, die über keinerlei Erfahrung beim klinischen Management von Ebola-Fieber verfügten, waren erst Monate später einsatzbereit.
Es waren keine international vereinbarten Verfahren für die Koordinierung der Arbeit der zahlreichen Helferteams vorhanden, die nach und nach eintrafen.
Um die chaotischen Zustände aufgrund nicht abgestimmter und manchmal ungeeigneter Hilfsmaßnahmen zumindest teilweise zu entschärfen, erstellte die WHO ein Inventar der Qualifikationen und Fähigkeiten der ausländischen Ärzteteams. Auch diese Arbeit wird in die Pläne für die Einrichtung einer globalen Einsatzgruppe für gesundheitliche Notlagen einfließen.
In diesem Zusammenhang möchte ich der Europäischen Kommission für ihre Gespräche mit der WHO über den Aufbau eines Europäischen Notfalls-Korps danken. Auch ich werde mich an diesen Bemühungen beteiligen, damit dieses Korps auch für die Einsatzgruppe für gesundheitliche Notlagen von Nutzen sein kann
Die WHO hat mittels zweier Netzwerke insgesamt 32 Labore in den drei Ländern sowie in Nigeria eingerichtet. Mit diesen Partnern haben wir die Logistik für den Transport von Proben aufgebaut, um sicherzustellen, dass jeder Bezirk und jede Provinz in den drei Ländern innerhalb von 24 Stunden Zugang zu einem der Labore hat.
Im letzten Quartal 2014 hatten sich Geschwindigkeit und Qualität der Tests an das in wohlhabenden Ländern übliche Niveau angenähert. So sehen wahre Chancengleichheit und Solidarität aus.
Die Welt ist nahe daran, einen sicheren und wirksamen Impfstoff zu erhalten. Auf Wunsch der Regierung Sierra Leones wurden die klinischen Versuche der WHO mit dem neuen Impfstoff von Guinea auf ihr Land ausgeweitet.
Die Möglichkeit einer Impfung enger Kontaktpersonen von bestätigten Fällen verschafft uns gewissermaßen eine weitere Schutzschicht.
Wir haben vier patientennahe Schnelldiagnosetests präqualifiziert. Wir entwickeln derzeit ein Schema für den Bereich Forschung und Entwicklung mit generischen Protokollen für die klinischen Versuche und mit Vorkehrungen für eine zügige regulatorische Genehmigung, die im Falle einer künftigen Notlage die Entwicklung neuer medizinischer Produkte beschleunigen sollen.
All diese Erfolge wurden durch die beispiellose Zusammenarbeit einer Vielzahl von Ländern und Partnern ermöglicht, die von der WHO koordiniert wurde. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Laborunterstützung umfasste eine Zusammenarbeit mit 19 Institutionen in zwei Netzwerken.
Wie alle anderen Helferteams vor Ort waren wir zu Anfang langsam, haben dann aber schnell Kurskorrekturen vorgenommen. Durch diese Veränderungen konnten Bedingungen geschaffen werden, die bei künftigen Epidemien und Pandemien der Vielzahl an nationalen und internationalen Helferteams ein optimales Arbeiten ermöglichen werden.
So sieht Führungskompetenz aus.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.