Dr. Margaret Chan, Generaldirektorin - Ansprache an die 66. Tagung des Regionalkomitees für Europa
Herr Vorsitzender, Exzellenzen, meine Damen und Herren Minister, sehr geehrte Delegierte, liebe Kollegin Frau Jakab, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Diese Region mit ihrer weitgehend wohlhabenden Bevölkerung und ihren stabilen Demokratien stand in Fragen der öffentlichen Gesundheit schon immer an vorderster Front, indem sie sich mit Problemen auseinandersetzte, die später auch für den Rest der Welt wichtig wurden.
So war sie die erste Region, die die erheblichen Auswirkungen von Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung, Giftmüll und der Verunreinigung von Lebensmitteln und Wasser auf die Gesundheit erkannte und zum Handeln aufrief.
Von der ersten Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen, die 1972 in Stockholm stattfand, bis zu dem Klimaabkommen, das im vergangenen Jahr in Paris geschlossen wurde, waren Ihre Hauptstädte Schauplatz historischer Wendepunkte in der globalen Umweltpolitik.
Diese Region war die erste, die warnend auf die Zunahme nichtübertragbarer Krankheiten hinwies, die Rolle des individuellen Lebensstils hervorhob und ein Grundsatzkonzept festlegte, das gesundheitsförderliche Entscheidungen erleichtert.
Parallel dazu haben Sie der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit eine neue Bedeutung verliehen, indem Sie nicht nur die traditionelle Zusammenarbeit mit Ressorts fortsetzen, die dem Gesundheitsbereich freundlich, ja geradezu geschwisterlich gesonnen sind, etwa Bildung, Ernährung und Wohnungswesen, sondern darüber hinaus gegen das Verhalten einflussreicher Wirtschaftsakteure wie der Tabak-, Alkohol-, Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie vorgehen.
Ihre Länder haben auf das Instrumentarium fortgeschrittener Demokratien, darunter gesetzgeberische und steuerliche Maßnahmen, zurückgegriffen, um der gesamten Bevölkerung Schutz vor diesem Verhalten zu gewähren.
Zudem haben Sie die Basis für präventive Maßnahmen auf die sozialen Determinanten von Gesundheit ausgeweitet und damit so frühzeitig wie möglich angesiedelt.
In der Europäischen Region wurde erstmals die Notwendigkeit des Konzepts „Gesundheit in allen Politikbereichen“ sowie gesamtstaatlicher und gesamtgesellschaftlicher Lösungsansätze thematisiert. Sie haben als erste die Gesundheitsministerien in Bezug auf die Frage beraten, wie Akteure außerhalb des Gesundheitswesens praktisch eingebunden werden können, und die Notwendigkeit von Politikkohärenz auch mit wirtschaftlichen Argumenten untermauert.
Die Charta von Tallinn über Gesundheitssysteme für Gesundheit und Wohlstand gab den entscheidenden Anstoß dafür, die Grundlagen für bürgernahe Gesundheitssysteme zu schaffen, die integrierte Leistungen im gesamten Lebensverlauf erbringen.
Diese grundsatzpolitischen Fortschritte sind nun sämtlich in „Gesundheit 2020“, dem Rahmenkonzept für die Europäische Region, verankert.
Die Länder der Europäischen Region haben durchgängig der Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern, der Gesundheit von Mutter und Kind und den Rechten von Frauen und Mädchen ein hohes Maß an Beachtung geschenkt – im eigenen Land wie auch im Ausland.
Auch unter den Gebern sind Ihre Länder führend und lassen die Entwicklungsländer an ihrem Wohlstand teilhaben.
Die internationale Zusammenarbeit im Bereich der gesundheitlichen Entwicklung hat stark von der Internationalen Gesundheitspartnerschaft (IHP+) profitiert, die von Ländern dieser Region ins Leben gerufen wurde.
Die IHP+ wendet nun ihre Grundsätze für gegenseitige Rechenschaftspflicht, ihre Mechanismen für die Förderung von Harmonisierung und Partnerausrichtung und ihren fortgeschrittenen Überwachungsrahmen an. Damit sollen die Entwicklungsländer beim Übergang ihrer Gesundheitssysteme zur allgemeinen Gesundheitsversorgung unterstützt werden.
Seit dem Beginn dieses Jahrhunderts hat die Führungsrolle der Europäischen Region im Gesundheitsbereich an Bedeutung gewonnen. Von den Krisen, die Sie bewältigen, ist inzwischen die ganze Welt betroffen.
Ihre Länder nehmen nach wie vor eine wegweisende und führende Position wahr, doch der zeitliche Abstand zwischen Ihrer Arbeit und dem, was der Rest der Welt unternehmen muss, hat sich verkürzt.
Ihre Tätigkeit ist von tiefer und unmittelbarer Bedeutung für die Gesundheit der Menschen in aller Welt. In immer mehr Bereichen legen die Länder der Europäischen Region Modelle vor, die von anderen Regionen übernommen werden können.
Meine Damen und Herren!
Antimikrobielle Resistenzen (AMR) stellen eine globale Krise dar. Seit mehr als einem Jahrzehnt steht die Europäische Union bei der Bekämpfung der AMR weltweit an der Spitze.
Dies ist ohne Weiteres ersichtlich aus der Zahl der Politikkonzepte, Richtlinien, Fachberichte, Strategien und Regulierungsentscheidungen, die dazu gedacht sind, den Einsatz von Antibiotika bei Menschen und Tieren zu verringern, die umsichtige Verwendung dieser empfindlichen Arzneimittel zu gewährleisten und bestimmte für die Humanmedizin unverzichtbare Wirkstoffe zu schützen.
Sie haben bemerkenswerte Fortschritte erzielt, die sich in mehreren EU-weiten Netzwerken für die epidemiologische Überwachung von Resistenz- wie Verbrauchsmustern und für die Prüfung der Suszeptibilität niederschlagen.
Bezeichnenderweise hat das EU-weite Verbot der Verwendung von Antibiotika in Tierfutter zur Wachstumsförderung die führende Position der Europäischen Region in der weltweiten Nahrungsmittelproduktion nicht geschwächt.
Als Orientierungshilfe bei der Reaktion auf die AMR-Krise dient uns der globale Aktionsplan, der im vergangenen Jahr von der Weltgesundheitsversammlung gebilligt wurde. Nun ist Handeln gefordert.
Im Februar nahm ich an der von den Niederlanden ausgerichteten EU-Ministerkonferenz zum Thema antimikrobielle Resistenzen teil.
Im Mittelpunkt dieser Konferenz stand die dringende Notwendigkeit der Ausarbeitung nationaler Aktionspläne. Sie kommen dabei rasch voran.
Weitere Impulse gingen von dem im Mai veröffentlichten, lang erwarteten Bericht des Vereinigten Königreichs über antimikrobielle Resistenzen aus, der von einem Team um den Ökonomen Lord O’Neill erstellt wurde.
In dem Bericht, der zehn Empfehlungen enthält, werden eine Reihe innovativer Wege zur Bekämpfung von AMR sowie zu ihrer Finanzierung vorgestellt. So wird unter anderem vorgeschlagen, Preise für Markteinführungen zu vergeben. Dieser Bericht ist sehr zu begrüßen und enthält überzeugende Argumente.
Wir benötigen Anreize in Forschung und Entwicklung für neue Antibiotika, aber auch für bessere Diagnosetests, die die Zahl unnötiger Verschreibungen senken können, und für neue Impfstoffe, mit denen sich Infektionen von vornherein reduzieren lassen.
Hier gibt es in aller Welt ermutigende Signale. Einige multinationale Lebensmittelkonzerne haben angekündigt, ihr Fleisch nicht länger von Tieren beziehen zu wollen, denen zur Wachstumsförderung Antibiotika in subtherapeutischer Dosierung verabreicht wurden.
Am 21. September hält die Generalversammlung der Vereinten Nationen ihre erste Tagung auf hoher Ebene zum Thema AMR ab und gibt damit zu verstehen, dass sich die Staats- und Regierungschefs durchaus der durch AMR verursachten Krise bewusst sind, die über Jahrzehnte hinweg hart erkämpfte Fortschritte in der Medizin und im Gesundheitswesen gefährdet.
Zudem soll mit der Tagung signalisiert werden, dass eine globale Zusammenarbeit auf höchster politischer Ebene gefordert ist.
Als Ergebnis der Tagung wird eine politische Erklärung erwartet, die die Chance bietet, politischen Willen zu mobilisieren, eine Einigung über Ziele herbeizuführen und zur Entwicklung breit angelegter Politikkonzepte anzuregen.
Ein besonderes Augenmerk gilt der Verwirklichung der fünf strategischen Ziele, die im globalen Aktionsplan der WHO aufgestellt wurden.
Im Rahmen der Tagung der Generalversammlung sollen zwei weitere Veranstaltungen stattfinden, die für die gesundheitspolitischen Herausforderungen in der Europäischen Region von besonderer Relevanz sind.
Am 19. September halten die Vereinten Nationen ihre erste Tagung auf hoher Ebene über die Bewältigung großer Flüchtlings- und Migrantenströme ab. Ziel ist es, einen besser koordinierten und humaneren Ansatz für die Krise zu erarbeiten.
Der Gipfel bietet die historische Gelegenheit, einen Fahrplan für wirksamere internationale Maßnahmen zur Bewältigung der Krise zu entwickeln.
Bei Gesprächen am runden Tisch soll es darum gehen, die Grundursachen großer Flüchtlingsströme und die für Migration maßgeblichen Faktoren anzusprechen, einen globalen Pakt zu prüfen, der eine geteilte Verantwortung für Flüchtlinge unter gebührender Achtung des Völkerrechts vorsieht, und der Anfälligkeit von Flüchtlingen und Migranten auf ihrer Reise zu begegnen.
2015 kamen über eine Million Flüchtlinge und Migranten in die Europäische Region. Allein in jenem Jahr fanden mehr als 3700 Menschen bei dem Versuch, Europa zu erreichen, den Tod oder gelten als auf See vermisst.
Die Lage ist auch in diesem Jahr verzweifelt, in dem bereits mehr als 3000 Menschen zu Tode kamen.
Dies ist eine große Tragödie für die Menschheit. Die Kriege in Syrien, Irak und Jemen sind humanitäre Katastrophen. Und all diese Probleme sind politisch äußerst brisant.
Ihre Strategie und Ihr Aktionsplan für die Gesundheit von Flüchtlingen und Migranten sind evidenzbasiert, objektiv, an Grundsätzen orientiert und von der Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte geleitet.
Ich stimme Ihrer Einschätzung uneingeschränkt zu. Es handelt sich hier nicht um eine vereinzelte Krise, sondern um eine fortwährende Realität mit mittel- und längerfristigen Folgen für die Sicherheit, die Volkswirtschaft und die Gesundheit.
Unter denjenigen, die in Ihren Ländern Zuflucht suchen, finden sich zahlreiche ältere und behinderte Menschen sowie eine wachsende Zahl unbegleiteter Kinder.
Ich habe Verständnis dafür, dass die Kapazitäten einzelner Länder bis an ihre Grenzen ausgelastet sind. Hoffen wir, dass der Gipfel der Vereinten Nationen eine bessere Möglichkeit für einen gemeinsamen Umgang mit dieser Tragödie aufzeigt.
Letztlich müssen wir an den Grundursachen ansetzen, etwa den globalen Ungleichheiten beim Lebensstandard und bei den Chancen sowie den scheinbar endlosen bewaffneten Konflikten.
Wenn Militär mit Fassbomben und Giftgas gegen die Zivilbevölkerung vorgeht und bewusst Krankenhäuser als Ziel auswählt, darf dies nicht ungestraft bleiben.
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen wird auch den Bericht des Ausschusses auf hoher Ebene für Beschäftigung im Gesundheitswesen und Wirtschaftswachstum veröffentlichen. Darin werden Lösungen zur Behebung der zunehmenden Diskrepanzen und Engpässe in Bezug auf das Personalangebot im Gesundheitswesen vorgeschlagen.
Angesichts einer alternden Bevölkerung, einer hohen Belastung durch nichtübertragbare Krankheiten, darunter Demenzerkrankungen, und steigenden Erwartungen der Öffentlichkeit an die Versorgung wird der weltweite zusätzliche Bedarf an Gesundheitsfachkräften bis 2030 von der Weltbank mit 40 Mio. veranschlagt.
Dann werden aber laut Prognose der WHO 18 Mio. Fachkräfte fehlen, insbesondere in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen.
Der Bericht des Ausschusses liefert eindringliche Argumente dafür, dass zur Beseitigung dieses Ungleichgewichts Investitionen in das Gesundheitspersonal erforderlich sind, die zu mehr Chancengleichheit in der Gesundheitsversorgung, der Schaffung von Millionen menschenwürdiger Arbeitsplätze und der Förderung eines alle, insbesondere Jugendliche und Frauen, einbeziehenden Wirtschaftswachstums führen.
Die Deckung des Personalbedarfs im Gesundheitswesen ist ein weiterer Bereich, in dem die Europäische Region Führungskompetenz beweist. Ihre Länder haben sich für den Globalen Verhaltenskodex der WHO für die grenzüberschreitende Anwerbung von Gesundheitsfachkräften eingesetzt.
Diese Region ist Ausgangspunkt und Ziel der internationalen Gesundheitsmigration zugleich. Das neue Projekt für den Zugewinn anstelle des Abzugs von qualifizierten Kräften („Brain drain to brain gain“) soll Migrationsströme der Fachkräfte und die Umsetzung des Verhaltenskodex in ausgewählten Herkunfts- und Zielländern messen.
In Zusammenarbeit mit der OECD und Eurostat weiten Sie zudem systematisch die Datengrundlage für eine evidenzgeleitete Personalpolitik und entsprechende Investitionen aus, die dem Aufbau eines nachhaltigen Fachkräfteangebots im Gesundheitswesen dienen.
Meine Damen und Herren!
Die Europäische Region betritt das Zeitalter der nachhaltigen Entwicklung mit mehreren neuen Strategien und Aktionsplänen, die sich mit den wichtigsten Herausforderungen für die Region befassen.
Erneut wird Ihr Herangehen an die Herausforderungen, werden Ihre Lösungsansätze und Ihre Strategien Modellcharakter für andere Regionen haben.
Die Lage im Bereich HIV ist kritisch. Während die Inzidenz weltweit zurückgeht, ist die Zahl der Neuinfektionen in der Region zwischen 2005 und 2014 um 76% gestiegen und hat sich in Osteuropa und Zentralasien sogar mehr als verdoppelt.
Die Situation in Europa ist eine deutliche Warnung, dass die Epidemie keinesfalls vorüber ist. Wichtige Erkenntnisse werden wir daraus ableiten, wie Sie das Programm zur Bekämpfung von HIV so anpassen, dass es stärker gefährdete Bevölkerungsgruppen erreicht, und das Angebot an hochwirksamen Interventionen ausweiten.
Sie werden den ersten Aktionsplan der Region für Virushepatitis prüfen, dessen besonderes Augenmerk auf den am stärksten betroffenen Gruppen und Personen mit dem höchsten Risiko liegt.
Der Plan greift eine Vielzahl von Herausforderungen auf, doch Ihr Vorgehen gegen zwei dieser Herausforderungen wird besonders aufschlussreich sein: dem hohen Risiko von Häftlingen und Konsumenten von Injektionsdrogen sowie den außerordentlich hohen Kosten neuartiger Therapien gegen Hepatitis C.
Diese Kosten sind ein Problem für die Erschwinglichkeit und Nachhaltigkeit der Behandlung, insbesondere angesichts der Zahl der bedürftigen Menschen.
Erfreut habe ich von der Fachinformationsveranstaltung zum Thema Zugang zu neuen Hochpreismedikamenten erfahren. Früher handelte die Debatte über Arzneimittelpreise eher davon, wie wichtig bezahlbare Preise für einen besseren Zugang zu Arzneimitteln in den Entwicklungsländern seien.
Aufgrund der jüngsten Ereignisse hat sich der Schwerpunkt verlagert. Mehrere prominente Fälle von Preistreiberei durch Pharmakonzerne haben für Empörung in den Medien und der Öffentlichkeit, bei Patientenvereinigungen und Parlamentariern gesorgt.
Selbst die reichsten Länder der Welt können sich neuartige Therapien für häufige Krankheiten wie Krebs und Hepatitis C kaum leisten, wenn die Kosten je Patient jährlich zwischen 50 000 US-$ und 150 000 US-$ betragen. Dieser Trend ist alles andere als nachhaltig.
Am anderen Ende des Spektrums verliert die Generika-Branche allmählich das Interesse an der Herstellung älterer, patentfreier Arzneimittel, deren Preise so stark herabgesetzt sind, dass es keinen Anreiz mehr für ihre Herstellung und Vermarktung gibt.
Die WHO arbeitet an einem Modell für eine faire Preisbildung bei Pharmazeutika, die beide Extreme vermeidet.
Da eine allgemeine Gesundheitsversorgung für die gesundheitspolitischen Aspekte der Agenda für nachhaltige Entwicklung einen zentralen Stellenwert besitzt, müssen Mittel und Wege gefunden werden, die Arzneimittelpreise fair, aber doch ausreichend zur Förderung der Forschung und Entwicklung zu gestalten.
Manchmal bewirken technische Innovationen auch eine Kostensenkung, insbesondere wenn sie eine bürgernahe Versorgung bis in die Gemeinschaften und Haushalte unterstützen. Beispiele dafür sind unter anderem Schnelltests, Instrumente zur Selbstüberwachung von Ernährung und Bewegung sowie Geräte, die das Blutdruckmessen zu Hause ermöglichen.
Ihr Aktionsplan zur Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten enthält viele wertvolle Erkenntnisse aus Ihrer langjährigen erfolgreichen Bekämpfung dieser Krankheiten und kann sich auf stark rückläufige Werte stützen, die in jüngster Zeit verzeichnet werden. Dies ist eine beträchtliche Chance, die gesundheitlichen Ergebnisse entscheidend zu beeinflussen.
Zwei Drittel der vorzeitigen Todesfälle in der Europäischen Region werden durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs und chronische Atemwegserkrankungen verursacht.
Mindestens 80% aller Herzerkrankungen, Schlaganfälle und Erkrankungen an Diabetes sowie 40% der Krebserkrankungen könnten verhindert werden.
Die Sterblichkeit infolge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen nimmt weiter ab, die Zahl der Raucher ist deutlich rückläufig, und der Alkoholkonsum geht stetig zurück, auch wenn sich die Fortschritte in Osteuropa langsamer vollziehen und Personen in den untersten Einkommensgruppen am meisten leiden.
Auch im Kampf gegen den Tabakkonsum verzeichnen wir derzeit gute Erfolge. In diesem Jahr erklärte der Europäische Gerichtshof die 2014 von der EU verabschiedete Richtlinie für Tabakerzeugnisse, die auf dem Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs beruht, für zulässig.
Auch bei der Einführung neutraler Verpackungen spielen die Länder dieser Region eine führende Rolle. Im Mai wurden in Frankreich und dem Vereinigten Königreich Rechtsvorschriften für neutrale Verpackungen angenommen.
Beide Länder haben sich stark darum bemüht, die Verpackungen weniger attraktiv zu gestalten.
Andere Länder, darunter Ungarn, Irland und Norwegen, unternehmen ebenfalls Schritte in diese Richtung.
Die öffentliche Gesundheit hat eine äußerst wichtige Schlacht gewonnen. Nach sechsjähriger Bedrängung durch die Tabakindustrie und ihre Anwälte hat das kleine Uruguay mit seinen 3,5 Mio. Einwohnern dem weltweit größten Tabakkonzern eine Niederlage zugefügt.
Im Juli befand ein Schiedsgericht der Weltbank, dass Uruguay das Recht habe, seine Anti-Tabak-Politik fortzusetzen, und verurteilte Philip Morris dazu, dem Land die Verfahrenskosten in Höhe von etwa 7 Mio. US-$ zu erstatten.
Dieser Sieg ist ein Meilenstein, denn er bestätigt das Recht einer souveränen Regierung, seine Bürger vor einem tödlichen und süchtig machenden Produkt zu schützen, und räumt diesem Recht Vorrang ein.
Auf diese Weise endet der zynische Versuch eines reichen multinationalen Tabakriesen, ein kleines Land mit begrenzten Mitteln einzuschüchtern. Dieses Mal haben die Guten gewonnen.
Aber seien wir auf der Hut. Die Frontlinien sind gezogen.
In einer von derart vielen Unsicherheiten geprägten Welt können wirtschafts-, handels- und industriepolitische Erwägungen die Debatte bestimmen und den Vorzug vor Gesundheitsbelangen erhalten.
Wie Sie in Ihrem Bericht festen, erweist sich die Wirtschaft wieder als ein Hindernis für Fortschritte in der Bekämpfung des Tabak- und Alkoholkonsums – und derzeit auch für Verbesserungen in der Ernährung.
Das Potenzial leistungsfähiger Instrumente wie des Tabakrahmenübereinkommens der WHO und der Richtlinie der Europäischen Union für Tabakerzeugnisse wird nicht voll ausgeschöpft.
Durch geschickte und erfolgreiche Werbekampagnen und die Veränderung von Aspekten der Produktgestaltung haben die Tabak- und Alkoholkonzerne einen rasch wachsenden Markt geschaffen, der zunehmend auch auf Mädchen und generell auf Minderjährige abzielt.
Sie müssen auch mit der Lebensmittelindustrie ins Gespräch kommen. Bis zu drei Viertel des in dieser Region verzehrten Salzes werden durch verarbeitete Lebensmittel aufgenommen. Säuglingsnahrung kann bis zu 30% an freiem Zucker enthalten; außerdem sind gesättigte Fette und Transfette viel zu weit verbreitet.
Meine Damen und Herren!
Da ich mich heute letztmalig an dieses Komitee wende, möchte ich mit einer herzlichen Bitte schließen. Die Region muss die Adipositas-Epidemie, vor allem unter Kindern, stärker bekämpfen.
Das häufig vorgebrachte Argument, die Lebensweise sei eine persönliche Entscheidung, gilt mit Sicherheit nicht für Kinder.
Grundsatzpolitische Orientierungshilfe bietet Ihnen der Bericht der Kommission für die Beseitigung der Adipositas im Kindesalter.
Darin werden die Regierungen nachdrücklich aufgefordert, sich ihrer Verantwortung zum Schutz der Kinder zu stellen. Dazu gehört auch die Pflicht, Maßnahmen ohne Rücksicht auf die Folgen für Hersteller ungesunder Nahrungsmittel und Getränke zu treffen.
Kümmern Sie sich um Ihre Kinder. Übergewicht bei Kindern ist nicht diesen, sondern der Gesellschaft anzulasten.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.