Höhepunkte von Tag 4: Regionaldirektorin dankt „den klügsten Köpfen und wärmsten Herzen auf dem Gebiet der öffentlichen Gesundheit“
Am vierten und letzten Tag der 69. Tagung des WHO-Regionalkomitees für Europa (RC69) nahmen die Mitgliedstaaten eine Resolution über die Förderung von Gesundheitskompetenz an, die den Menschen dabei helfen soll, fundierte Entscheidungen in Bezug auf Gesundheit zu treffen. Darüber hinaus sprach Dr. Zsuzsanna Jakab den Delegierten und Mitarbeitern ihren tief empfundenen Dank für ihr Engagement für die öffentliche Gesundheit aus, das sie während ihrer zehnjährigen Amtszeit als WHO-Regionaldirektorin für Europa bewiesen hätten.
Angelegenheiten, die sich aus Resolutionen und Beschlüssen der Weltgesundheitsversammlung und des Exekutivrates ergeben
Outi Kuivasniemi, Stellvertretende Leiterin des Bereichs internationale Angelegenheiten im finnischen Ministerium für Soziales und Gesundheit und zuständig für den Kontakt zum Ständigen Ausschuss des Regionalkomitees, unterrichtete das Regionalkomitee über die von der Weltgesundheitsversammlung angenommenen fachbezogenen Resolutionen.
Zahlreiche Delegierte äußerten sich zur Frage der Transparenz der Märkte für Arzneimittel und erklärten, wie wichtig es sei, sicherzustellen, dass die Produkte den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechen. Wie der Delegierte Norwegens feststellte, bedrohen hohe, mitunter unbezahlbare Arzneimittelpreise unsere Gesundheitssysteme und die allgemeine Gesundheitsversorgung. Dies sei ein Problem für die Demokratie. „Die Resolution könnte daher grundlegende Veränderungen bewirken“, so der Delegierte.
Die Delegierten bekundeten ihre Unterstützung für den Entwurf einer globalen Strategie für eine schnellere Eliminierung von Gebärmutterhalskrebs. Sie waren sich über die entscheidende Bedeutung des Impfstoffs gegen das Humane Papillomavirus sowie über die Notwendigkeit einig, mit der Impfung von Mädchen bereits im frühen Alter zu beginnen.
In Bezug auf Tuberkulose betonten die Delegierten, dass wirksame Präventionsstrategien benötigt würden und wie wichtig es sei, gezielte Maßnahmen für anfällige Gruppen durchzuführen und innovative Ansätze unter Einsatz digitaler Gesundheitstechnologien zu verfolgen. Dr. Masoud Dara, Geschäftsführender Direktor für übertragbare Krankheiten beim WHO-Regionalbüro für Europa, unterstrich die Verknüpfung mit den sozialen Determinanten und hob die von latenter Tuberkulose ausgehende Bedrohung hervor.
Die Delegierten wiesen darauf hin, dass das Dokument zum Thema digitale Gesundheit weder Leistungserbringer im Gesundheitswesen noch Mittel zur Umsetzung erwähne und dass es speziell auf Interoperabilität und Regeln für den Umgang mit Gesundheitsdaten eingehen solle. Sie ersuchten das Sekretariat, sich erneut mit dem Dokument zu befassen. In anderen Wortmeldungen wurde die Notwendigkeit betont, personenbezogene Daten zu schützen, das Verständnis der Politikkonzepte zu verbessern und den Bedürfnissen der Leistungserbringer besser gerecht zu werden.
In der Frage des gesunden Alterns regten die Delegierten an, dass die WHO:
- sich speziell mit dem Thema Altern im Gesundheitswesen selbst befasst;
- andere wichtige Akteure einbindet;
- soziale Determinanten und geschlechtsspezifische Aspekte des gesunden Alterns berücksichtigt;
- sich um einen längeren Verbleib älterer Menschen auf dem Arbeitsmarkt bemüht; und
- das lebenslange Lernen stärker in den Vordergrund rückt.
Förderung von Gesundheitskompetenz in der Europäischen Region der WHO
Die Mitgliedstaaten nahmen die Resolution über die Durchführung von Initiativen zur Förderung von Gesundheitskompetenz im gesamten Lebensverlauf an. Die Initiative wurde auch von zivilgesellschaftlichen Gremien sowie Berufsverbänden und internationalen Organisationen begrüßt. Ihr Ziel ist es, durch die Bereitstellung von Leitlinien für die praktischen Mittel zur Förderung von Gesundheitskompetenz die Arbeit der Mitgliedstaaten und des WHO-Regionalbüros für Europa zur Förderung gesunder Verhaltensweisen und gesundheitlicher Chancengleichheit zu stärken.
Gesundheitskompetenz wirkt sich stark auf die Fähigkeit der Menschen aus, fundierte gesundheitliche Entscheidungen zu treffen, gesundheitsbezogene digitale Kompetenzen zu entwickeln und Zugang zu Gesundheitssystemen zu erlangen und sich darin zurechtzufinden. Es ist wichtig, dass Leistungserbringer, Organisationen und Systeme bedarfsgerechte Angebote im Bereich der Gesundheitskompetenz entwickeln, um Gesundheitsinformationen und entsprechende Ressourcen gemäß den Bedürfnissen der Bevölkerung bereitzustellen und zugänglich zu machen.
Mehrere Mitgliedstaaten sprachen über ihre nationalen Bemühungen zur Umsetzung von Initiativen im Bereich der Gesundheitskompetenz. Die Resolution werde maßgeblich dazu beitragen, die soziale Ungleichheit im Gesundheitsbereich abzubauen und sicherzustellen, dass niemand zurückgelassen wird, und jedem Einzelnen Zugang zu hochwertigen Gesundheitsinformationen aus verlässlichen Quellen zu verschaffen.
Als Beispiel für Gesundheitskompetenz in der Praxis wurde zu Beginn der Sitzung ein Kurzfilm über Noorihe Halimi gezeigt, die für den Schwedischen Verband für Sexualerziehung (RFSU) arbeitet. Sie vermittelt Migranten, einer der anfälligsten Bevölkerungsgruppen, Kenntnisse über ihren Körper, ihre Rechte und das staatliche Gesundheitssystem, was sie letztlich in die Lage versetzt, positive Entscheidungen für ihre Gesundheit zu treffen.
Akkreditierung von in der Europäischen Region tätigen nichtstaatlichen Akteuren
Sieben weitere nichtstaatliche Akteure aus der Europäischen Region wurden zur Teilnahme am Regionalkomitee akkreditiert, womit sich die Gesamtzahl auf 26 erhöhte. Diese Organisationen sind: AFEW International, AGE Platform Europe, AIDS Healthcare Foundation Europe, European Federation of Nurses Associations, European Patients’ Forum, European Respiratory Society und Norwegian Cancer Society.
Dank der Akkreditierung können Vertreter dieser Organisationen an den Tagungen des Regionalkomitees teilnehmen und schriftliche und/oder mündliche Erklärungen einreichen. Akkreditierungsanträge für 2020 können ab sofort eingereicht werden.
Fortschrittsberichte über Aktionspläne und den Fahrplan zur Umsetzung der Agenda 2030
Gegenstand dieses Tagesordnungspunkts war die Messung der Fortschritte bei der Umsetzung der Aktionspläne zur Bekämpfung von HIV und Hepatitis sowie zur Förderung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Zwar meldeten die Länder der Europäischen Region insgesamt Fortschritte, doch wurden diese von der WHO und den Mitgliedstaaten als unzureichend für die Erfüllung der Zielvorgaben bewertet.
Zu den wichtigsten Erfolgen in diesem Bereich zählen eine Verringerung der Mutter-Kind-Übertragung von HIV und Verbesserungen bei der Validierung der Länder. Allerdings ist die Zahl der Neudiagnosen in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. Nur wenige Länder sind in Bezug auf die Zielvorgaben der 90–90–90-Strategie auf Kurs, und die meisten Länder verzeichnen nur stockende Fortschritte und viele sogar eine Ausbreitung der Epidemie. Als wirksame Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation wurden eine Schwerpunktsetzung auf Prävention, Früherkennung, integrierte Behandlung sowie die Bekämpfung von Stigmatisierung genannt.
Was die Hepatitis betrifft, so hat sich die Zahl der Länder mit entsprechenden Aktionsplänen seit 2013 nahezu verdreifacht. Immer mehr Länder führen flächendeckende Hepatitis-B-Impfprogramme für Neugeborene und Kinder durch, und der Zugang zur Behandlung von Hepatitis C hat sich in der Europäischen Region insgesamt verbessert. Dennoch sollten die anfälligsten Bevölkerungsgruppen mehr Aufmerksamkeit erhalten.
Nach einer Umfrage aus dem Jahr 2018 sind reproduktive Gesundheit sowie die Gesundheit von Müttern und Neugeborenen die vorrangigen Handlungsfelder der nationalen Strategiepapiere in 92% der Meldeländer. Doch trotz einer Verbesserung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit in allen Teilen der Europäischen Region bestehen weiterhin große Ungleichheiten zwischen den sowie innerhalb der Mitgliedstaaten. Die bisherigen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass in Bezug auf einen allgemeinen Zugang zu Angeboten der sexuellen und reproduktiven Gesundheit weiterhin Handlungsbedarf besteht und dieser Bereich die Verwirklichung mehrerer Nachhaltigkeitsziele (SDG) gefährdet.
Die Sitzung befasste sich auch mit Fortschritten in Bezug auf den Fahrplan zur Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. In einer Reihe von Bereichen sind gute Fortschritte zu verzeichnen, u. a. bei der Erhöhung der Lebenserwartung, der Senkung der Mütter- und Kindersterblichkeit, der Verbesserung der Kapazitäten für die Notfallvorsorge und der Eliminierung von Poliomyelitis und Malaria.
Die Interventionen müssen deutlich ausgeweitet werden, wenn die Europäische Region bis 2030 bestimmte der gesundheitsbezogenen Zielvorgaben aus den SDG erreichen soll. Insbesondere wiesen die Mitgliedstaaten und Partnerorganisationen auf die Notwendigkeit hin, die Lücken in der Tuberkulose- und HIV-Versorgung zu schließen, die Bedrohung durch antimikrobielle Resistenzen anzugehen, Menschen vor psychischen Störungen zu schützen, ein Altern in Gesundheit zu fördern und für Chancengleichheit beim Zugang zu Gesundheitsangeboten zu sorgen.
Bislang haben 43 Länder nationale Untersuchungen zur Umsetzung der SDG durchgeführt, und in all diesen Ländern sind Fortschritte in Bezug auf verschiedene Prioritäten zu verzeichnen. Viele Länder haben Ansprechpersonen für die SDG benannt, doch muss die gesundheitsbezogene Berichterstattung stärker in die miteinander verknüpften Bereiche integriert werden. Der Fahrplan zur Umsetzung der Agenda 2030 ist ein entscheidendes Instrument für die Umsetzung des Dreizehnten Allgemeinen Arbeitsprogramms der WHO und die Beschleunigung der Umsetzung der SDG.
Ort und Zeitpunkt künftiger Tagungen des Regionalkomitees
- Das RC70 findet vom 14. bis 17. September 2020 in Tel Aviv statt.
- Das RC71 findet vom 13. bis 16. September 2021 in Kopenhagen statt.
- Das RC72 findet vom 12. bis 15. September 2022 statt.
Abschluss des RC69
Im Namen aller Mitgliedstaaten dankte der Delegierte Österreichs den Anwesenden für die erfolgreiche Tagung des Regionalkomitees, die „gezeigt hat, wie wichtig die multilaterale Arbeit für uns ist“. Darüber hinaus dankte er der Regionaldirektorin „für das, was Sie für uns erreicht haben, für Ihre Führungskompetenz und Ihren unvergleichlichen Charme“.
In ihren Schlussbemerkungen auf ihrer letzten Tagung des Regionalkomitees in ihrer Eigenschaft als WHO-Regionaldirektorin für Europa sprach Dr. Jakab den Delegierten wie Mitarbeitern gleichermaßen ihren Dank aus: „Mir wurde die Ehre zuteil, an Ihrer Seite zu arbeiten – den klügsten Köpfen und den wärmsten Herzen auf dem Gebiet der öffentlichen Gesundheit. Ich bin dankbar für die Chance, den Menschen in dieser Region zu dienen und den Kurs dieses bemerkenswerten Regionalbüros und seiner Mitarbeiter zu steuern.“
Nebenveranstaltung: Online-Datenplattform zur Bewältigung der personellen Herausforderungen im Gesundheitswesen
Auf einer am Vormittag abgehaltenen Nebenveranstaltung stellten Experten der WHO die Online-Datenplattform zur nationalen Gesundheitspersonalrechnung vor, die es den Ländern ermöglicht, Informationen zum Gesundheitspersonal für ihren eigenen Gebrauch zu erfassen, zu analysieren und zu visualisieren.
Das Instrument dient zur Planung und Gestaltung personalpolitischer Konzepte im Gesundheitswesen sowie zur Bewertung umgesetzter und zur Neuausrichtung bestehender Konzepte. Es unterstützt die Entscheidungsträger in diesem Bereich bei der Suche nach Lösungen für häufig auftretende Probleme, etwa die Bereitstellung von Schulungen, die die Beschäftigten im Gesundheitswesen zu effektiven Versorgungsleistungen befähigen, sowie die Anwerbung und Bindung von Gesundheitsfachkräften und die Zusammenstellung multidisziplinärer Teams für die primäre Gesundheitsversorgung.
Auf der Nebenveranstaltung wurde auch ein Ressourcenpaket der WHO präsentiert, das die Entscheidungsträger bei der sinnvollen Nutzung der Plattform zur nationalen Gesundheitspersonalrechnung unterstützen soll und online verfügbar ist.
Fachinformationssitzung: Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in der Europäischen Region der WHO
Die Botschaft dieser Fachinformationssitzung war klar: Trotz erheblicher Fortschritte bestehen nach wie vor gravierende Ungleichgewichte, und Kinder sind in großem Umfang von vermeidbaren Gesundheitsproblemen betroffen. Die Politik muss sich von der Fehleinschätzung lösen, dass Gesundheit und Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen in der Europäischen Region kein vorrangiger Aufgabenbereich mehr sind.
Auf der Sitzung wurde der Handlungsbedarf in der Politik anhand von Beispielen aus Bereichen veranschaulicht, in denen die Gesundheit von Kindern stark beeinträchtigt ist: von der Mundgesundheit und der Straßenverkehrssicherheit über Alkoholkonsum während der Schwangerschaft bis hin zu mangelndem Zugang zur Gesundheitsversorgung.
Ferner wurde bei diesem Anlass der Startschuss für eine neue Initiative zur Förderung der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen gegeben, in deren Rahmen alle maßgeblichen Ressorts dazu beitragen sollen, dass die Europäische Region zum bestmöglichen Ort wird, an dem Kinder aufwachsen können.
Länder-Kooperationsstrategie zwischen WHO und Israel unterzeichnet
Am Montag unterzeichneten der stellvertretende israelische Gesundheitsminister, M. K. Yakov Litzman, Regionaldirektorin Dr. Zsuzsanna Jakab und WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus eine Länder-Kooperationsstrategie. Darin wird die Zusammenarbeit zwischen der WHO und Israel für den Zeitraum 2019–2025 in folgenden Bereichen geregelt:
- Nutzung von Innovationen im Bereich der digitalen Gesundheit als Instrument zur Verbesserung der Zugänglichkeit und Qualität medizinischer Leistungen;
- Verbesserung der Lebensqualität im gesamten Lebensverlauf mit Schwerpunkt auf übertragbaren und nichtübertragbaren Krankheiten, personalisierter Medizin und Genomik;
- Stärkung der Notfallvorsorge und -reaktion; und
- Stärkung der Rolle Israels in der globalen Gesundheitspolitik.