Ausweitung der gesundheitlichen Maßnahmen für Migranten und Flüchtlinge

WHO/Sara Barragán

Die Gesundheit von Migranten ist derzeit in vielen europäischen Ländern ein hochaktuelles Thema, während sich an den Mittelmeerstränden eine Flüchtlingskatastrophe ereignet. Seit Juni 2013 führt das Regionalbüro in Zusammenarbeit mit Gesundheitsministerien eine Reihe von Bewertungsmissionen durch und erprobt mit Bulgarien, Griechenland, Italien, Malta, Portugal, Spanien und Zypern Instrumentarien, durch die sich abschätzen lässt, wie die Gesundheitssysteme ein plötzliches Anschwellen des Zustroms an Migranten verkraften können.

Ein vorhandenes Instrumentarium zur Bewertung von Kapazitäten des Gesundheitswesens für das Krisenmanagement wurde hierfür an den komplexen und politisch sensiblen Kontext plötzlich anschwellender Flüchtlingsströme und den damit einhergehenden hohen Ressourcenbedarf angepasst. Mittelfristig sollen die Missionen Lücken und Erfordernisse in der fachlichen Unterstützung aufdecken und die Gesundheitsbehörden besser auf die Migration reagieren lassen, indem sie Bedürfnisse der vulnerablen Gruppen aufgreifen und gesundheitliche Ungleichheiten abbauen.

Die italienische Region Sizilien erstellte mit Unterstützung des Regionalbüros den ersten Notfallplan in der Europäischen Region zur Bewältigung der gesundheitlichen Bedürfnisse großer Mengen von Immigranten. Dieser wurde als operative Strategie vom sizilianischen Parlament am 23. September 2014 per Gesetz angenommen. Dadurch wurde ein einheitliches Verfahren geschaffen und die gesundheitsbehördliche Reaktion organisatorisch gestrafft, weil logistische und humane Ressourcen effizienter genutzt, die Unterschiedlichkeit der beteiligten Akteure anerkannt und der sektorübergreifende Charakter der Lage respektiert werden. Auch Malta und Spanien bereiten auf nationaler bzw. subnationaler Ebene ähnliche strategische Pläne vor.

Europäischer Ansatz für die Gesundheit von Migranten

Auch wenn die Mittelmeerländer am dichtesten an den Flüchtlingen aus Nahost und Afrika dran sind, so sind die Ursachen, Folgen und Auswirkungen der umfassenden Migration doch überall in der Europäischen Region auf die eine oder andere Weise zu spüren. Allerdings ist bislang nur wenig untersucht worden, welche gesundheitlichen Implikationen die Migration in sich trägt, wie Konzepte und Interventionen am wirksamsten koordiniert, Ungleichheiten im Zugang zur Gesundheitsversorgung verringert und der Gesundheitszustand der Migrantengruppen verbessert werden können.

Daher arbeiten das Regionalbüro und Universitäten in der Europäischen Region nun gemeinsam an drei Berichten des Health Evidence Networks (HEN), die sich jeweils auf eine der drei folgenden Migrantengruppen konzentrieren: nicht registrierte Migranten, Arbeitsmigranten sowie Flüchtlinge und Asylbewerber.

Die Berichte werden auf einer informellen Zusammenkunft während der 65. Tagung des WHO-Regionalkomitees für Europa im September 2015 in Vilnius (Litauen) vorgestellt werden. Am ersten Tag werden die Minister zu einer Nebenveranstaltung eingeladen, auf der sie unterschiedliche Bedürfnisse, Prioritäten und Ansätze im Verhältnis zu Migration und Gesundheit in den Mitgliedstaaten der Region erörtern können. Die Europäische Region ist die erste Region der WHO, die systematisch und koordiniert die Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit durch Migration annimmt.

Eine stetige Herausforderung

Hohe Flüchtlings- und Migrantenzahlen erfordern in ganz Europa Maßnahmen zur Optimierung der Kapazitäten des Gesundheitssektors für die Bewältigung des großen Zustroms. Gemäß Zahlen des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) haben 2015 bereits mehr als 100 000 Flüchtlinge das Mittelmeer überquert. Die weitere ökonomische und politische Entwicklung sowie die globale Sicherheitslage werden voraussichtlich noch viele Tausend Männer, Frauen und Kinder entwurzeln und weitere Völkerwanderungen auslösen. Daher ist es enorm wichtig, dass sich die Länder auf die gesundheitlichen Bedürfnisse der Migranten und Flüchtlinge einstellen. Die Reaktion der Gastländer auf die immer komplexeren Migrationsmuster wird darüber entscheiden, wie sich die Menschenrechte und gesundheitlichen Ergebnisse für ansässige wie zugewanderte Bevölkerung heute und morgen darstellen werden.