Bulgarien lanciert inmitten der Pandemie ein neues nationales Programm zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder

WHO/Malin Bring

Bulgarien hat ein nationales Programm zur Verhinderung von und dem Schutz von Frauen und Kindern vor häuslicher Gewalt verabschiedet. Das Programm entspricht damit einem wichtigen Bedürfnis, da nichtstaatliche Organisationen (NGO) seit Beginn der COVID-19-Pandemie eine Zunahme der Gewalt gegen Frauen und Kinder registriert haben.

Eine der größten Herausforderungen bei der Gewaltprävention war bislang das Fehlen einer Koordinierungsstelle, die Regierung wie auch Zivilgesellschaft zusammenbringt.

Eine bessere Koordination zwischen allen Einrichtungen, die Prüfung konkreter Fälle von Gewalt und die Suche nach der besten Art und Weise mit ihnen umzugehen fallen nun in den Aufgabenbereich des Programms.

Welle der häuslichen Gewalt während der COVID-19-Pandemie

In Bulgarien arbeitet die WHO eng mit den staatlichen Institutionen sowie mit Frauenorganisationen wie der NGO Animus zusammen, die ein Nottelefon für Frauen und Kinder sowie Schutzhäuser für Opfer von Misshandlung betreibt.

„In Bulgarien haben seit Verhängung der Ausgangssperren in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie bereits sieben Frauen ihr Leben infolge von Übergriffen seitens eines Partners oder Familienmitglieds verloren. Beim nationalen Nottelefon für Kinder, das Kindern über das Telefon Informationen, Beratung und Hilfe anbietet, gingen nach Informationen des Innenministeriums allein im März 80 Meldungen über die Misshandlung eines Elternteils durch ein anderes Elternteil ein. Dies deutet darauf hin, dass sich die Zahl der Gewalttaten gegen Frauen und Kinder im Vergleich zu den Monaten vor der Pandemie verdoppelt hat“, erklärt Dr. Michail Okoliyski vom WHO-Länderbüro in der Hauptstadt Sofia.

WHO und Animus haben gemeinsam eine Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne zur Förderung der Bedeutung von Angeboten für Frauen und Kinder gestartet, die während der COVID-19-Krise und dem voraussichtlich noch bis zum 13. Mai anhaltenden Notstand Opfer von Gewalt werden.

Weiterhin hohe Dunkelziffer in Bezug auf Gewalt

2016 verabschiedete Bulgarien das Gesetz zur Gleichstellung von Männern und Frauen und änderte auch sein Strafrecht, um Stalking, psychologische Gewalt und einige Elemente der Zwangskontrolle einzubeziehen.

Vergewaltigung in der Ehe wurde jedoch in der überarbeiteten Fassung des Strafrechts nicht explizit unter Strafe gestellt und Bulgarien verzeichnet in der Europäischen Union mit die niedrigsten Melderaten in Bezug auf Gewalt gegen Frauen und Kinder.

Schätzungen des Demokratieforschungszentrums aus dem Jahr 2015 zufolge werden rund 70–80% aller Fälle nicht gemeldet. Im Fall von Roma-Frauen umfasst die Dunkelziffer sogar bis zu 90% aller Fälle, da sie aufgrund von Angst oder fehlender Unterstützung durch Familie oder entsprechende Einrichtungen nicht gemeldet werden. Die WHO prüft gegenwärtig die Schätzungen zur Gewalt durch Intimpartner in Bulgarien wie auch in allen anderen Mitgliedstaaten der WHO.

Die Organisation hat für politische Entscheidungsträger und nationale Gesundheitssysteme Leitlinien zu Maßnahmen veröffentlicht, die zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen während der COVID-19-Krise ergriffen werden können, einen Katalog von Fragen und Antworten zur Gewalt gegen Frauen während der Pandemie erstellt sowie gemeinsam mit UN-Frauen ein Informationsblatt zur Datenerfassung über Gewalt gegen Frauen und Kinder während der COVID-19-Pandemie ausgearbeitet.