Erkenntnisse aus dem Sozialmarketing helfen, das Rätsel um die niedrigen Grippe-Impfraten unter Gesundheitsfachkräften im Westen Irlands zu lösen

Murt Fahy

2016 schlossen sich eine Expertin aus dem Bereich des Sozialmarketings und eine Gesundheitsexpertin zusammen, um ein Problem anzugehen, dem sich die Gesundheitsbehörden in Irland gegenübersahen. Wie in vielen anderen Ländern in der Europäischen Region verzeichnete Irland sehr geringe Grippe-Impfraten unter Gesundheitsfachkräften sowie jährliche Grippeausbrüche in Gesundheitseinrichtungen.

Dr. Christine Domegan, Dozentin an der National University of Ireland in Galway, brachte ihre Marketing-Kenntnisse ein, während Dr. Aine McNamara, Beraterin im Bereich öffentliche Gesundheit bei der Health Service Executive für den Westen Irlands, Fachkenntnisse aus dem Bereich der öffentlichen Gesundheit beisteuerte.
Ihre Aufgabe war es, eine Intervention auszuarbeiten, um die Impfraten unter Gesundheitsfachkräften im Einklang mit den strategischen Prioritäten der staatlichen Initiative Healthy Ireland sowie nationalen und WHO-Impfstoffempfehlungen zu erhöhen.

Die Ergebnisse sprechen für sich: Im ersten Jahr waren die Impfraten durchschnittlich auf 15% gesunken; innerhalb von zwei Jahren haben sie sich auf mehr als 37% verdoppelt.

Vorgehen nach einem WHO-Ansatz, um Hindernisse zu identifizieren

Ausgangspunkt des Projekts war der TIP-FLU-Ansatz der WHO, eine auf die saisonale Grippe ausgerichtete Version des Ansatzes zur zielgenauen Ausrichtung von Impfprogrammen, der im Jahr 2013 erstmals angewandt wurde. Bei der zielgenauen Ausrichtung von Impfprogrammen werden soziale und verhaltensbezogene Erkenntnisse verwendet, um Hindernisse und Anstöße für eine Impfung zu identifizieren. Diese Erkenntnisse werden dann um „Systemdenken“ und Ursache-Wirkungs-Diagramme ergänzt, um vielschichtige Lösungen zur

Erhöhung der Impfakzeptanz zu entwickeln.

Das Projekt begann mit einer Prüfung der Literatur und einer Erhebung zu Haltungen, auch unter aktiven Impfgegnern. Die zweite Phase umfasste die Untersuchung von Ursachen, Wirkungen und der Dynamik von Auffassungen zur Impfung. Zur Veranschaulichung dieser Wechselwirkungen erstellte das Team ein Diagramm zum System der Grippeimpfung, in dem verschiedene Ursachen berücksichtigt wurden. In der Endphase wurden Interviews mit maßgeblichen Interessengruppen durchgeführt, in deren Rahmen Lösungen und Ansatzpunkte identifiziert wurden.

Zentrale Ansatzpunkte unterstützen die gezielte Nutzung von Chancen für eine nachhaltige Verhaltensänderung
Die Studie identifizierte sieben evidenzbasierte Ansatzpunkte, die gezielt auf miteinander verknüpfte Hindernisse ausgerichtet sind:

  • Impfung durch Kollegen;
  • Vorkämpfer für die Grippeimpfung;
  • ein wechselseitiger (statt eines moralischen) Fokus;
  • Stations- bzw. Abteilungskontext;
  • Impfkompetenz;
  • Krankenhausgröße; und
  • Darstellung der Grippe.

Die Impfkräfte sind Pflegekräfte, die den Impfstoff ihren Kollegen am Arbeitsplatz verabreichen. „Sie erleichtern den Zugang, sind jedoch auch als Informations- und Kommunikationskanäle von Bedeutung“, erklärte Dr. Domegan. „Sie verfügen über die entsprechende Ausbildung, bauen Vertrauen auf und beantworten Fragen.“

Darüber hinaus können die Impfkräfte als Vorkämpfer für die Grippeimpfung dienen, doch auch aus anderen Personalkategorien innerhalb des Krankenhaussystems sowie von außerhalb können verschiedene Vorkämpfer rekrutiert werden, um als Botschafter für die Impfung zu fungieren.

Dr. Domegan zufolge erzielt ein wechselseitiger anstelle eines moralischen Fokus eine subtilere Wirkung: „Sozialmarketing ist abhängig von einer freiwilligen Verhaltensänderung. Als wir mit verschiedenen Interessengruppen sprachen, war häufig zu hören: als Arzt oder Pflegekraft solltest du dich gegen die Grippe impfen lassen, es ist Teil deines Jobs und es dient dem Wohl deiner Patienten‘. Das ist eine starke moralische Haltung und einige Menschen teilen diese Ansicht. Doch es gab auch eine Kohorte, die sich unter diesen Bedingungen nicht vorschreiben lassen wollte, wie sie sich zu verhalten habe.“

Dr. Domegan zufolge reagierten bestimmte Menschen, die Einwände gegen die moralischen Argumente hatten, besser auf Argumente, die den wechselseitigen Nutzen der Impfung für ihre Familien und ihr eigenes Immunsystem in den Mittelpunkt rückten.

Zudem zeigte das Projekt, wie wichtig es ist, den Ansatz jeweils auf den Kontext der Station oder Abteilung sowie auf die Größe der Einrichtung zuzuschneiden. Vor diesem Hintergrund wurden jeweils die Mechanismen angewandt, die in einem bestimmten Kontext am besten funktionierten. So wurde zum Beispiel in einem Krankenhaus der Eingang zu Treppenhaus und Aufzügen als der zentrale physische Raum für die Impfkampagne identifiziert, während in anderen Krankenhäusern die Fußleisten in Korridoren verwendet wurden, um auf eine neuartige Weise die Aufmerksamkeit der Menschen mit Kompetenzbotschaften zu erregen, die zur Impfung auffordern.

Die Darstellung der Grippe oder wie die Menschen über die Krankheit und den Impfstoff sprechen, bildete das letzte Teil des Puzzles. Dr. Domegan und ihr Team ließen sich von einer Studie aus den Vereinigten Staaten inspirieren, in der die Grippeimpfung als „ultimatives Mittel zur Stärkung des Immunsystems“ dargestellt wurde, und empfahlen daher Vorkämpfer für die Grippeimpfung, die Gesundheit und Fitness verkörperten.

Lokale Athleten unterstützten die Kampagne. Darunter Spieler des Connaught-Rugby-Teams und ein Medaillengewinner der All-Ireland Senior Hurling Championship sowie der Botschafter des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) Joe Canning. (Hurling ist eine beliebte irische Sportart, die mit einem Ball und Holzschlägern gespielt wird.)

Terminologie ist ein weiterer wichtiger Aspekt der Darstellung. „Manchmal wird die ,Grippe‘ heruntergespielt, daher ist es ratsam in manchen Fällen den Begriff ,Influenza‘ zu verwenden, um den Ernst der Krankheit zu unterstreichen“, erklärt Dr. Domegan.

Mit Hilfe der Erkenntnisse des Projekts leiteten Dr. Domegan und Dr. McNamara die Krankenhäuser dabei an, gezielte Veränderungen vorzunehmen, die innerhalb des ersten Jahres zu einem Anstieg der durchschnittlichen Impfraten von 15% auf 25% führten. In der Grippesaison 2017–2018 stiegen sie sogar auf 37%.

Das Projekt wurde bei der Europäischen Konferenz über Sozialmarketing ausgezeichnet und wird im Westen Irlands fortgesetzt.