Übergang zu einem ressortübergreifenden Ansatz zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen

Eine neue Publikation des Europäischen Observatoriums für Gesundheitssysteme und Gesundheitspolitik der WHO veröffentlicht von Cambridge University Press beschreibt die Notwendigkeit ressortübergreifender Ansätze – unter Einbindung von Disziplinen wie Human- und Veterinärmedizin, Agrarwissenschaften, Epidemiologie, Ökonomie, Soziologie und Psychologie – bei der Bekämpfung des globalen Problems antimikrobieller Resistenzen. Die Publikation schildert darüber hinaus potenzielle ökonomische und politische Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems in der Europäischen Union.

Es ist weithin anerkannt, dass Antibiotika die Medizin revolutioniert haben. Mit der Zeit verlieren die verfügbaren Antibiotika und ähnliche Arzneimittel jedoch an Wirkung und Krankheitserreger entwickeln zunehmend Resistenzen. Die WHO betrachtet antimikrobielle Resistenzen als eine der derzeit größten Herausforderungen für die globale Gesundheit.

Das Buch ist Teil einer neuen Reihe, die sich mit kritischen Aspekten der Umgestaltung von Gesundheitssystemen in der Europäischen Region befasst – ein Prozess, der von sich verändernden Umfeldern, zunehmendem Druck und sich verändernden Bedürfnissen der Patienten und der Gesellschaft vorangetrieben wird. Ziel jeder der enthaltenen Untersuchungen ist es, sowohl praktische als auch politisch relevante Informationen und Erkenntnisse hinsichtlich der Umsetzung von Veränderungen zu liefern, anhand derer sich die Gesundheitssysteme chancengleicher, wirksamer und effizienter gestalten lassen.

Antimikrobielle Resistenz

Die durch Infektionen infolge antimikrobieller Resistenzen bedingte Krankheitslast in der Europäischen Region ist vergleichbar mit jener durch Influenza, Tuberkulose und HIV/Aids zusammengenommen. Im Jahr 2015 verzeichnete die Europäische Union 670 000 Infektionen durch antibiotikaresistente Erreger, von denen 33 000 tödlich verliefen.

Das Problem reicht weit über die Grenzen der EU hinaus. Der unsachgemäße und übermäßige Einsatz von Antibiotika weltweit beschleunigt antimikrobielle Resistenzen. Zwischen 2000 und 2015 erhöhte sich der globale Antibiotikaverbrauch in der Humanmedizin um 65%.

Über 70% der weltweit verabreichten Antibiotika kommen in der Viehzucht zum Einsatz. Zwischen 2000 und 2018 erhöhte sich der Anteil antimikrobieller Mittel, die eine Resistenz von über 50% aufweisen, bei Hühnern und Schweinen weltweit um mehr als das Doppelte.

Ressortübergreifende Maßnahmen zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen, die an den Wechselbeziehungen zwischen menschlicher Gesundheit, Tiergesundheit und einer gesunden Umwelt ansetzen, folgen dem sogenannten einheitlichen Gesundheitsansatz.

Ökonomische und politische Maßnahmen nach dem einheitlichen Gesundheitsansatz

Die Forschung zur Stützung von Strategieoptionen für die Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen entwickelt sich rasch über verschiedene Disziplinen hinweg. Hierzu zählen etwa die Human- und Veterinärmedizin, Agrarwissenschaften, Epidemiologie, Ökonomie, Soziologie und Psychologie.

Verzerrte wirtschaftliche Anreize haben die Entwicklung neuartiger antimikrobieller Mittel verlangsamt und die Bemühungen um eine Reduzierung des Gebrauchs dieser Mittel beschränkt. Dies deutet auf die Notwendigkeit eines Innovationsschubs und höherer Investitionen im Hinblick auf die Erforschung und Entwicklung neuer antimikrobieller Arzneimittel hin.

Die Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen in einer Gesellschaft, in der 90% der Antibiotika für den Gebrauch in der Humanmedizin verschrieben werden, erfordert zur Vorantreibung von Veränderungen Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen des Systems. Beispiele hierfür sind die Verringerung der von Ärzten verschriebenen Zahl an Antibiotika und die Veränderung von Patientenerwartungen hinsichtlich Antibiotika. Zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen in Krankenhäusern sind durchgreifende Maßnahmen für den Infektionsschutz sowie auf Aufklärung, Regulierung und Transparenz erforderlich.

Zahlreiche Länder, darunter Belgien und die Niederlande, konnten den Gebrauch antimikrobieller Mittel bei Tieren entscheidend reduzieren. Eine Reduzierung antimikrobieller Resistenzen in der Lebensmittelindustrie und der Viehzucht lässt sich durch folgende Maßnahmen erreichen:

  • die Verhinderung des unnötigen Gebrauchs von Antibiotika;
  • die Gewährleistung größerer biologischer Sicherheit;
  • die Verbesserung der Tierhaltungsmethoden;
  • die Durchführung von Impfmaßnahmen; und
  • die Vorbehaltung entscheidender antimikrobieller Mittel für die ausschließliche Verwendung in der Humanmedizin (gegenwärtig kommen die meisten antimikrobiellen Mittel sowohl bei Menschen als auch bei Tieren zum Einsatz).

Der verbesserte Einsatz von Diagnostika birgt erhebliches Potenzial für die Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen, ebenso wie Impfmaßnahmen. Impfungen haben eine unmittelbare Wirkung, da sie Infektionen verhindern. Sie wirken jedoch auch mittelbar: die Impfung gegen einen bestimmten Erreger kann auch das Risiko einer Infektion mit einem anderen wechselwirkenden Erreger verringern.

Die positive Nachricht ist, dass Politikern eine Vielzahl ressortübergreifender Strategieoptionen zur Verfügung stehen. Dieser Band stellt die jüngsten Erkenntnisse zu den verschiedenen Ansätzen für die Bewältigung des komplexen Problems antimikrobieller Resistenzen zusammen.