Middle East respiratory syndrome coronavirus (MERS-CoV): Lagebericht und die aus den Niederlanden gemeldeten Fälle

Weltweite Situation

Mit Stand vom 16. Mai 2014 waren der WHO seit April 2012 insgesamt 614 im Labor bestätigte humane Erkrankungsfälle mit dem neuartigen Corona-Virus MERS-CoV gemeldet worden, darunter 181 Fälle mit tödlichem Ausgang. Insgesamt traten bisher 65,6% der Fälle bei Männern auf, der Altersmedian beträgt 49 Jahre (Streubreite 9 Monate bis 94 Jahre). Betroffen waren folgende Länder:

  • Mittlerer Osten: Jordanien, Kuwait, Oman, Katar, Saudi Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und Jemen;
  • Europa: Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Niederlande und Vereinigtes Königreich;
  • Afrika: Ägypten und Tunesien;
  • Asien: Malaysia und Philippinen;
  • Nordamerika: Vereinigte Staaten von Amerika.

Sämtliche Betroffene in den in letzter Zeit außerhalb des Mittleren Ostens gemeldeten Fällen (Ägypten, Griechenland, Malaysia, Niederlande, Philippinen, USA) waren zuvor in Saudi Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten unterwegs.

Zwar ist noch nicht im Detail geklärt, wie die Infektion mit dem MERS-CoV erfolgt, aber es gibt gegenwärtig keine Hinweise darauf, dass sich das Virus leicht von Mensch zu Mensch übertragen lässt oder dass eine anhaltende Übertragung in der Bevölkerung erfolgt. Untersuchungen an Tieren deuten darauf hin, dass Kamele eine wahrscheinliche Infektionsquelle für den Menschen sind; in einigen Fällen berichteten die Betroffenen von Kontakt mit Kamelen. In manchen Fällen findet offenbar eine Übertragung von Mensch zu Mensch statt, wenn eine Person eine enge Kontaktperson infiziert. Dies geschieht zwischen Familienmitgliedern, Patienten und Gesundheitsfachkräften. In jüngster Zeit werden zunehmend Fälle von in Gesundheitseinrichtungen erworbenen Infektionen gemeldet. So wurde in Saudi Arabien und in den Vereinigten Arabischen Emiraten je ein größerer Ausbruch entdeckt; sie sind für einen Großteil der genannten Fälle verantwortlich. Doch an manchen Orten sind Menschen erkrankt, ohne dass eine Infektionsquelle festgestellt werden konnte. Es ist möglich, dass sich die Betroffenen durch Kontakt mit einem Tier, einem Menschen oder einer anderen Infektionsquelle infiziert haben. Die Erforschung der Übertragungswege wie auch wirksamer Maßnahmen zum Schutz vor Infektion dauert an.

Situation in der Europäischen Region

In der Europäischen Region wurden seit April 2012 insgesamt 12 im Labor bestätigte Falle gemeldet, die in Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien und dem Vereinigten Königreich auftraten. Mit Ausnahme der drei Fälle, die enge Kontaktpersonen der im Labor bestätigten Fälle in Frankreich und im Vereinigten Königreich waren, handelt es sich bei sämtlichen Fällen um heimkehrende Reisende oder um Bewohner aus Ländern des Mittleren Ostens. Die jüngsten Fälle traten in Griechenland (1 Fall am 18. April 2014 an die WHO gemeldet) und den Niederlanden (2 Fälle am 14. bzw. 15. Mai 2014 an die WHO gemeldet) auf. Bei dem in Griechenland aufgetretenen Fall handelt es sich um einen in Saudi Arabien ansässigen griechischen Bürger, der sich in Griechenland zum Urlaub aufhält und nach seiner Ankunft in Athen diagnostiziert wurde. Die beiden Fälle in den Niederlanden waren heimkehrende Reisende aus Ländern des Mittleren Ostens. Eine detaillierte Rückverfolgung der Kontakte dieser Fälle wurde durchgeführt bzw. ist noch im Gange, um eine frühzeitige Entdeckung etwaiger neuer Fälle zu gewährleisten.

Risikobewertung

Die WHO verfolgt die Situation ständig mit und passt ihre Risikobewertung jeweils im Lichte der neuen Informationen an. Das WHO-Regionalbüro für Europa stimmt seine Bemühungen mit dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) ab. Die WHO erwartet, dass aus dem Mittleren Osten noch weitere Fälle von MERS-CoV-Infektion gemeldet werden und dass von dort auch Fälle durch Touristen, Reisende, Arbeitsmigranten oder Pilger, die sich möglicherweise durch Kontakt mit einem Tier (z. B. beim Besuch einer Farm oder eines Marktes) oder einer menschlichen Quelle (z. B. in einer Gesundheitseinrichtung) infiziert haben, in andere Länder eingeschleppt werden. Solange nicht mehr über die Exposition und die Durchführung von Präventivmaßnahmen bekannt ist, werden weitere Fälle auftreten.

Voraussetzungen für eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite noch nicht erfüllt

Auf der fünften Sitzung des Notfallausschusses wurde Besorgnis über den in jüngster Zeit steilen Anstieg der Fallzahlen, die Schwachstellen im Infektionsschutz und die Defizite in Bezug auf wesentliche Informationen geäußert. Der am 13. Mai 2014 nach Maßgabe der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) von der Generaldirektorin der WHO einberufene Ausschuss prüfte auf seiner Sitzung Fragen der Risikobewertung und gab Empfehlungen ab. Anhand der gegenwärtig vorliegenden Informationen erklärte der Ausschuss, die Lage sei in Bezug auf die Gefährdung der öffentlichen Gesundheit ernster einzuschätzen, doch gebe es keine Anzeichen für eine anhaltende Übertragung von Mensch zu Mensch. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen einer gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite (PHEIC) noch nicht erfüllt seien.

Empfehlungen des Notfallausschusses

Der Notfallausschuss empfahl allen Ländern:

  • ihre nationalen Handlungskonzepte für Infektionsschutz und -bekämpfung in Gesundheitseinrichtungen zu verbessern bzw. umzusetzen;
  • zielgerichtete Untersuchungen zum Zwecke eines besseren Verständnisses der Epidemiologie und der Risikofaktoren sowie einer Einschätzung der Wirksamkeit von Bekämpfungsmaßnahmen zu initiieren bzw. zu beschleunigen;
  • die Fallerkennung und das Fallmanagement sowie die Rückverfolgung von Kontakten zu verbessern;
  • die Aufklärung und Risikokommunikation gegenüber der Öffentlichkeit, den Gesundheitsberufen, den Risikogruppen und den zuständigen Entscheidungsträgern in Bezug auf das MERS-CoV wirksamer zu gestalten;
  • die ressortübergreifende Zusammenarbeit auf der nationalen wie internationalen Ebene zu verstärken;
  • nach Maßgabe der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) frühzeitig Informationen an die WHO weiterzugeben.

Folgen für die Europäische Region

Es ist weiterhin mit der Einschleppung von Fällen aus den Ländern des Mittleren Ostens auch in Länder der Europäischen Region zu rechnen. Deshalb sollten die Mitgliedstaaten darauf vorbereitet sein, Fälle von MERS-CoV rechtzeitig zu erkennen, zu untersuchen und zu versorgen, indem sie die Empfehlungen des Notfallausschusses und der WHO beachten. Da viele Mitgliedstaaten in der Europäischen Region über erhebliche Kapazitäten im Bereich der Frühwarnung und Reaktion auf Ereignisse in Verbindung mit neu auftretenden Krankheiten verfügen, sind sie gut dafür gerüstet, der WHO im Hinblick auf die erfolgreiche Bekämpfung dieses Ausbruchs wesentliche Informationen zu übermitteln.

Gegenwärtig ist die Gefahr einer Ausbreitung des MERS-CoV in den Ländern der Europäischen Region gering, da es keine Anzeichen für eine anhaltende Mensch-zu-Mensch-Übertragung gibt. Eine gewissenhafte Einhaltung von Infektionsschutz- und -bekämpfungsmaßnahmen trägt entscheidend zur Verhinderung der Ausbreitung des MERS- CoV in Gesundheitseinrichtungen bei.

Präventivmaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung

Da bisher noch unklar ist, wie sich Menschen mit dem Virus infiziert haben, sollten Personen, die in Gebiete im Mittleren Osten reisen, in denen schon Fälle aufgetreten sind, einige allgemeine Ratschläge befolgen, die zur Verhinderung einer Ansteckung mit Atemwegserkrankungen dienen. So sollte etwa möglichst jeder nähere Kontakt mit Personen vermieden werden, die Krankheitssymptome wie Husten oder Niesen aufweisen; ferner sollte jeder direkte Kontakt mit Tieren vermieden und auf gute Handhygiene geachtet werden.

Das Risiko einer Infektion mit dem Virus ist gering, da dieses sich offenbar nicht leicht in der Bevölkerung ausbreitet. Dennoch wird Personen, die in letzter Zeit in den Mittleren Osten gereist sind und Atemprobleme entwickeln, die sich nicht durch eine andere Krankheit oder ein anderes Virus erklären lassen, oder deren Immunsystem in irgendeiner Weise beeinträchtigt ist, empfohlen, möglichst umgehend einen Facharzt aufzusuchen und ihm vollständig über Krankengeschichte sowie in jüngster Zeit unternommene Reisen Auskunft zu geben.

Da Gesundheitsfachkräfte öfter in Kontakt mit Patienten mit vielen verschiedenen Infektionskrankheiten kommen als die Allgemeinbevölkerung, sollten sie angemessene Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um sich vor Infektion zu schützen. Die nationalen Gesundheitsbehörden sollten alle Gesundheitseinrichtungen vor dem neuen Virus warnen, damit diese auf den Umgang mit Verdachtsfällen vorbereitet sind.