Wie lässt sich der Zugang zu unentbehrlichen Arzneimitteln für alle gewährleisten? Neuer WHO-Bericht prüft Konzepte zur Kostenerstattung für Arzneimittel in der Europäischen Region
Der neue WHO-Bericht mit dem Titel „Konzepte zur Kostenerstattung für Arzneimittel in der Europäischen Region“ untersucht die verschiedenen Handlungskonzepte für einen besseren Zugang zu bezahlbaren Arzneimitteln. Der auf einer direkten Erhebung von Daten aus 45 der 53 Mitgliedstaaten in der Europäischen Region der WHO basierende Bericht zeigt verschiedene nationale Praktiken auf und zielt darauf ab, die zentralen Aspekte der konzeptionellen Rahmen zu identifizieren, mit denen gefährdete Gruppen vor unerschwinglichen Zahlungen aus eigener Tasche für Arzneimittel geschützt werden sollen.
Die Sicherstellung eines fairen Zugangs zu unentbehrlichen Arzneimitteln für alle zu erschwinglichen Preisen ist ein grundlegender Teil des Menschenrechts auf Gesundheit und ein entscheidender Faktor im Hinblick auf die Verwirklichung einer allgemeinen Gesundheitsversorgung. Bisher hat es in der Europäischen Region jedoch an solider Evidenz darüber gefehlt, welche Erstattungssysteme und -konzepte vorbildliche Modelle darstellen. Der neue Bericht der WHO soll diese Informationslücke füllen.
Bewährte Konzepte zur Kostenerstattung für Arzneimittel
Um das Ziel eines erschwinglichen, chancengleichen und nachhaltigen Zugangs zu hochwertigen Arzneimitteln zu erreichen, müssen politische Entscheidungsträger sich um die Umsetzung einer ausgewogenen Mischung von Grundsatzoptionen im Bereich der Arzneimittelpolitik bemühen. Hohe Zahlungen aus eigener Tasche für Arzneimittel, einschließlich Zuzahlungen, bergen die Gefahr einer geringeren Therapiebefolgung und eines verringerten Gebrauchs von Arzneimitteln. Dies hat unzweifelhaft negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere für die gefährdetsten Mitglieder der Gesellschaft.
Daher sollten Entscheidungsträger die Bedürfnisse und Besonderheiten dieser Gruppen gebührend berücksichtigen. Die im Bericht enthaltene Untersuchung zeigt, dass ein Konzept zur Kostenerstattung für Arzneimittel besondere Elemente enthalten sollte, um einkommensschwache Menschen oder sozial benachteiligte Menschen zu schützen. Sonst besteht die Gefahr, dass einkommensschwächere Menschen mit chronischen Erkrankungen unverhältnismäßig leiden.
Gleichzeitig können Zuzahlungen beinhaltende Handlungskonzepte bei entsprechender Gestaltung die Effizienz steigern, ohne sich negativ auf die Chancengleichheit auszuwirken, insbesondere in Bezug auf den patentfreien Markt.
Hervorhebung vorbildlicher Praktiken
Die Untersuchung verdeutlicht, dass es keine Patentlösung gibt. Ein formal definiertes, ideales Erstattungsmodell existiert nicht. Sie zeigt jedoch folgende Grundsätze auf, mit denen Rahmenkonzepte unterstützt werden, die den erschwinglichen Zugang verbessern und gefährdete Gruppen vor übermäßig hohen Zahlungen aus eigener Tasche schützen sollen.
- Eine Prioritätensetzung ist unerlässlich. Es müssen schwierige Entscheidungen getroffen werden, und eine Vollkostenerstattung für sämtliche Arzneimittel wird niemals möglich sein.
- Es ist unerlässlich, Entscheidungen auf Grundlage der besten verfügbaren Evidenz zu treffen. Die in diesem Zusammenhang notwendigen Instrumente erfordern jedoch aufwändige Ressourcen und hochqualifiziertes Personal. Dies kann kleinere Länder und Länder mit geringem Einkommen vor Herausforderungen stellen. Eine Lösung wäre es, die Bewertungen anderer Länder an die Gegebenheiten im eigenen Land anzupassen und so Evidenz bzw. Daten zu teilen.
- Die Prozesse sollten transparent und reibungslos sein, Entscheidungen zu Kostenerstattungen und ihre Begründung öffentlich gemacht werden. Die Mitgliedschaft in Ausschüssen für Kostenerstattung sollte zusammen mit Erklärungen über mögliche Interessenkonflikte offen gelegt werden.
- Gefährdete Bevölkerungsgruppen müssen identifiziert werden und sollten in Konzepten zur Zuzahlung besondere Berücksichtigung finden. Zur Gefährdung tragen auch sozioökonomische Faktoren wie geringes oder unregelmäßiges Einkommen, Arbeitslosigkeit oder die Verantwortung für mehrere Familienangehörige bei.
- Preisregulierung und Wettbewerb senken die Preise und helfen sowohl Patienten als auch öffentlichen Einrichtungen, die für die Arzneimittel zahlen müssen. Die meisten Länder in der Europäischen Region regulieren die Preise für erstattungsfähige Arzneimittel oder nutzen den Wettbewerb, um die Produktpreise zu senken.
- Bei der Verwendung günstigerer Arzneimittel wie etwa Generika ist es wichtig, Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen, um das Vertrauen der Anwender in ihre Qualität zu gewährleisten.
- Patientenbeteiligung kann sich positiv auswirken. Nur wenige Länder binden Patienten in Konsultationen ein, doch wo dies der Fall ist, zeigt sich, dass dieses Vorgehen bei öffentlichen Debatten um brisante Entscheidungen (z. B. keine Erstattung bei Arzneimitteln mit begrenztem therapeutischem Mehrwert) hilfreich sein kann.
- Für die Entscheidungsträger sind Evaluationen, Erfolgskontrolle und Anpassungen ausschlaggebend, um die Wirksamkeit von Maßnahmen zu bewerten und zu entscheiden, ob Änderungen vorgenommen werden sollen.
- Schlussendlich müssen die Entscheidungsträger die Auswirkungen der von ihnen entwickelten Handlungskonzepte bedenken und sicherstellen, dass sie mit ihren Prioritäten im Bereich der öffentlichen Gesundheit in Einklang stehen. Es muss ein Gleichgewicht gefunden werden zwischen bezahlbarem Zugang, dem Schutz der Patienten vor Zahlungen aus eigener Tasche und den Sachzwängen des Systems (etwa ein begrenzter Haushaltsrahmen).
Das unter dem Dach von Gesundheit Österreich in Wien angesiedelte WHO-Kooperationszentrum für Preisbildung und Kostenerstattung im Arzneimittelbereich erstellte den Bericht in Zusammenarbeit mit dem Programm Gesundheitstechnologien und Arzneimittel in der Abteilung Gesundheitssysteme und öffentliche Gesundheit beim WHO-Regionalbüro für Europa.