Fragen und Antworten zur Sicherheitslagerung von Polioviren

In der Europäischen Region der WHO ist Poliomyelitis (Polio) seit 2002 nicht mehr endemisch, sie ist poliofrei. In der Europäischen Region zirkulieren keine Polio-Wildviren und verursachen also keine Erkrankungen mehr und weltweit sind sie nur in drei Ländern weiter endemisch. Einem niedrigen Risiko durch aus Impfstoffen abgeleiteten Stämmen in Gebieten mit geringem Impfschutz und ausschließlicher Verwendung von Schluckimpfung (oraler Polioimpfstoff - OPV) wurde 2016 im Rahmen einer globalen Umstellung durch den Übergang zu oder die Ergänzung mit inaktivierten Polioimpfstoffen (IPV) begegnet.

Angesichts der bevorstehenden weltweiten Eradikation der Poliomyelitis steht als letzter Schritt zur Befreiung der Europäischen Region und der Welt von dieser Lähmung verursachenden Erkrankung die intensive Vorbereitung auf die Sicherheitslagerung von Polioviren an.

Was bedeutet Sicherheitslagerung von Polioviren?

Wenn Polioviren etwa in den Laboren akademischer Einrichtungen oder der Impfstoffhersteller aufbewahrt werden, muss die WHO hierüber informiert werden und eine Infektionsgefahr durch sichere Verwahrung und Handhabung ausgeschlossen werden.

Sicherheit kann dabei auf drei Weisen gewährleistet werden:

  1. Das Virus kann durch starke Erhitzung und unter hohem Druck zerstört werden. Dies muss dokumentiert, durch Zeugen beglaubigt und an die WHO unter Beifügung der entsprechenden Belege gemeldet werden. In der Mehrzahl der Fälle wird diese Option von der WHO empfohlen und von dem Land, in dem das Labor ansässig ist, vorgezogen werden.
  2. Alternativ kann die Probe in ein Labor im selben oder in einem anderen Land überführt werden, das eine sichere Verwahrung garantieren (oder bald garantieren) kann. Labore oder Einrichtungen, die Polioviren sicher verwahren können, werden auf Englisch als „poliovirus essential facilities“ (PEF) bezeichnet.
  3. Ein Labor, das eine Probe besitzt, kann die staatliche Zulassung als PEF beantragen und sich zur strikten Einhaltung der entsprechenden Auflagen verpflichten. Bislang ist weltweit noch kein einziges PEF zertifiziert worden.


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Warum ist das notwendig?

Die Sicherheitslagerung reduziert das Risiko, dass das Virus etwa durch Zufall aus der Einrichtung dringt und jemanden infiziert oder dass es in die Hände von Terroristen oder Kriminellen gelangt. Nach dem globalen Einsatz zur Erhöhung der Impfraten, Verringerung der Fallzahlen auf nahe Null und Aufrechterhaltung hochwertiger epidemiologischer Überwachung ist die Sicherheitslagerung jetzt der letzte fehlende Schritt auf dem Weg zur Eradikation der Poliomyelitis.


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Wie weit ist die Europäische Region der WHO gekommen?

Die langwierige Aufzeichnung der Polioviren-Bestände in der Europäischen Region ist jetzt abgeschlossen. Jetzt muss sich jede der betroffenen Einrichtungen aus Wissenschaft und Herstellung dafür entscheiden, wie sie den globalen Vereinbarungen Folge leisten will.

Mit der Zeit werden alle noch nicht berücksichtigten Proben aufgespürt werden. Hierfür und für alle denkbaren Verstöße gegen die Vorschriften zur Sicherheitslagerung gibt es Notfallpläne.


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Wie und wo werden die Polioviren derzeit gelagert?

Die Viren werden in der Regel tiefgekühlt in Phiolen an einer immer noch erstaunlich großen Anzahl von Orten aufbewahrt. Impfstoffhersteller benötigen die Proben zur Produktion der Vakzine. Akademische Einrichtungen bewahren sie für das Virologiestudium auf, obwohl ähnliche Viren genutzt werden könnten, mit denen kein derartiges Risiko verbunden wäre. Selbst Hersteller chemischer Reinigungsmittel können das Virus nutzen, um die Qualität ihrer Produkte zu testen. Auch hier könnte der Test mit anderen Viren durchgeführt werden, doch würde das manchmal eine Änderung nationaler Vorschriften erforderlich machen. Viele Forschungseinrichtungen und Labore der klinischen Virologie werden sich jetzt entscheiden müssen, wie mit ihren Beständen verfahren wird, damit der Erfolg der Sicherheitslagerung nicht gefährdet wird.


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Wie viele PEF benötigt die Region?

In dem vergleichbaren Fall der eradizierten Pocken gibt es weltweit nur noch zwei Einrichtungen, die derartige Viren einlagern, was zeigt, dass ein PEF in jedem Mitgliedstaat weder notwendig noch wünschenswert wäre.

Im Oktober 2017 hatten zwölf Mitgliedstaaten in der Europäischen Region die WHO darüber in Kenntnis gesetzt, dass insgesamt mehr als 30 Einrichtungen oder Hersteller beabsichtigen, als PEF zertifiziert zu werden. Darüber wird von den zuständigen nationalen Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten entschieden.

Derzeit ist schwer abzusehen, wie viele der Bewerber in der Lage wären, die strengen Sicherheitsauflagen im Zertifizierungsverfahren tatsächlich zu erfüllen. Die Zertifizierung ist ein langwieriges, kostspieliges und personalaufwendiges Verfahren. Eine große Zahl von PEF würde das Risiko eines versehentlichen Freisetzens des Virus erhöhen.


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Kann die Rückkehr der Polio für immer ausgeschlossen werden?

Die Welt wird nach der Eradikation aller drei Arten von Polioviren ein sicherer Ort sein. Auch wenn sich die Bedrohung durch das Virus niemals völlig beseitigen lässt, so kann sie doch weitestgehend verringert werden. Hierfür ist die Verpflichtung zur Sicherheitslagerung auf unbegrenzte Zeit entscheidend.


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