HIV-Selbsttests für zu Hause – erfolgreiches Projekt in Bulgarien

Momchil Baev

Momchil Baev, Fachkraft für sexuelle Gesundheit und HIV, Single Step Foundation

Ein in Bulgarien durchgeführtes Demonstrationsprojekt hat gezeigt, dass sich mehr Menschen auf HIV testen lassen, wenn Selbsttests verfügbar sind. In Situationen, in denen derartige Tests nur in Gesundheitseinrichtungen durchgeführt werden, kann es eine Herausforderung sein, manche Menschen zu einem HIV-Test zu bewegen. Gemeindenahe Tests bieten eine gute Möglichkeit, um diese Hindernisse zu überwinden, doch sie können arbeitsaufwendig sein. Selbsttests können sich als kostengünstiger erweisen, und ein im letzten Jahr durchgeführtes Demonstrationsprojekt verdeutlicht, welche Rolle sie spielen können. Die Ergebnisse sind von besonderer Relevanz für die Gesundheitsbehörden, die mit allen Kräften darum bemüht sind, unentbehrliche Gesundheitsleistungen während der COVID-19-Pandemie aufrechtzuerhalten.

HIV-Tests sind eine wichtige Intervention für den Schutz der öffentlichen Gesundheit, da sie der erste Schritt auf dem Weg zu Behandlung und Versorgung sind. Mit der gegenwärtigen antiretroviralen Behandlung können Menschen, die positiv auf das Virus getestet werden, ein gesundes Leben mit HIV leben, ohne das Virus auf andere zu übertragen.

Zu den Bevölkerungsgruppen in Bulgarien, die am anfälligsten für eine HIV-Infektion sind, gehören schwule, bisexuelle und andere Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten sowie Transgender. Trotz der in den letzten Jahren erzielten Fortschritte sind sich viele Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten und Transgender in Bulgarien ihres HIV-Status nicht bewusst und zögern oft, sich bei Gesundheitseinrichtungen testen zu lassen. Grund hierfür ist die mit einem solchen Test verbundene Stigmatisierung.

Ein einfacher Speicheltest zeigt Ergebnis in 20 Minuten

Das Pilotprojekt wurde von einer auf kommunaler Ebene aktiven nichtstaatlichen Organisation durchgeführt, der Stiftung „Single Step Foundation“. Momchil Baev, zuständig für sexuelle Gesundheit und HIV in der Organisation, erläutert Näheres: „Wir haben Männern mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten und Transgendern die Chance geboten, sich kostenlos auf HIV testen zu lassen, vertraulich und bequem von zu Hause aus, ohne ein Gesundheitszentrum aufsuchen oder Gesundheitspersonal konsultieren zu müssen. Wir haben hierzu einen zugelassenen oralen Test verwendet, der Antikörper gegen das HIV-Virus im Speichel nachweist. Er ist einfach, komfortabel und zuverlässig. Ein Wattestäbchen wird entlang des Zahnfleischs gerieben, dann in eine Reaktionslösung getaucht, und nach 20 Minuten hat man das Ergebnis.“

Im Laufe der Kampagne verschickte die Organisation 900 kostenlose HIV-Selbsttest-Kits an 120 Orte in allen 28 Bezirken des Landes. Die Kampagne wurde auch über die sozialen Medien unter dem Hashtag #endHIVbg beworben und profitierte von der Partnerschaft der Single Step Foundation mit Grindr, einer der weltweit größten Social-Networking-Apps für schwule, bisexuelle, transsexuelle und queere Personen. Single Step schaltete Bildschirmbenachrichtigungen, die beim Öffnen der Grindr-App erschienen, und verschickte an alle Grindr-Nutzer im Land eine entsprechende Benachrichtigung direkt in den Posteingang innerhalb der App. Die Nutzer wurden dann aufgefordert, online über die Website von Single Step einen HIV-Selbsttest für die Anwendung zu Hause zu bestellen. Auf der Website konnten sie einen Fragebogen ausfüllen und ein Test-Kit bestellen. Die Tests wurden kostenlos mit der Post geliefert. Nahezu 60% der Nutzer, die den Fragebogen ausfüllten, bestellten auch einen Test.

Bedenken darüber, in welcher Form positiv Getestete Unterstützung erhielten, wurden durch die Einrichtung einer speziellen Hotline beantwortet, die mit einer Fachkraft für sexuelle Gesundheit und HIV besetzt war. Über die Hotline wurden zwölf positive Ergebnisse gemeldet und die Anrufer wurden einem Folgetest in einem medizinischen Testzentrum unterzogen, um das Ergebnis zu bestätigen. Alle betroffenen Menschen begannen mit einer Behandlung und verzeichnen mittlerweile eine nicht nachweisbare Viruslast.

„Für einige der Jungs, deren Test positiv ausfiel, war es sehr schwierig, mit dieser traurigen Nachricht umzugehen“, erklärt Momchil. „Einige stammten aus ländlichen Gegenden, in denen sie nur beschränkten Zugang zu hochwertigen Informationen, gemeindenahen Angeboten oder einer medizinischen Versorgung haben. Das erforderte zusätzliche Anstrengungen von meiner Seite, um ihnen Unterstützung und Orientierungshilfe zu bieten, bis sie mit der Behandlung anfangen und sich mit der Diagnose auseinandersetzen konnten. Es ist ein täglicher Kampf, um für alle den Zugang zur Gesundheitsversorgung und zu mehr Würde zu gewährleisten, egal, wie ländlich ihre Umgebung ist.“

Wertvolle verhaltensbezogene Erkenntnisse

Fragebögen vor und nach Durchführung der Tests haben wertvolle Erkenntnisse über das Angebot und dessen Annahme geliefert. Über 1500 Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten und Transgender aus 164 Städten und Dörfern beteiligten sich an dem Projekt, und vielen von ihnen war ihr HIV-Status nicht bewusst. Das Projekt verdeutlichte einen wichtigen Unterschied zwischen den Gebieten rund um die Hauptstadt und ländlicheren Gebieten – 68% der in Kleinstädten lebenden Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten und Transgender waren sich ihres HIV-Status nicht bewusst, was darauf schließen lässt, dass HIV-Tests außerhalb der Hauptstadt nicht so leicht zugänglich sind. HIV-Selbsttests können diese Lücke schließen. Darüber hinaus zeigte das Demonstrationsprojekt, dass 68% derjenigen, die sich ihres HIV-Status nicht bewusst waren, nie oder selten Kondome benutzen, ein Drittel aller Teilnehmer (31%) sich zuvor nie auf HIV hatte testen lassen und 71% einen Selbsttest zu Hause den üblichen Methoden vorziehen würden.

„Dieses Demonstrationsprojekt hat deutlich gemacht, dass es in der Gemeinschaft eine starke Nachfrage nach HIV-Selbsttests in Bulgarien gibt“, erklärte Dr. Masoud Dara, Koordinator für übertragbare Krankheiten beim WHO-Regionalbüro für Europa. „Zudem zeigt es, inwiefern Selbsttests dazu beitragen können, Testangebote auszuweiten und so die zwischen städtischen und ländlichen Gebieten bestehenden Ungleichheiten zu verringern. Seit 2016 empfiehlt die WHO, neben den herkömmlichen HIV-Testangeboten auch HIV-Selbsttests als zusätzlichen Ansatz anzubieten. Doch nicht alle Länder in der Europäischen Region der WHO haben diese Möglichkeit bislang voll ausgenutzt. Während wir nun mit allen Kräften darum bemüht sind, unentbehrliche Gesundheitsleistungen inmitten der COVID-19-Pandemie aufrechtzuerhalten, haben HIV-Selbsttests an Bedeutung gewonnen, und ich hoffe, dass die Länder, die sie bislang nicht eingeführt haben, ihre Einführung bzw. Ausweitung nun in Betracht ziehen werden.