Ein Jahr Gegenmaßnahmen von WHO/Europa zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie
Am 24. Januar 2021 war es genau ein Jahr her, seit die ersten Fälle von COVID-19 in der Europäischen Region der WHO entdeckt wurden. Das in der Europäischen Region für die Unterstützung im Bereich Ereignis-Management zuständige Team (IMST), der Mechanismus von WHO/Europa zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie, war einen Tag zuvor aktiviert worden, während die Länder in der Region sich auf den Fall vorbereiteten, dass erste Fälle des in China entdeckten „neuartigen Coronavirus“ Europa erreichten.
Die am heutigen Tag veröffentlichte Zeitachse der Reaktion von WHO/Europa auf COVID-19 hebt die wichtigsten Ereignisse hervor, die sich ereigneten, während das Regionalbüro den Herausforderungen der Pandemie begegnete und dadurch letztlich Menschenleben rettete. Darüber hinaus dient sie als Ausgangspunkt für die Verbesserung unserer Bereitschaftsplanung für und Reaktion auf künftige gesundheitliche Notlagen sowie für einen Wiederaufbau zum Besseren.
„2020 war ein Jahr, dass auch vielen kommenden Generationen in Erinnerung bleiben wird, dafür, dass es das Leben und die Lebensgrundlage aller Menschen einem Belastungstest unterzogen hat“, erklärte Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa. „Gesundheitssysteme und Krisenreaktion mussten eilig und radikal umgestaltet werden, um auf die Bedürfnisse der Öffentlichkeit einzugehen, während die Verknüpfungen zwischen Gesundheit und Wirtschaft sich als größer erwiesen haben, als wir uns das zuvor hätten vorstellen können. Das vergangene Jahr hat das Thema Gesundheit in den Mittelpunkt gesellschaftlicher Wertvorstellungen wie Chancengleichheit, Solidarität und Teilhabe gerückt.“
Die lebendige Zeitachse von WHO/Europa
Vorsorge und Bereitschaft in Reaktion verwandeln
Die Geschwindigkeit, mit der sich das Virus ausbreitete, war dramatisch, doch das Programm für gesundheitliche Notlagen von WHO/Europa (WHE) reagierte rasch. Ende Januar erklärte die WHO den Ausbruch des neuartigen Coronavirus zu einer „gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite“, benannte die Erkrankung ab Februar offiziell in „COVID-19“ um und erklärte den Ausbruch einen Monat später zu einer Pandemie.
Ab Anfang Januar 2020 war das WHE-Team im Regionalbüro rasch mobilisiert worden, um auf die dringenden Bedürfnisse der Länder in der Europäischen Region eingehen zu können, die sich einer neuen viralen Bedrohung gegenübersahen. Grundlage der Reaktion war dabei eine solide Basis an Vorsorge und Bereitschaftsplanung.
„Aufbauend auf jahrelanger Arbeit und Erfahrung wurden die Länder in der Europäischen Region in Alarmbereitschaft versetzt, um COVID-19-Fälle aufzudecken, Symptome und Übertragungswege zu identifizieren und Strategien für die Prävention und Bekämpfung des Virus auszuarbeiten“, erklärte Dr. Dorit Nitzan, Direktorin für gesundheitliche Notlagen in der Europäischen Region der WHO. „Wir erwarteten, dass die ersten europäischen Fälle innerhalb weniger Tage auftreten würden. Als uns der erste Fall in Europa gemeldet wurde, waren unsere Reaktionsmechanismen bereits gerüstet und einsatzbereit.“
Die umfangreiche Infrastruktur, die WHO/Europa für die Bekämpfung der Influenza etabliert hatte, wurde schnell für die Reaktion auf COVID-19 umfunktioniert. Es wurden regionsweite Netzwerke aktiviert, um die schnelle Entdeckung, Bestätigung und Beschreibung der ersten Fälle von COVID-19 in der Europäischen Region zu gewährleisten. Diese Netzwerke, die zusammen mit dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) betrieben werden, halfen zudem dabei, ein Verständnis für das Virus, seine klinischen Symptome, seine Übertragungswege und den Schweregrad der Infektion zu entwickeln.
Unterstützung der Länder von zentraler Bedeutung
Die Zusammenarbeit mit den Ländern zur Eindämmung der Pandemie und Minimierung ihrer sozioökonomischen Folgen war und ist weiterhin die oberste Priorität von WHO/Europa. Das Regionalbüro förderte den Informationsfluss und bot rund um die Uhr fachliche, politische und operationelle Unterstützung, es half bei der Analyse von Defiziten und der Anpassung von Leitlinien an lokale Gegebenheiten und Rahmenbedingungen und trieb die Reaktion auf die Pandemie voran, während es gleichzeitig um die Stärkung der Gesundheitssysteme bemüht war.
Im Jahr 2020 führte WHO/Europa 165 Missionen in 22 Länder und Gebiete durch. Die erste dieser Ländermissionen erfolgte Anfang Februar nach Kasachstan, kurz darauf gefolgt von der Ankunft von Expertenteams in Serbien und Tadschikistan sowie von virtuellen Missionen nach Armenien und in das Kosovo.[1]
WHO/Europa setzte Experten vor Ort ein, mobilisierte Partnernetzwerke im Rahmen des Globalen Netzwerks zur Warnung und Reaktion bei Krankheitsausbrüchen (GOARN) und ermöglichte die Aussendung von medizinischen Notfallteams von einem Land in ein anderes.
Neue Kommunikationsplattformen
COVID-19 ist die erste Pandemie in der Geschichte, bei der Technologie und soziale Medien in großem Umfang zum Einsatz kommen, um in Echtzeit Informationen auszutauschen.
Am 20. Februar 2020 startete WHO/Europa die Übersichtsseite zur aktuellen COVID-19-Situation in der Europäischen Region, über die Daten aus den Mitgliedstaaten in der Europäischen Region zu COVID-19-Fällen und -Todesfällen sowie Informationen über die Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und sozialen Maßnahmen abgerufen werden können. Ende Dezember 2020 verzeichnete die Übersichtsseite über 8 Millionen Besucher.
COVID-19 hat die Schlagzeilen und den öffentlichen Diskurs in allen Teilen der Region und weltweit bestimmt. Infolge des Aufkommens einer regelrechten COVID-19-Infodemie – eines Überangebots von Informationen – sind evidenzbasierte, zeitnahe und verständliche Informationen wichtiger denn je. WHO/Europa legt den Schwerpunkt auf klare, einheitliche Kommunikation und die direkte Einbeziehung der Bevölkerung über soziale Medien, Apps und Umfragen, sowie indirekt über die Presse. Im Jahr 2020 gab der WHO-Regionaldirektor für Europa insgesamt 44 öffentliche Erklärungen ab und war über Social Media-Kanäle äußerst aktiv.
Gewonnene Erkenntnisse sind entscheidend für zukünftige Erfolge
Diese „lebendige Zeitachse“ zur Reaktion der WHO auf COVID-19 in der Europäischen Region wirft einen Blick zurück, bietet Gelegenheit für Analysen und identifiziert die gewonnenen Erkenntnisse, die unsere Arbeit in Zukunft leiten können.
- So hat die COVID-19-Pandemie erstens Defizite bei den Investitionen vieler Länder in Vorsorge- und Gegenmaßnahmen verdeutlicht. Dies unterstreicht, dass wir überdenken und neu planen müssen, wie wir Gesundheitssysteme widerstandsfähiger gegen Notlagen machen können.
- Zweitens ist strategische Planung auf Grundlage einer Bewertung der Stärken und Schwächen sowie der Gefahren, für die ein Land anfällig ist, entscheidend für eine wirksame Reaktion. Hierzu zählen etwa die Einrichtung von Einsatzzentralen für gesundheitliche Notlagen und von operationellen Systemen mit Weisungs- und Kontrollfunktionen sowie innovative Ansätze für Tests, Behandlung, Übertragungskontrolle, Impfmaßnahmen und Kommunikation.
- Drittens hat COVID-19 deutlich gezeigt, dass eine kohärente, gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche Reaktion für ein wirksames Notfallmanagement unerlässlich ist. Dadurch wird gewährleistet, dass die politischen Entscheidungsprozesse koordiniert ablaufen und konsistent und inklusiv sind und sie die sich verändernden Bedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen widerspiegeln.
Wiederaufbau zum Besseren
Vom Beginn der Pandemie an bettete WHO/Europa die Erholung und den Wiederaufbau zum Besseren in Gegenmaßnahmen und entsprechende Pläne ein. Während das Regionalbüro und die Länder von den Erfahrungen mit COVID-19 lernen, hat dies auch die beispiellose Gelegenheit geboten, Lücken und Defizite in den Gesundheitssystemen aufzudecken und damit zu beginnen, diese zu schließen.
In Vorbereitung auf eine „neue Realität“ richtete der Regionaldirektor eine Paneuropäische Kommission für Gesundheit und nachhaltige Entwicklung ein, um WHO/Europa in unabhängiger Weise zu beraten, politische Prioritäten zu überdenken und Empfehlungen zu Investitionen und Reformen zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit von Gesundheits- und Sozialsystemen abzugeben. Die Abgabe dieser Empfehlungen ist für September dieses Jahres angesetzt.
Das Jahr 2020 hat uns gelehrt, dass Gesundheit nicht etwas ist, das wir als selbstverständlich hinnehmen können, und dass die Gesundheitsversorgung nur dann wahrlich wirksam ist und alle Menschen schützt, wenn jeder einen chancengleichen Zugang zu ihr hat. Wenn wir uns selbst und andere vor künftigen Krisen schützen wollen, darf niemand zurückgelassen werden.
[1] In Übereinstimmung mit Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen.