Gesichter der WHO – Michail

Michail Okolyiski/WHO

Michail Okolyiski – Bulgarien

29. April 2021

Michail Okolyiski ist Psychotherapeut und hat einen Doktor in Sexologie und arbeitet als national angeworbener Fachreferent im WHO-Länderbüro in Bulgarien. Um sich gesund zu halten und Energie zu tanken, stürzt er sich mit seiner Windsurfing-Ausrüstung in die Wellen des Schwarzen Meeres (oder anderswo).


Was hat Sie an einer Tätigkeit bei der WHO gereizt?

Das Konzept der WHO des völligen Wohlbefindens habe ich schon immer gemocht. Dabei handelt es sich natürlich um einen Trugschluss, der niemals völlig verwirklicht werden kann, aber das letztendliche Ziel ist es, eine Synergie und ein Gleichgewicht zwischen der körperlichen, mentalen, sozialen, sexuellen und emotionalen Gesundheit zu finden – nicht nur das Freisein von Krankheit zu erreichen. Dieses Ziel ist sehr wichtig für mich und liegt mir sehr am Herzen.

Nach dem Ende meines Studiums an der Humboldt-Universität Berlin, bin ich nach Bulgarien zurückgekehrt und habe 15 Jahre lang beim Gesundheitsministerium im Bereich der psychischen Gesundheitsversorgung gearbeitet und war in die landesweite Reformierung der psychischen Gesundheit und psychiatrischen Versorgung eingebunden. Vor sieben Jahre wechselte ich zur WHO und übernahm die Position eines Büroleiters, und seit drei Jahren bin ich als Experte für öffentliche Gesundheit tätig und decke dabei alle Bereiche der Arbeit ab: nichtübertragbare Krankheiten, psychische Gesundheit und übertragbare Krankheiten. Darüber hinaus lehre ich im Rahmen meiner Tätigkeit bei der WHO Sexologie und reproduktive Gesundheit an der Süd-West-Universität „Neofit Rilski“ in Blagoewgrad. Meine Arbeit bereitet mir wirklich viel Vergnügen.

Erzählen Sie uns, wie sich Ihre Arbeit auf andere auswirkt.

Das ist letztendlich die ultimative Frage, vielleicht die wichtigste Frage überhaupt: bewirken wir etwas im Leben anderer – erreichen wir etwas mit unserer Arbeit? Ich glaube, ja. Gestatten Sie mir, dies anhand einiger Beispiele zu veranschaulichen: Zu Beginn der COVID-19-Pandemie mit all ihren Ungewissheiten und Unwägbarkeiten bedurfte es in Bulgarien glaub ich am dringendsten einer zuverlässigen, faktenbasierten, aber auch humanen Reaktion auf die Ängste der Menschen sowie korrekter Informationen und Daten verbunden mit Empfehlungen, wie sich die Menschen verhalten sollten. Daher arbeiteten das Länderteam und ich so hart wie möglich daran, bewährte Praktiken und korrekte, evidenzbasierte Informationen für die Menschen in Bulgarien bereitzustellen.

Ein weiteres Beispiel ist unsere Arbeit im Bereich Gesundheits- und Sexualerziehung. Es besteht ein großer Unterschied zwischen den Balkanländern und den westlichen Ländern – in Deutschland etwa wird die Sexualerziehung als etwas ganz Normales angesehen, das zu einem gesunden Start ins Leben beiträgt. Der Grund, warum wir darum kämpfen, ist einfach: fehlende Gesundheits- und Sexualerziehung kann zu ungesunden Verhaltensweisen und ungesunden Entscheidungen führen, wie der Konsum von Tabak und Alkohol, Bewegungsmangel oder unsichere Sexualpraktiken. Bereits jetzt können wir positive Resultate unserer Arbeit sehen – wir dringen zu den Menschen durch und die Verhaltensweisen verändern sich langsam aber sicher.

Sie sind ein kleines Büro, das große Wirkung erzielt. Wie machen Sie das?

Wir sind hier nur zu dritt, aber die erzielte Wirkung hängt nicht von der Größe eines WHO-Länderbüros ab. Durch die Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen können wir deutlich mehr erreichen, als wenn wir allein und isoliert von anderen arbeiten. So haben wir etwa während der gesamten COVID-19-Reaktion eng mit unserer Schwesterorganisation bei den Vereinten Nationen UNICEF zusammengearbeitet. Ein weiteres wichtiges Beispiel ist unsere Arbeit mit Partnern zur Bereitstellung von Angeboten für gefährdete Frauen und Kinder, die häuslicher Gewalt ausgesetzt waren. Selbst vor der Pandemie gab es ein riesiges Bedürfnis für Unterstützung in diesem Bereich, und das hat sich seit Beginn der Krise nur verstärkt. Im letzten Jahr wurden in mehr als 20 Fällen Frauen von ihren Partnern getötet. Zusammen mit unseren WHO-Kollegen und Partnerorganisationen, wie etwa dem Ombudsmann und der führenden nichtstaatlichen Organisation in diesem Bereich, Animus, waren wir in der Lage, die Einführung von Handlungskonzepten wie dem neuen Nationalen Programm für die Prävention von häuslicher Gewalt zu unterstützen. Gegenwärtig sind wir bemüht, die Unterzeichnung der Istanbuler Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt durch Bulgarien zu forcieren. Doch gemeinsam leisten wir auch praktische Unterstützung, etwa durch die Einrichtung von Zentren für Opfer von Gewalt oder durch das Angebot von Schulungen für Allgemeinmediziner, Sozialarbeiter und Polizisten. Dies sind nur einige Beispiele. Wir bekommen Feedback vom Ombudsmann und von Opferschutzorganisationen und das gibt uns wirklich das Gefühl, dass wir nützliche Arbeit leisten. Durch unsere Arbeit und in Zusammenarbeit mit unseren Partnern haben wir konkrete Ergebnisse erzielt und eine Veränderung zum Besseren bewirkt.

Wie halten Sie sich gesund?

Hier in Sofia verzichte ich auf ein Auto. Ich bleibe gesund, indem ich mit dem Fahrrad zu Besprechungen fahre. Zudem gehe ich Windsurfen – ich bin eine richtige Wasserratte und liebe das Meer und den Wind – dadurch kann man seine Müdigkeit abschütteln und seinen Kummer wegspülen und man kann neu durchstarten, nicht nur im Privatleben, sondern auch auf der Arbeit. Das war besonders während der Pandemie und den damit einhergehenden Beschränkungen essentiell. Es ist wichtig, fit zu bleiben, sowohl für den Geist als auch für den Körper, da es sich positiv auf die Motivation, die Denkfähigkeit und die Arbeitsfähigkeit auswirkt.

Apropos Pandemie: Stellen Sie sich ein weiteres Jahr mit Lockdown vor, und für diese Zeit dürfen Sie nur ein Buch und ein Musikstück auswählen. Wofür würden Sie sich entscheiden?

Ich bin ein großer Fan von Depeche Mode und The Cure. Kann ich ein Album wählen? Ich würde mich für das Album 1010 von Depeche Mode entscheiden. Und als Buch würde ich die Bibel wählen, es sei denn, ich kann mich für mehr als ein Buch entscheiden?

Nein, nur das eine. Aber Sie können eine – lebende oder historische – Person zum Abendessen einladen. Wer wäre das?

Oh Wow. Ich glaube, ich würde Winston Churchill einladen. Er ist ein sehr interessanter Mensch. Als Führer war er in der Lage, im Kampf gegen das Nazi-Regime unterschiedliche Kräfte zusammenzubringen, das gesamte Vereinigte Königreich und andere Verbündete. Zudem hatte er eine sehr menschliche Seite, was ich sehr interessant finde. Er hat sich oft intensiv mit seiner Frau ausgetauscht, noch bevor sich die Emanzipations-Bewegung etablierte, und er hat sich nicht davor gescheut, seine Frau um Rat zu fragen und zu zeigen, dass er davon profitierte. Während des Zweiten Weltkriegs war er zudem mit der Geschichte Bulgariens verbunden. Ich interessiere mich für Menschen, die Schwäche zeigen, und ich erfahre gern mehr darüber, wie sie ihr Leben bewältigen oder bewältigt haben und wie sie in der Lage waren, trotz großer Fehler oder großer Verluste weiter zu machen. Churchill hat in manchen Fällen katastrophale Entscheidungen getroffen, aber er hat überlebt. Ich finde, er ist eine sehr komplexe, interessante, kontroverse und verletzliche Persönlichkeit.


WHO-Länderbüro Bulgarien

  • Zahl der Mitarbeiter: 3
  • In Betrieb seit: den frühen 1990er Jahren.
  • Wichtigste Schwerpunktbereiche: psychische Gesundheit, nichtübertragbare Krankheiten, HIV, Virushepatitis, Tabakkonsum, Ernährung, gesundheitsfördernde Schulen, Gewalt gegen Frauen, Gewalt gegen Kinder, Gesundheitssysteme.
  • Das WHO-Länderbüro hat im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt während der COVID-19-Pandemie Koalitionen mit dem Ombudsmann, der nichtstaatlichen Organisation Animus, UNICEF und dem Nationalen Zentrum für öffentliche Gesundheit und Analysen beim Gesundheitsministerium geschlossen. Darüber hinaus haben sie die nichtstaatliche Organisation Single Step bei der Bereitstellung von HIV-Selbsttests und anderen Angeboten für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender (LGBT) sowie andere gefährdete Gruppen unterstützt.