Annas Geschichte
Wenn ich wirklich krank bin und die Stimme meines inneren Teufels stark ist, versuche ich manchmal, mir einen Arm oder ein Bein oder einen anderen Knochen zu brechen. Dann stelle ich mir vor, wenn ich einen gebrochenen Knochen habe, dann können die Menschen sehen, dass etwas nicht in Ordnung ist und ich Schmerzen habe. Aber allgemein habe ich den Eindruck, dass psychische Krankheiten den Menschen heute weniger Angst machen als noch vor ein paar Jahren. Die Diskussion wird heute offener geführt, und es gibt kein so starkes Stigma mehr.
Ich bin eine 30-jährige Isländerin, die mit Schizophrenie diagnostiziert wurde. Ich habe mir etwa seit meinem zwölften Lebensjahr häufig körperlich Schaden zugefügt, und mein Körper ist bedeckt mit Narben, die mich bis an mein Lebensende zeichnen werden. Als ich 18 Jahre alt war, begann ich Stimmen zu hören, und ich höre sie seitdem fast jeden Tag. Manche davon sind freundliche Fremde, die mich unterstützen und beraten, wenn ich mich verloren fühle, andere dagegen sind Teufel, die mich in Angst und Schrecken versetzen und krank machen. Als sie mich das erste Mal heimsuchten, war ich vor Schreck wie starr. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, und begann mich seltsam zu verhalten: Ich rasierte mir alle Haare am Körper ab und machte den Leuten um mich herum Angst. Glücklicherweise sind die Teufel nicht immer bei mir, doch wenn sie kommen, weiß ich, dass ich immer krank werde.
Ich war erst zwölf Jahre alt, als ich meinen ersten Abschiedsbrief schrieb, und als ich 16 war, nahm ich heimlich Schlaftabletten von meinem Vater und unternahm meinen ersten Selbstmordversuch. Daraufhin wurde ich in eine psychiatrische Einrichtung für Kinder und Jugendliche eingewiesen, und dort begann meine Geschichte in der Psychiatrie. Seitdem war ich immer wieder in psychiatrischen Einrichtungen. Manchmal erlebe ich bessere Zeiten, dann wieder schlechtere.
Ich habe eine wunderbare achtjährige Tochter, die bei ihrem Vater lebt. Sie bedeutet mir viel, und zeitweise ist sie der einzige Grund, warum ich meine Medikamente nehme und nicht einfach Schluss mache. Sie hilft mir, die Teufel abzuwehren und stark zu bleiben, damit ich sie aufwachsen sehen und für sie da sein kann, wenn sie mich braucht.
Von ihrem Vater habe ich mich im Februar getrennt, nachdem wir zuvor zehn Jahre zusammen gelebt hatten. Ich lernte ihn bei einem Aufenthalt in der Psychiatrie kennen, und er war der hilfsbereiteste Mensch, den man sich vorstellen kann. Einen Großteil der Besserung meines Gesundheitszustands verdanke ich ihm. Auch seine Familie hat mich immer unterstützt, auch wenn sie mich manchmal kaum verstehen konnten.
Ich hatte eine schlimme Kindheit, auch wenn es zwischendurch einige gute Phasen gab. Ich wurde ab meinem neunten Lebensjahr von meinem Stiefvater sexuell missbraucht. Als meine Mutter fünf Jahre später davon erfuhr, beschwichtigte mein Schwiegervater sie dadurch, dass er die Tatsache zugab, gleichzeitig aber versicherte, er könne das seinen eigenen Kindern nie antun. Offenbar gab sie sich damit zufrieden; jedenfalls unternahm sie nichts.
Da von meiner Mutter keine Verbesserung zu erwarten war, zog ich ein Jahr später zu meinem leiblichen Vater, der in einem anderen Teil des Landes lebte. Zunächst schien alles gut zu sein, doch nach ein paar Monaten begann auch er mich zu missbrauchen und zu vergewaltigen. Es stellte sich heraus, dass er drogenabhängig war, und als ich ihn deswegen zur Rede stellte, gab er sich keine Mühe mehr, seine Sucht zu verbergen, sondern nahm seine Drogen von nun an ganz offen vor mir.
Während all dieser Zeit hatte ich in meiner Phantasie eine Freundin, die mir eine große Hilfe war. Ihr vollständiger Name war Timothy Kent Mason, aber ich nannte sie Tim. Sie war eine Art Soldatin und psychisch so stark, dass keine Folter ihr etwas anhaben konnte. Jedes Mal, wenn es hart für mich wurde, verwandelte ich mich in Tim. Einmal, als ich noch bei meiner Mutter wohnte, hatte ich Probleme in der Schule. Damals schwänzte ich den Unterricht und versteckte mich stattdessen den ganzen Tag lang im Keller, während meine Mutter dachte, ich sei in der Schule. Ich lag die ganze Zeit in einem Schlafsack und erlebte die tollsten Abenteuer mit Tim. Leider ist sie heute nicht mehr bei mir. Sie verschwand etwa um die Zeit, als die bösen Stimmen kamen. Ich vermisse sie sehr und trauere um sie. Sie war meine liebste Freundin und immer für mich da, wenn ich sie brauchte.
Ich brachte die Schule mit Anstand zu Ende, sogar mit sehr guten Noten, doch an der Universität kam ich nicht zurecht. Insgesamt versuchte ich an drei verschiedenen Universitäten mein Glück, bevor ich es schließlich aufgab. Dann lebte ich wieder bei meiner Mutter, aber unser Verhältnis wurde immer schlechter. Am Ende musste ich zu einer Einrichtung des Roten Kreuzes für Kinder und Jugendliche gehen, weil ich keine andere Zufluchtsstätte hatte. Dort haute ich ab und lebte auf der Straße, dann eine Weile mit Freunden. Ich begann Haschisch zu rauchen. Nach meinem dritten und schlimmsten Suizidversuch lernte ich meinen späteren Mann kennen und zog mit ihm zusammen.
Ich habe in ein paar Gelegenheitsjobs gearbeitet, dann eine Weile an einem geschützten Arbeitsplatz, aber da ich jedem potenziellen Arbeitgeber von meiner Krankheit erzähle, ist es schwer, eine Stelle zu finden. Ich war nie lang genug an der Universität, um auch nur ein Semester zu Ende zu bringen, deshalb habe ich keine Ausbildung. Aber ohne Ausbildung habe ich keine Chance auf eine Arbeit, die mir wirklich Spaß macht, und so musste ich tatenlos zusehen, wie sich meine Träume in Luft auflösten. Das war ein harter Schlag für meine Selbstachtung, und ich fühle mich oft wie ein wertloses Stück Dreck.
Seit einiger Zeit bin ich in einer Patientenorganisation namens Hugarafl aktiv, das bedeutet „geistige Kraft“. Dazu kam ich durch meinen Ex-Mann, der damals dort sehr engagiert war. Ich habe für sie u. a. Broschüren übersetzt, und sie haben mir auf vielerlei Weise geholfen, z. B. mit Lebensmittelspenden für Weihnachten und indem sie meine Einweisung ins Krankenhaus veranlassten, als ich es brauchte (in Island kann die Einweisung in eine Psychiatrie u. U. sehr schwierig sein, wenn man nicht von einem Krankenwagen oder von der Polizei dorthin gebracht wird). Meine Arbeit als Übersetzerin hat mir das Gefühl gegeben, etwas Nützliches zu tun und etwas für die Organisation tun zu können. Sie bieten mir auch einen Platz, wo ich mich entspannen und andere Psychiatrie-Erfahrene kennenlernen kann; außerdem kann ich dort einen Arbeitsplatz benutzen, wenn ich ihn brauche. Andere Angebote, die ich in Anspruch nahm, waren die Gespräche mit einem Beschäftigungstherapeuten und die Besuche eines Mitarbeiters, der morgens an der Tür klingelte und dafür sorgte, dass ich aufstand, meine Medikamente nahm und rechtzeitig aus dem Haus kam.
Weniger positiv sind meine Erfahrungen mit psychiatrischen Krankenhäusern. Um dort bleiben zu dürfen, müssen die Patienten Medikamente nehmen, und die Ärzte bekommen sie kaum zu sehen. Bestenfalls sprechen sie pro Tag ein paar Minuten mit dem Patienten, fragen nach seinem Befinden, und wenn man sich gut fühlt, dann wünschen sie einem einen guten Tag und gehen. Anderenfalls bedauern sie, dass es einem schlecht geht – und dann gehen sie genauso.
Im Krankenhaus arbeitet ein Psychologe, der mir erklärt hat, bei einer Schizophrenie-Diagnose würde mir anders als bei Depressionen eine Gesprächstherapie nicht helfen. Trotzdem habe ich außerhalb des Krankenhauses Kontakt mit einem Arzt, der mit mir Gesprächstherapie macht. Ich soll ihn alle zwei Wochen zu einer halbstündigen Sitzung treffen, was aber teuer ist, so dass ich oft nicht hingehen kann, obwohl ich es eigentlich bräuchte. Trotzdem bin ich froh, dass ich ihn habe.
Ich fände es gut, wenn Gesprächstherapie besser zugänglich, weniger teuer und leichter zu bekommen wäre als es heute der Fall ist. Wenn ein Patient zum ersten Mal einen Therapeuten braucht, muss er zuerst stundenlang mit Ärzten herumtelefonieren, bevor er einen findet, der ihn annimmt. Manche sind ausgebucht, andere nehmen nur Patienten, die ihnen von anderen Ärzten überwiesen werden, und überhaupt sind Psychologen so teuer, dass der Durchschnittsbürger sie sich nicht leisten kann.
Ich würde mir auch wünschen, dass die psychiatrischen Krankenhäuser die Patienten etwas früher aufnehmen, und nicht erst, wenn sie schon schwer krank sind. So könnten schwere gesellschaftliche Schäden vermieden werden, wie sie etwa entstehen, wenn ein Patient von Familie und Freundeskreis wegen seines problematischen Verhaltens aufgegeben wird. Viele Menschen verlieren ihre Arbeit, weil ihre Krankheit ihnen eine geregelte Beschäftigung unmöglich macht, oder sie verlieren ihr Zuhause, weil sie zu krank sind, um regelmäßig die Miete zu zahlen. Wenn die Patienten früher aufgenommen würden, könnte die Gesellschaft viel Geld sparen, und unnötige Krankheit könnte vermieden werden; die Menschen müssten nicht so viel Zeit im Krankenhaus verbringen und könnten viel früher wieder in die Gesellschaft zurückkehren.
Wichtig ist auch die Betreuung der Patienten nach ihrer Entlassung aus der Psychiatrie. Dabei sollte jedem Patienten ein Sozialarbeiter zur Seite gestellt werden, der ihm hilft, ein geregeltes Leben zu führen, und jeder sollte mindestens einen Termin mit einem Arzt oder Psychologen außerhalb der Klinik erhalten.
Eine andere Idee ist, dass einem Patienten beim Verlassen des Krankenhauses Kontakt mit einem erfahrenen Patienten vermittelt wird, der dem „Neuling“ bei seinen ersten Schritten im psychiatrischen System außerhalb geschlossener Psychiatrien beratend zur Seite steht. Vielleicht entwickelt sich daraus ja sogar eine Freundschaft.
Trotz aller Defizite habe ich den Eindruck, dass es in letzter Zeit einige Verbesserungen im psychiatrischen System in Island gibt. Die Ärzte sind heute offener für Alternativen zum traditionellen System und empfehlen den Patienten eher einmal Organisationen für Psychiatrie-Erfahrene und Selbsthilfegruppen. Auch Beschäftigungstherapie während und nach Krankenhausaufenthalten wird heute zunehmend eingesetzt. Auch meine persönliche Situation hat sich inzwischen verbessert. Ich werde ab Januar studieren und möchte Grafikdesignerin werden.
Das war meine Geschichte. Ihnen allen vielen Dank fürs Zuhören.
Ich bin eine 30-jährige Isländerin, die mit Schizophrenie diagnostiziert wurde. Ich habe mir etwa seit meinem zwölften Lebensjahr häufig körperlich Schaden zugefügt, und mein Körper ist bedeckt mit Narben, die mich bis an mein Lebensende zeichnen werden. Als ich 18 Jahre alt war, begann ich Stimmen zu hören, und ich höre sie seitdem fast jeden Tag. Manche davon sind freundliche Fremde, die mich unterstützen und beraten, wenn ich mich verloren fühle, andere dagegen sind Teufel, die mich in Angst und Schrecken versetzen und krank machen. Als sie mich das erste Mal heimsuchten, war ich vor Schreck wie starr. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, und begann mich seltsam zu verhalten: Ich rasierte mir alle Haare am Körper ab und machte den Leuten um mich herum Angst. Glücklicherweise sind die Teufel nicht immer bei mir, doch wenn sie kommen, weiß ich, dass ich immer krank werde.
Ich war erst zwölf Jahre alt, als ich meinen ersten Abschiedsbrief schrieb, und als ich 16 war, nahm ich heimlich Schlaftabletten von meinem Vater und unternahm meinen ersten Selbstmordversuch. Daraufhin wurde ich in eine psychiatrische Einrichtung für Kinder und Jugendliche eingewiesen, und dort begann meine Geschichte in der Psychiatrie. Seitdem war ich immer wieder in psychiatrischen Einrichtungen. Manchmal erlebe ich bessere Zeiten, dann wieder schlechtere.
Ich habe eine wunderbare achtjährige Tochter, die bei ihrem Vater lebt. Sie bedeutet mir viel, und zeitweise ist sie der einzige Grund, warum ich meine Medikamente nehme und nicht einfach Schluss mache. Sie hilft mir, die Teufel abzuwehren und stark zu bleiben, damit ich sie aufwachsen sehen und für sie da sein kann, wenn sie mich braucht.
Von ihrem Vater habe ich mich im Februar getrennt, nachdem wir zuvor zehn Jahre zusammen gelebt hatten. Ich lernte ihn bei einem Aufenthalt in der Psychiatrie kennen, und er war der hilfsbereiteste Mensch, den man sich vorstellen kann. Einen Großteil der Besserung meines Gesundheitszustands verdanke ich ihm. Auch seine Familie hat mich immer unterstützt, auch wenn sie mich manchmal kaum verstehen konnten.
Ich hatte eine schlimme Kindheit, auch wenn es zwischendurch einige gute Phasen gab. Ich wurde ab meinem neunten Lebensjahr von meinem Stiefvater sexuell missbraucht. Als meine Mutter fünf Jahre später davon erfuhr, beschwichtigte mein Schwiegervater sie dadurch, dass er die Tatsache zugab, gleichzeitig aber versicherte, er könne das seinen eigenen Kindern nie antun. Offenbar gab sie sich damit zufrieden; jedenfalls unternahm sie nichts.
Da von meiner Mutter keine Verbesserung zu erwarten war, zog ich ein Jahr später zu meinem leiblichen Vater, der in einem anderen Teil des Landes lebte. Zunächst schien alles gut zu sein, doch nach ein paar Monaten begann auch er mich zu missbrauchen und zu vergewaltigen. Es stellte sich heraus, dass er drogenabhängig war, und als ich ihn deswegen zur Rede stellte, gab er sich keine Mühe mehr, seine Sucht zu verbergen, sondern nahm seine Drogen von nun an ganz offen vor mir.
Während all dieser Zeit hatte ich in meiner Phantasie eine Freundin, die mir eine große Hilfe war. Ihr vollständiger Name war Timothy Kent Mason, aber ich nannte sie Tim. Sie war eine Art Soldatin und psychisch so stark, dass keine Folter ihr etwas anhaben konnte. Jedes Mal, wenn es hart für mich wurde, verwandelte ich mich in Tim. Einmal, als ich noch bei meiner Mutter wohnte, hatte ich Probleme in der Schule. Damals schwänzte ich den Unterricht und versteckte mich stattdessen den ganzen Tag lang im Keller, während meine Mutter dachte, ich sei in der Schule. Ich lag die ganze Zeit in einem Schlafsack und erlebte die tollsten Abenteuer mit Tim. Leider ist sie heute nicht mehr bei mir. Sie verschwand etwa um die Zeit, als die bösen Stimmen kamen. Ich vermisse sie sehr und trauere um sie. Sie war meine liebste Freundin und immer für mich da, wenn ich sie brauchte.
Ich brachte die Schule mit Anstand zu Ende, sogar mit sehr guten Noten, doch an der Universität kam ich nicht zurecht. Insgesamt versuchte ich an drei verschiedenen Universitäten mein Glück, bevor ich es schließlich aufgab. Dann lebte ich wieder bei meiner Mutter, aber unser Verhältnis wurde immer schlechter. Am Ende musste ich zu einer Einrichtung des Roten Kreuzes für Kinder und Jugendliche gehen, weil ich keine andere Zufluchtsstätte hatte. Dort haute ich ab und lebte auf der Straße, dann eine Weile mit Freunden. Ich begann Haschisch zu rauchen. Nach meinem dritten und schlimmsten Suizidversuch lernte ich meinen späteren Mann kennen und zog mit ihm zusammen.
Ich habe in ein paar Gelegenheitsjobs gearbeitet, dann eine Weile an einem geschützten Arbeitsplatz, aber da ich jedem potenziellen Arbeitgeber von meiner Krankheit erzähle, ist es schwer, eine Stelle zu finden. Ich war nie lang genug an der Universität, um auch nur ein Semester zu Ende zu bringen, deshalb habe ich keine Ausbildung. Aber ohne Ausbildung habe ich keine Chance auf eine Arbeit, die mir wirklich Spaß macht, und so musste ich tatenlos zusehen, wie sich meine Träume in Luft auflösten. Das war ein harter Schlag für meine Selbstachtung, und ich fühle mich oft wie ein wertloses Stück Dreck.
Seit einiger Zeit bin ich in einer Patientenorganisation namens Hugarafl aktiv, das bedeutet „geistige Kraft“. Dazu kam ich durch meinen Ex-Mann, der damals dort sehr engagiert war. Ich habe für sie u. a. Broschüren übersetzt, und sie haben mir auf vielerlei Weise geholfen, z. B. mit Lebensmittelspenden für Weihnachten und indem sie meine Einweisung ins Krankenhaus veranlassten, als ich es brauchte (in Island kann die Einweisung in eine Psychiatrie u. U. sehr schwierig sein, wenn man nicht von einem Krankenwagen oder von der Polizei dorthin gebracht wird). Meine Arbeit als Übersetzerin hat mir das Gefühl gegeben, etwas Nützliches zu tun und etwas für die Organisation tun zu können. Sie bieten mir auch einen Platz, wo ich mich entspannen und andere Psychiatrie-Erfahrene kennenlernen kann; außerdem kann ich dort einen Arbeitsplatz benutzen, wenn ich ihn brauche. Andere Angebote, die ich in Anspruch nahm, waren die Gespräche mit einem Beschäftigungstherapeuten und die Besuche eines Mitarbeiters, der morgens an der Tür klingelte und dafür sorgte, dass ich aufstand, meine Medikamente nahm und rechtzeitig aus dem Haus kam.
Weniger positiv sind meine Erfahrungen mit psychiatrischen Krankenhäusern. Um dort bleiben zu dürfen, müssen die Patienten Medikamente nehmen, und die Ärzte bekommen sie kaum zu sehen. Bestenfalls sprechen sie pro Tag ein paar Minuten mit dem Patienten, fragen nach seinem Befinden, und wenn man sich gut fühlt, dann wünschen sie einem einen guten Tag und gehen. Anderenfalls bedauern sie, dass es einem schlecht geht – und dann gehen sie genauso.
Im Krankenhaus arbeitet ein Psychologe, der mir erklärt hat, bei einer Schizophrenie-Diagnose würde mir anders als bei Depressionen eine Gesprächstherapie nicht helfen. Trotzdem habe ich außerhalb des Krankenhauses Kontakt mit einem Arzt, der mit mir Gesprächstherapie macht. Ich soll ihn alle zwei Wochen zu einer halbstündigen Sitzung treffen, was aber teuer ist, so dass ich oft nicht hingehen kann, obwohl ich es eigentlich bräuchte. Trotzdem bin ich froh, dass ich ihn habe.
Ich fände es gut, wenn Gesprächstherapie besser zugänglich, weniger teuer und leichter zu bekommen wäre als es heute der Fall ist. Wenn ein Patient zum ersten Mal einen Therapeuten braucht, muss er zuerst stundenlang mit Ärzten herumtelefonieren, bevor er einen findet, der ihn annimmt. Manche sind ausgebucht, andere nehmen nur Patienten, die ihnen von anderen Ärzten überwiesen werden, und überhaupt sind Psychologen so teuer, dass der Durchschnittsbürger sie sich nicht leisten kann.
Ich würde mir auch wünschen, dass die psychiatrischen Krankenhäuser die Patienten etwas früher aufnehmen, und nicht erst, wenn sie schon schwer krank sind. So könnten schwere gesellschaftliche Schäden vermieden werden, wie sie etwa entstehen, wenn ein Patient von Familie und Freundeskreis wegen seines problematischen Verhaltens aufgegeben wird. Viele Menschen verlieren ihre Arbeit, weil ihre Krankheit ihnen eine geregelte Beschäftigung unmöglich macht, oder sie verlieren ihr Zuhause, weil sie zu krank sind, um regelmäßig die Miete zu zahlen. Wenn die Patienten früher aufgenommen würden, könnte die Gesellschaft viel Geld sparen, und unnötige Krankheit könnte vermieden werden; die Menschen müssten nicht so viel Zeit im Krankenhaus verbringen und könnten viel früher wieder in die Gesellschaft zurückkehren.
Wichtig ist auch die Betreuung der Patienten nach ihrer Entlassung aus der Psychiatrie. Dabei sollte jedem Patienten ein Sozialarbeiter zur Seite gestellt werden, der ihm hilft, ein geregeltes Leben zu führen, und jeder sollte mindestens einen Termin mit einem Arzt oder Psychologen außerhalb der Klinik erhalten.
Eine andere Idee ist, dass einem Patienten beim Verlassen des Krankenhauses Kontakt mit einem erfahrenen Patienten vermittelt wird, der dem „Neuling“ bei seinen ersten Schritten im psychiatrischen System außerhalb geschlossener Psychiatrien beratend zur Seite steht. Vielleicht entwickelt sich daraus ja sogar eine Freundschaft.
Trotz aller Defizite habe ich den Eindruck, dass es in letzter Zeit einige Verbesserungen im psychiatrischen System in Island gibt. Die Ärzte sind heute offener für Alternativen zum traditionellen System und empfehlen den Patienten eher einmal Organisationen für Psychiatrie-Erfahrene und Selbsthilfegruppen. Auch Beschäftigungstherapie während und nach Krankenhausaufenthalten wird heute zunehmend eingesetzt. Auch meine persönliche Situation hat sich inzwischen verbessert. Ich werde ab Januar studieren und möchte Grafikdesignerin werden.
Das war meine Geschichte. Ihnen allen vielen Dank fürs Zuhören.