Unbeabsichtigte Strafe: Haftaufenthalte dürfen nicht zur Infektion mit HIV oder Tuberkulose führen

Gesundheitsexperten aus der Europäischen Region einigen sich auf Empfehlungen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten in Haftanstalten

Kopenhagen/Madrid, 29. Oktober 2009

In der Europäischen Region befinden sich zu jedem Zeitpunkt über zwei Millionen Menschen in Haft. Haftanstalten bergen extrem hohe Risiken in Bezug auf die Übertragung von Infektions-krankheiten, da sie eine Vielzahl von Risikofaktoren aufweisen: überfüllte Zellen, schlechte Er-nährung, einen beschränkten Zugang zur Gesundheitsversorgung, regelmäßigen Drogenkonsum mit unsicheren Injektionspraktiken, ungeschützten Geschlechtsverkehr und Tätowierung. Um zu verhindern, dass Haftanstalten zu einer Brutstätte für Infektionskrankheiten werden, müssen Ge-sundheitsversorgung, Prävention und Behandlung zu einem integralen Bestandteil des Strafvoll-zugs werden. Die Förderung von Gesundheit im Strafvollzug sollte in der nationalen Politik fest verankert und die Gesundheitsversorgung im Strafvollzug eng in das öffentliche Gesundheitswe-sen eingebunden werden. Dies gilt für alle Gesundheitsfragen, in besonderem Maße jedoch für übertragbare Krankheiten.

Unbeabsichtigte Strafe

Eine Haftstrafe hat oft auch nach der Haftentlassung noch Auswirkungen. Denn bei Haftantritt gesunde Personen laufen in erheblichem Maße Gefahr, sich während der Haft mit HIV oder Tu-berkulose zu infizieren oder drogensüchtig zu werden. Zusammen mit dem durch die Haft be-dingten Stigma beeinträchtigt dies ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft und erschwert ein normales Familien- und Sozialleben. Besonders wichtig ist die Zeit unmittelbar nach der Haftentlassung, weil die ehemaligen Häftlinge in den ersten Wochen nach ihrer Entlassung ein erhöhtes Sterberisiko tragen, insbesondere durch eine Überdosis Drogen. Deshalb gilt es wirk-same Versorgungskonzepte zu schaffen, die einen nahtlosen Übergang zwischen Strafvollzug und öffentlichem Gesundheitswesen gewährleisten.

„Haftstrafen dienen der Läuterung der Häftlinge; leider machen sie in vielen Fällen die Dinge nur noch schlimmer“, sagt Dr. Marc Danzon, WHO-Regionaldirektor für Europa. „Es darf nicht hingenommen werden, dass Haftanstalten gesundheitsschädlichen Praktiken Vorschub leisten, die dazu führen, dass die Insassen bei ihrer Entlassung weniger gesund sind als vor ihrem Haft-antritt. Denn dies verringert ihre Chancen auf Wiedereingliederung in die Gesellschaft und führt außerdem zur Ausbreitung von Infektionskrankheiten außerhalb des Strafvollzugs. Daher kom-men die Anstrengungen der Länder zum Schutz der Gesundheit der Häftlinge nicht nur den Be-troffenen selbst, sondern der Gesellschaft insgesamt zugute.“

Gesundheit der Häftlinge geht auch den Rest der Gesellschaft an

Überfüllte Haftanstalten, die hohe Fluktuation unter den Insassen und die intensiven Wechsel-beziehungen zwischen Strafvollzug und Gesellschaft begünstigen allesamt die Ausbreitung übertragbarer Krankheiten. Die Vernachlässigung der Gesundheit von Strafgefangenen hat Aus-wirkungen auf die Allgemeinheit und erhöht deren Infektionsrisiko mit Tuberkulose und HIV.

Die Empfehlung von Madrid

Vom 29. bis 31. Oktober 2009 findet in Madrid eine internationale Konferenz zum Thema „Schutz der Gesundheit im Strafvollzug“ statt. Gesundheitsexperten aus über 50 Ländern haben sich auf eine Reihe von Empfehlungen zur Bekämpfung der Ausbreitung übertragbarer Krank-heiten in Haftanstalten geeinigt. Die Zielsetzung der Empfehlung von Madrid besteht darin, da-für zu sorgen, dass sich in den Haftanstalten Gesundheit und Gesundheitsverhalten verbessern und nicht verschlechtern und dass sich die Gefahr, erneut straffällig zu werden, verringert. Vor-gesehen sind u. a. folgende kosteneffektive Maßnahmen:

  • Behandlungsprogramme für Infektionskrankheiten, einschließlich HIV/Aids, Hepatitis C und Tuberkulose;
  • Behandlungsprogramme für Drogenkonsumenten;
  • Schadensminderungsmaßnahmen;
  • Leitlinien für Hygienevorschriften;
  • Gewährleistung einer Kontinuität der Versorgung nach Haftantritt bzw. Haftentlassung in enger Abstimmung mit den maßgeblichen Akteuren;
  • psychische Gesundheitsversorgung für Häftlinge, die an übertragbaren Krankheiten leiden;
  • Schulung aller Bediensteten im Strafvollzug in Bezug auf Prävention, Behandlung und Be-kämpfung übertragbarer Krankheiten.

Weitere Auskunft erteilen:

FACHINFORMATIONEN:

Dr. Lars Møller
Kommissarischer Regionalbeauftragter, Alkohol- und Drogenkonsum
WHO-Regionalbüro für Europa
Scherfigsvej 8, DK-2100 Kopenhagen Ø, Dänemark
Tel.: +45 39 17 12 14
Fax: +45 39 17 18 18
E-Mail: lmo@euro.who.int

Brenda Van den Bergh
Fachreferentin, Projekt „Gesundheit im Strafvollzug“
WHO-Regionalbüro für Europa
Scherfigsvej 8, DK-2100 Kopenhagen Ø, Dänemark
Tel.: +45 39 17 14 01
Fax: +45 39 17 18 18
E-Mail: bvb@euro.who.int

PRESSEINFORMATIONEN:

Liuba Negru
Presse- und Medienbeziehungen
WHO-Regionalbüro für Europa
Scherfigsvej 8, DK-2100 Kopenhagen Ø, Dänemark
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Fax: +45 39 17 18 80.
E-Mail: lne@euro.who.int