Ergebnisse einer neuen WHO-Studie: 70% aller Todesfälle auf europäischen Straßen ereignen sich in den ärmeren Ländern, und 40% entfallen auf Fuß-gänger, Motorrad- und Fahrradfahrer
Kopenhagen und Moskau, 19. November 2009
Nach einer neuen, heute veröffentlichten Studie des WHO-Regionalbüros für Europa entfallen rund zwei Drittel aller Straßenverkehrstoten auf die Länder mit niedrigem bis mittlerem Einkommen. Ferner kommt die erste umfassende Bestandsaufnahme zum Thema Straßenver-kehrssicherheit in der Europäischen Region der WHO zu dem Ergebnis, dass unter den jährlich 120 000 Straßenverkehrstoten fast 50 000 Fußgänger, Motorrad- und Radfahrer sind.
Der Europäische Lagebericht zur Straßenverkehrssicherheit (1) bietet die erste eingehende Analyse zum Thema Straßenverkehrssicherheit in 49 der 53 Mitgliedstaaten der Europäischen Region, in denen insgesamt 99% der Bevölkerung der Region leben. Die als Ergänzung zum Globalen Lagebericht zur Straßenverkehrssicherheit (2) konzipierte Studie belegt, dass zahlreiche Länder, insbesondere im westlichen Teil der Region, die Zahl der Todesfälle durch wirksame sektorübergreifende Maßnahmen nach und nach reduziert haben. Doch die Erfolge sind innerhalb der Region ungleichmäßig verteilt.
„Während nur 26% der Kraftfahrzeuge in der Europäischen Region in den Ländern mit nied-rigem bis mittlerem Einkommen gefahren werden, ist die Verkehrstotenrate dort durchschnittlich doppelt so hoch wie in den Ländern mit höherem Einkommen. Diese Situation ist umso inakzeptabler, als wir inzwischen schlüssige Beweise dafür haben, dass Verletzungen im Straßenverkehr vermieden werden können. Die Länder müssen mehr dafür tun, ihre Straßen für die Bürger sicherer zu machen, und bei der Bewältigung dieser Aufgabe kann internationale Zusammenarbeit eine bedeutende Rolle spielen“, sagt Dr. Nata Menabde, Stellvertretende Regionaldirektorin beim WHO-Regionalbüro für Europa. „Die Verbesserung der Straßen-verkehrssicherheit ist eine Investition in eine gesündere und gerechtere Zukunft. Durch eine Bestandsaufnahme der bisherigen Erfolge soll diese neue Publikation das Handeln in der ge-samten Region beflügeln.“
Straßenverkehrsunfälle kosten bis zu 3% des Bruttoinlandsprodukts
Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass Jahr für Jahr bis zu 3% des Bruttoinlandsprodukts eines Landes durch unfallbedingte Gesundheitsausgaben, vorzeitigen Tod und Fehlzeiten am Arbeitsplatz verloren gehen. Dies ist insbesondere auf die Tatsache zurückzuführen, dass viele der Opfer jung sind und dass die jährlich 2,4 Mio. nicht tödlichen Unfälle eine wesentliche Ursache für Behinderungen sind. Dennoch sind die Ausgaben der Mitgliedstaaten für die Si-cherheit im Straßenverkehr weit geringer als der Verlust, der den Volkswirtschaften durch Verkehrsunfälle entsteht.
Weitere zentrale Ergebnisse des Berichts:
- Ein Drittel der Länder führen in den Städten keine wirksamen Geschwindigkeitskon-trollen durch.
- In einem Siebtel der Länder gibt es keine angemessenen Promillegrenzen zur Bekämp-fung von Trunkenheit am Steuer.
- In 10% der Mitgliedstaaten gibt es keine Gurtpflicht für Mitfahrer auf dem Rücksitz, und in nicht einmal einem Drittel der Länder liegt die Anschnallrate über 90%.
- In einem Siebtel der Länder sind Kindersitze im Auto nicht vorgeschrieben.
- Ein Viertel der Länder verfügen über keine sektorübergreifende Strategie zur Be-kämpfung von Straßenverkehrsunfällen.
Fußgänger, Motorrad- und Fahrradfahrer am stärksten gefährdet
Dass die Bedürfnisse gefährdeter Verkehrsteilnehmer schon seit langem übersehen werden, zeigt sich nicht zuletzt an der Tatsache, dass 40% der Opfer Fußgänger, Motorrad- und Fahrradfahrer sind. Durch Maßnahmen wie den Bau von Überführungen, Gehsteigen und Fahrradspuren, die Bekämpfung von Trunkenheit am Steuer und Geschwindigkeitsüberschreitung sowie die Förderung der Verwendung von Schutzhelmen und Autokindersitzen könnten jährlich Zehntausende Menschenleben gerettet werden. Aus dem Bericht geht hervor, dass nur ein Drittel der Länder der Region ihre Gesetze als ausreichend erachten und dass selbst gut konzipierte Bestimmungen wirkungslos bleiben, wenn sie nicht ordnungsgemäß durchgesetzt werden. So bewerten nur 19% der Länder die eigenen Anstrengungen zur Durchsetzung von Geschwindigkeitsbegrenzungen als ausreichend, bei der Bekämpfung von Trunkenheit am Steuer sind es nur 34%.
Benötigt wird ein stärkerer politischer Wille zur Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Ver-kehrsteilnehmer. Dabei gilt es, den Bürgern mit medienwirksamen Kampagnen gezielt bewusst zu machen, dass sie künftig bei Verstößen mit höherer Wahrscheinlichkeit erwischt und mit harten Strafen belegt werden. Nur durch Investitionen in öffentliche Verkehrsmittel sowie sicherere Straßen für Fußgänger und Radfahrer erhalten die Verkehrsteilnehmer den nötigen Anreiz, sich für gesundheitsverträgliche Verkehrsmittel zu entscheiden. Der Bericht belegt, dass 41% der Länder über nationale Konzepte zur Förderung von Zufußgehen oder Radfahren und 63% über entsprechende Konzepte für öffentliche Verkehrsmittel verfügen. Somit besteht in diesem Be-reich noch erheblicher Handlungsbedarf.
Nachhaltige Verkehrspolitik ist Schlüssel zu öffentlichen Zielen im Bereich Umwelt und Gesundheit
Von Investitionen in nachhaltige Verkehrssysteme und sicherere Straßen könnten mehr Länder profitieren. Konzepte zur Förderung der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel bzw. des Zufußgehens und Radfahrens können sich auf vielerlei Weise gesundheitlich positiv auswirken: durch einen Rückgang der Zahl der Verletzungen und der Atemwegserkrankungen, die Prävention nichtübertragbarer Krankheiten durch Bewegungsförderung und die Verringerung der negativen Folgen des Klimawandels.
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Region verfügen bei der Vereinbarung von Aspekten der Straßenverkehrssicherheit mit Belangen der Umwelt- und Gesundheitspolitik über ein einzigarti-ges Instrument. Das vom WHO-Regionalbüro für Europa und der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa gemeinsam getragene Paneuropäische Programm für Verkehr, Gesundheit und Umwelt (THE PEP) stellt einen Rahmen dar, den die Länder bei der Verwirkli-chung eines nachhaltigen und gesundheitsverträglichen Verkehrswesens in Anspruch nehmen können. Das Programm zählt zu den wichtigsten Erfolgen des Prozesses Umwelt und Gesundheit in Europa, der den Hintergrund für die nächste Ministerkonferenz Umwelt und Gesundheit vom 10.–12. März 2010 in Parma (Italien) bildet.
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FACHINFORMATIONEN:
Dr. Dinesh Sethi
Fachreferent, Verhütung von Gewalt und Verletzungen
WHO-Regionalbüro für Europa
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Tel.: +39 06 4877526
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Mobiltel.: +39 348 0192305
Fax: +39 06 4877599
E-Mail: csa@ecr.euro.who.int
Weiterführende Literatur
(1) European status report on road safety. Kopenhagen, WHO-Regionalbüro für Europa , 2009 (www.euro.who.int/document/E92789.pdf, eingesehen am 19. November 2009).
(2) Der Global status report on road safety. Genf, Weltgesundheitsorganisation, 2009 (http://www.who.int/violence_injury_prevention/road_safety_status/2009/en, eingesehen am 16. November 2009) wurde am 15. Juni 2009 veröffentlicht. Sowohl der europäische als auch der globale Bericht werden von Bloomberg Phi-lanthropies finanziert.