Europäische Region vereinbart neue Ziele gegen umweltbedingte Gesundheitsgefahren
Kopenhagen/Parma, 10. März 2010
Neue WHO-Berichte deuten auf Fortschritte im Abbau umweltbedingter Gesundheitsgefahren, aber auf wachsende Ungleichheit, was die Belastung durch sie angeht
Vertreter von 53 Mitgliedstaaten der WHO kommen vom 10. bis 12. März 2010 in Parma (Italien) zusammen, um die Auswirkungen nationaler und internationaler Umweltpolitik auf den Gesund-heitszustand der über 890 Mio. Menschen in der Europäischen Region der WHO zu begutachten. Die dreitägige Fünfte Ministerkonferenz Umwelt und Gesundheit ist ein neuer Markstein in dem 1989 begonnenen zwischenstaatlichen Prozess.
Die Veranstaltung führt über 800 Teilnehmer aus den Ländern der Region zusammen, darunter Gesundheits- und Umweltminister, Vertreter von Europäischer Kommission, zwischenstaatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, Wissenschaftler und Jugenddelegierte.
Die Regierungen von Mitgliedstaaten aus dem Bereich der Europäischen Union (EU) und aus dem anderen Teil der Europäischen Region werden aller Voraussicht nach eine Erklärung annehmen, die ihr Bekenntnis zum Abbau wichtiger umweltbezogener Risikofaktoren (hierunter eine unsichere Wasserver- und Abwasserentsorgung, Luftverschmutzung und gefährliche Chemikalien) und neuer globaler Bedrohungen (wie etwa Klimawandel) bekräftigt. In der Erklärung, die am 12. März 2010 unterzeichnet werden soll, bekennen sich die Regierungen zum Erreichen klar umrissener Ziele in den folgenden 10 Jahren.
„Die sektorübergreifende Zusammenarbeit zur Bewältigung umweltbedingter Gefahren hat in den zurückliegenden 20 Jahren greifbare Ergebnisse in der Europäischen Region gebracht“, sagte hierzu die neue WHO-Regionaldirektorin Zsuzsanna Jakab. „Weil Klimawandel, globale Finanzkrise und wachsende Ungleichheit die Staaten enorm belasten, ist die Vereinbarung einer neuen Marschrich-tung allerdings heute noch wichtiger als früher.“
Zwei neue WHO-Berichte über Fortschritte und Fehler im umweltbezogen Gesundheitsschutz
Im Vorfeld der Konferenz hat das WHO-Regionalbüro für Europa zwei neue Studien veröffentlicht: eine umfassende Bestandsaufnahme der wichtigsten Trends in Bezug auf Umwelt und Gesundheit in der Europäischen Region der WHO in den letzten 20 Jahren und eine groß angelegte Bewertung der Ungleichheiten hinsichtlich der Exposition gegenüber Umweltrisiken. Die wichtigsten Ergebnisse wurden in einem Faktenblatt zusammengefasst.
Der erste Bericht mit dem Titel Gesundheit und Umwelt in Europa: Fortschrittsbewertung zeigt, dass die Kleinkindsterblichkeit aufgrund von Durchfallerkrankungen in den letzten Jahren gegen-über früheren Werten um 20% verringert wurde, was zu einem Großteil auf einen verbesserten Zu-gang zu sauberem Wasser und zu einer geregelten Abwasserentsorgung zurückzuführen ist, und dass die Zahl verkehrsbedingter Todesfälle seit den frühen 1990er Jahren um 40% gefallen ist. Nach der Umstellung auf bleifreies Benzin in weiten Teilen der Region und den daraus resultierenden um 90% niedrigeren Bleiemissionen fielen auch die Bleiwerte im Blut von Kindern.
Der zweite im European Journal of Public Health veröffentlichte Bericht belegt als die größte WHO-Sammlung von Erkenntnissen über Ungleichheiten in Bezug auf umweltbedingte Risiken in der gesamten Europäischen Region signifikante Unterschiede innerhalb der Länder und selbst der Städte, was die gesellschaftliche Verteilung der Exposition gegenüber Umweltrisiken und der damit verbundenen Todesfälle und Erkrankungen betrifft. Die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft sind in allen Ländern der Europäischen Region erheblich stärker, in einigen Fällen um das Zweifache mehr, vermeidbaren Umweltgefahren ausgesetzt als ihre wohlhabenderen Mitbürger.
„Insgesamt stellen wir positive Trends für die Gesundheitsergebnisse in Europa als Folge der zu-nehmenden Entschlossenheit fest, Gesundheitsbelange in Entscheidungsfindungsprozesse anderer Sektoren einzugliedern. Die Schaffung des Europäischen Zentrums für Umwelt und Gesundheit während der ersten Ministerkonferenz war ein klares Beispiel für diese Entschlossenheit“, meinte der italienische Gesundheitsminister Prof. Ferruccio Fazio. „Gleichzeitig zeigen uns die wissen-schaftlichen Erkenntnisse, dass wir selbst in den wohlhabenden Nationen mehr tun müssen, damit wir Gesundheit für alle erreichen“.
Der weitere Weg – stärkere Gesetze erforderlich
„Internationale Bemühungen zur Bekämpfung der Armut, Verbesserung der Gesundheit und Bewah-rung der Naturschätze und Ökosysteme werden keinen Erfolg haben, solange sie als isolierte Phänomene begriffen und außerhalb der Gesellschaft- und Wirtschaftspolitik behandelt werden. Mit vereinten Kräften müssen wir gemeinsamen Herausforderungen wie den Folgen des Klimawandels begegnen, durch die vorhandene umweltbezogene Schwachstellen noch verstärkt und die Bevölke-rung und vor allem Kinder stärker gefährdet werden“, äußerte die italienische Ministerin Umwelt-, Landschafts- und Meeresschutz Stefania Prestigiacomo. „Daher müssen wir eine Bestandsaufnahme des Geleisteten machen und unsere Anstrengungen zur Vollendung dieser Arbeit ausweiten.“
In der Europäischen Region wurden im zurückliegenden Jahrzehnt vielerorts erfolgreiche Initiativen zum Abbau von Umweltrisiken gestartet. Die EU hat neue Vorschriften zur Luftgüte und zum siche-ren Umgang mit Chemikalien eingeführt (REACH – Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe ) und damit ihren Mitgliedstaaten eine Richtung vorgegeben, der auch viele andere Länder in der Europäischen Region folgen. Die Staaten außerhalb der EU haben über 50% ihrer Gesetzgebung im Bereich von Umwelt und Gesundheit während der letzten fünf Jahre aktualisiert oder gänzlich neu geschaffen.
Dennoch unterscheidet sich die staatliche Politik in Bezug auf verschiedene Umwelt- und Gesund-heitsthemen erheblich sowohl in Bezug auf ihre Reichweite als auch ihr Ambitionsniveau. Zwar ha-ben viele Staaten ein breites Spektrum an sektorübergreifenden Ansätzen gegen die sogenannten traditionellen Gefahren – etwa in Verbindung mit Trinkwasser und Badegewässern, Außenluft und Lebensmittelsicherheit – geschaffen, doch wurden die Konzepte zur Bewältigung der Herausforde-rungen in den Bereichen Raumluftqualität, Verletzungen und körperliche Betätigung noch nicht weit genug entwickelt.
„Wir glauben, dass Parma mit ihrer hohen Lebensqualität, den großzügigen Grünanlagen und dem sicheren städtischen Umfeld die perfekte Anwältin für eine gesunde Umwelt sowie ein Umfeld ist, das guten Willen und feste Entschlossenheit hervorbringt“, schlussfolgerte der Oberbürgermeister von Parma Pietro Vignali. „Für dieses Ziel fördern wir eine Reihe von Initiativen, durch die diese Konferenz zur ersten CO2-neutralen Ministerkonferenz Umwelt und Gesundheit werden soll.“
Redaktionelle Hinweise
- Die Fünfte Ministerkonferenz Umwelt und Gesundheit zum Thema „Schutz der Gesundheit der Kinder in einer sich verändernden Umwelt“ wird vom WHO-Regionalbüro für Europa und von den italienischen Ministerien für Gesundheit und für Umwelt-, Landschafts- und Meeresschutz veranstaltet. Der Europäische Ausschuss für Umwelt und Gesundheit (EEHC) – der nationale Regierungen, die Europäische Kommission und zwischen- und nichtstaatliche Organisationen an einen Tisch bringt – hat hierbei als Lenkungsausschuss fungiert.
- Die Konferenz wird als CO2-neutrales Ereignis durchgeführt, bei dem nur umweltfreundliche Materialien und Produkte verwendet werden. Den Teilnehmern werden sowohl Freifahrscheine für Busse mit Elektroantrieb als auch Fahrräder zur Verfügung stehen und die Veranstalter stüt-zen die örtliche Wirtschaft durch den Kauf lokal angebauter und hergestellter Lebensmittel. Sämtliche Abfälle im Rahmen der Konferenz werden wiederverwertet und die Stadt Parma wird alle übrigen CO2-Kosten kompensieren.
- Die Konferenz ist das fünfte Ereignis dieser Art in der Europäischen Region der WHO und fin-det im Rahmen des Europäischen Prozesses Umwelt und Gesundheit statt, der vor mehr als 20 Jahren begann. Die vier vorangegangenen Konferenzen wurden von der Bundesrepublik Deutschland (1989), Finnland (1994), dem Vereinigten Königreichs (1999) und Ungarn (2004) ausgerichtet.
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