Jeden Tag werden 40 junge Menschen in der Europäischen Region ermordet: neuer Be-richt der WHO zeigt Auswege

Kopenhagen/London, 21. September 2010
 
Neuen Daten der WHO zufolge sterben täglich 40 junge Menschen (jährlich über 15 000) in der Europäischen Region der WHO aufgrund von Gewalt, wobei vier von zehn einer Messerstecherei zum Opfer fallen.

Der Bericht zur Prävention von Gewalt und Messerstechereien unter Jugendlichen ist der erste für die gesamte Region veröffentlichte Bericht dieser Art. Er wird heute vom WHO-Regionalbüro für Europa aus Anlass der in London stattfindenden Weltkonferenz Sicherheit 2010 vorgestellt und beleuchtet den enormen Verlust, den die Gesellschaft in den Ländern der Region durch jugendliche Gewalt erleidet, und den enormen Nutzen, den ein gesundheitspolitischer Ansatz an der Seite der Strafverfolgung leisten könnte.

„Wir können viel gewinnen, wenn wir die Erfahrungen in der Gewaltprävention durch die erfolgreichsten Länder der Region richtig nutzen. Wenn alle Länder auf das niedrigste Niveau in der Region gelangten, würde dies jährlich 13 000 jungen Menschen das Leben retten. Neun von zehn dieser Todesfälle könnten also verhindert werden“, sagt die WHO-Regionaldirektorin für Europa Zsuzsanna Jakab. „Das sind überzeugende Argumente für mehr Investitionen in die Gewaltprävention, zumal steigende Arbeitslosigkeit und geschwächte Sozialsysteme mit mehr Gewalt verbunden sind.“

Gewalt ist ungleich verteilt

Zwischenmenschliche Gewalt ist in der Region die dritthäufigste Todesursache junger Menschen im Alter von 10–29 Jahren und fordert jährlich ca. 15 000 Opfer. Doch ist dies nur die Spitze eines Eisbergs, da zu jedem Todesfall schätzungsweise weitere 20 Krankenhauseinweisungen hinzukommen.

Ca. 40% bzw. 6000 der Todesfälle in einem Jahr sind die Folge des Einsatzes von Messern oder anderen spitzen Waffen. Das Tragen von Messern ist in vielen Ländern üblich (bis zu 12% unter jungen Menschen), was die Wahrscheinlichkeit einer schweren oder gar tödlichen Verletzung erhöht. Weitere Tötungsformen sind Erschießen oder Erwürgen.

Wohlstand und Geschlechterrollen beeinflussen die Gewalt: Neun von zehn Tötungen ereignen sich in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Volkseinkommen und zwischen den Ländern mit den höchsten und den niedrigsten Todesraten beträgt der Unterschied den Faktor 34. Unabhängig vom Volkseinkommen sind junge Menschen überall stärker von Gewalt bedroht, wenn sie arm und nicht wohlhabend sind. Männer sind stärker gefährdet als Frauen, insofern 80% der Todesopfer männlichen Geschlechts sind.

Die Prävention zwischenmenschlicher Gewalt ist eine gesellschaftliche Verantwortung

Junge Menschen laufen Gefahr, sowohl Opfer als auch Täter von Gewalt zu werden. Wo Massenmedien und Gesellschaft schnell Gewaltepisoden unter jungen Menschen dämonisieren, argumentiert der WHO-Bericht, dass das Jugendalter eine Phase der Gefährdung sei und dass Gewalt vielfach Wurzeln in der Kindheit habe. Das Übel an der Wurzel zu packen, ist die Aufgabe der Gesellschaft und viele Bereiche (Gesundheit, Bildung, Wohlfahrt, Arbeit, Strafjustiz und Lokalverwaltung) können daran mitarbeiten, was kostengünstiger ist als die ausschließlich Auseinandersetzung mit den Konsequenzen der Gewalt.

Wer Opfer von Vernachlässigung oder Missbrauch wurde, kann später selbst gewalttätig werden. Schikanierung in Schulen und Bezugsgruppen kann junge Menschen in die Gewalt treiben. Es gibt starke Zusammenhänge zwischen dem Konsum von Alkohol und Drogen und dem Tragen einer Waffe.

Die Verknüpfung zwischen schlechter Kindheit und späterer Täter/Opferrolle steht im Zentrum eines die Lebensphasen berücksichtigenden Ansatzes der Gewaltprävention. Programme zur Förderung der kindlichen Entwicklung zahlen sich nachweislich unterm Strich aus, egal ob sie für eine positive Elternrolle oder für erweiterte Fähigkeiten des Kindes in Leben und Gesellschaft arbeiten. Die Beschränkung des Zugriffs junger Menschen auf Alkohol und Waffen und die Schaffung eines sicheren Umfeldes sind weitere zentrale Präventionselemente.

Ein gesundheitspolitischer Ansatz öffnet Chancen

Die Gewaltproblematik unter jungen Menschen fällt in die Zuständigkeit vieler Ressorts und Sektoren. Die aus den Ländern der Region für diesen Bericht zusammengetragenen Erkenntnisse deuten an, dass eine organisierte gesellschaftliche Antwort Gewalt verhindern kann. Interventionen, die an die Gewaltprävention mit der Perspektive der öffentlichen Gesundheit herantreten, zahlen sich nachweislich aus.

Gesundheitssysteme sind zentral in der Schaffung hochwertiger Angebote zur Behandlung, Unterstützung und Rehabilitation der Opfer, in denen sowohl körperliche als auch seelische Folgen der Gewalt aufgegriffen werden müssen. Außerdem ist der Gesundheitssektor in einer sehr guten Position, evidenzbasierte Ansätze gegen die Wurzeln der Gewalt in Partnerschaft mit anderen Sektoren durchzuführen.


Fragen in Bezug auf die im Bericht enthaltenen Daten beantwortet:

Dr. Dinesh Sethi
Fachreferent, Verhütung von Gewalt und Verletzungen
Büro Rom
WHO-Regionalbüro für Europa
Tel.: +39 06 4877 538
E-Mail: violenceinjury@ecr.euro.who.int


Wenn Sie weitere Auskünfte oder ein Interview wünschen, wenden Sie sich bitte an:

Cristiana Salvi
Fachreferentin, Kommunikation
Büro Rom
WHO-Regionalbüro für Europa
Tel.: +39 06 4877 543 Mobiltel.: +393480192305
E-Mail: press.he@ecr.euro.who.int