Bahnbrechende Erklärung über Gesundheit von Kindern mit geistigen Behinderungen unterzeichnet

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Bukarest/Kopenhagen, 26. November 2010

Politiker aus den 53 Ländern der Europäischen Region der WHO  haben heute eine Erklärung unterzeichnet, in der sie ihre Entschlossenheit bekräftigen, das Leben von Kindern und Jugendlichen mit geistigen Behinderungen durch Erweiterung ihres Zugangs zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung zu verbessern. Die Erklärung wurde auf der Konferenz des WHO-Regionalbüros für Europa mit dem Titel „Bessere Gesundheit, besseres Leben: Kinder und Jugendliche mit geistigen Behinderungen und ihre Familien“ in Bukarest (Rumänien) unterzeichnet.

Trotz erheblicher Anstrengungen in den vergangenen Jahren ist der Versuch, geistig behinderten Kindern ein Leben in Gesundheit zu ermöglichen, immer noch mit erheblichen Herausforderungen verbunden. In der Europäischen Region sind ca. 5 Mio. Kinder und Jugendliche von geistigen Behinderungen betroffen, von denen die Mehrzahl in ärmeren Ländern lebt. Mehr als 300 000 von ihnen sind in Institutionen untergebracht, in denen sie oftmals ihr ganzes Leben verbringen. Wenn nicht schnell Gegenmaßnahmen ergriffen werden, dürfte sich diese Zahl in den nächsten zehn Jahren um ca. 1% pro Jahr erhöhen.

„Kinder mit geistigen Behinderungen haben dasselbe Recht auf Gesundheit und Sozialfürsorge, Bildung und Schutz wie andere junge Menschen. Sie sollten in unserer Gesellschaft die gleiche Chance auf ein interessantes und erfüllendes Leben mit ihren Familien und mit anderen Gleichaltrigen haben“, sagt Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa. „In der Erklärung, die unsere Mitgliedstaaten heute in Bukarest angenommen haben, wird anerkannt, dass diese Kinder umfangreichere gesundheitliche Bedürfnisse haben, dass ihnen aber beim Zugang zu einer wirksamen Gesundheitsförderung und Gesundheitsversorgung erhebliche Hindernisse in den Weg gelegt werden. Wenn sie Zugang zu Leistungen erhalten, dann werden ihre konkreten Bedürfnisse oft übersehen oder vernachlässigt. In der Erklärung werden konkrete Aktionen genannt, die diese Kinder dazu befähigen sollen, ihr Potenzial im Leben voll auszuschöpfen.“

Die Erklärung basiert auf einer Reihe von Grundprinzipien. Kinder mit geistigen Behinderungen und ihre Familien sind auf eine wirksame und umfassende Versorgung durch kommunale Einrichtungen angewiesen. Ihre Bereitstellung macht einen Paradigmenwechsel erforderlich: von institutionellen Strukturen hin zu solchen, die ein Leben am Wohnort ohne soziale Ausgrenzung ermöglichen.

In Armut lebende Menschen weisen eine unverhältnismäßig hohe Inzidenz an Behinderungen auf. Familien mit anfälligen Mitgliedern wie Kindern mit Behinderungen geraten nur allzu oft dauerhaft in eine Armutsfalle. Deshalb ist die Bekämpfung von Armut und sozialer Benachteiligung ein zentraler Bestandteil der Erklärung. „Wenn wir nicht die Armut von Haushalten, in denen Kindern mit geistigen Behinderungen leben, thematisieren, werden wir die Ziele, zu denen wir uns heute verpflichtet haben, nicht erreichen“, betont Zsuzsanna Jakab.

Die Erklärung beinhaltet auch eine Herausforderung an die Gesundheitspolitik, die Problematik und ihr Ausmaß realistisch darzustellen. Präzise und aussagekräftige Daten zu Behinderungen bei Kindern sind schwer zu finden. In den offiziellen Statistiken finden sich kaum Informationen über ihre Situation oder das Ausmaß des Problems.

Nationale Rechtsvorschriften und Konzepte müssen konsequent weiterentwickelt werden. Bisher verfügen nur wenige Mitgliedstaaten in der Europäischen Region über Konzepte, in denen die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit geistigen Behinderungen konkret thematisiert werden.

„Die Unterstützung der Reformierung der Kinderbetreuungssysteme in den Ländern Osteuropas und Zentralasiens ist schon seit 20 Jahren ein vorrangiges Anliegen für UNICEF. Dabei können wir in Teilbereichen Erfolge vermelden. Die Reformen haben in allen Teilen der Region zahlreiche neue Angebote entstehen lassen, insbesondere alternative Betreuungsangebote in Familien – ein beträchtlicher Erfolg. Doch leider müssen wir feststellen, dass Kinder mit Behinderungen meist erst als Letzte von solchen Angeboten profitieren. Besonders besorgniserregend ist die Tatsache, dass Kinder mit Behinderungen ungeachtet aller Reformen weiterhin unvermindert in Heimen untergebracht werden. In vielen Ländern sind bis zu 60% aller Bewohner von Kinderheimen Kinder mit Behinderungen. Aus unserer Sicht ist das ein Indiz für das Versagen der betreffenden Systeme, passende Lösungen für Familien mit behinderten Kindern und nicht zuletzt für die Kinder selbst zu finden“, unterstreicht Steven Allen, Regionaldirektor des UNICEF für die Länder Mittel- und Osteuropas und die Neuen unabhängigen Staaten.

Um diese Lücken auszufüllen, umfasst die Erklärung auch einen Aktionsplan mit zehn vorrangigen Bereichen, für die konkrete Interventionen für Gruppen junger Menschen vorgesehen sind, die nach Alter, Gefährdungsgrad und Entwicklungsfähigkeiten differenziert werden. Die ersten Ergebnisse der Umsetzung dieses Plans werden für etwa Ende 2015 erwartet.

Die Erklärung wird vom Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), der Europäischen Kommission, Vertretern von Kindern und Jugendlichen mit geistigen Behinderungen und ihren Familien, Erbringern von Sozialleistungen und Bildungsangeboten sowie von nichtstaatlichen Organisationen unterstützt.

Nähere Auskünfte erteilen:

Dr. Matt Muijen
Programmleiter, Psychische Gesundheit
WHO-Regionalbüro für Europa
Scherfigsvej 8, DK-2100 Kopenhagen Ø, Dänemark
Tel.: +45 39 17 13 91
E-Mail: mfm@euro.who.int

Liuba Negru
Öffentlichkeitsarbeit
WHO-Regionalbüro für Europa
Scherfigsvej 8, DK-2100 Kopenhagen Ø, Dänemark
Tel.: +45 3917 1344, +45 2045 9274 (Mobiltel.)
E-Mail: LNE@euro.who.int