Deutschland sucht Ursache für den Ausbruch des hämolytisch-urämischen Syndroms

Kopenhagen, 27. Mai 2011

Wachsamkeit gegenüber Symptomen und Vorsichtsmaßnahmen empfohlen

In Deutschland hat ein besorgniserregender Ausbruch des hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS) seit der zweiten Maiwoche zu 276 schweren Erkrankungen geführt und drei Frauen das Leben gekostet. Das Syndrom kann zu Nierenversagen führen und ist die Komplikation einer Infektion mit einem Escherichia-coli-Bakterium. Anders als die meist harmlosen E. coli-Bakterien produzieren die enterohämorrhagischen Escherichia coli-Bakterien (EHEC) Toxine (etwa das Shiga-Toxins bzw. Verotoxin), die Blutzellen und Nieren schädigen. EHEC-Bakterien, die solche Gifte produzieren, sind daher auch als STEC bzw. VTEC bekannt. Viele Menschen mussten zur Behandlung ins Krankenhaus, einige davon auf die Intensivstation, und neue Fälle treten weiter auf, die letzten am 25. Mai. Auch in anderen Ländern sind Fälle aufgetreten, in Schweden etwa wurden zehn HUS-Fälle gemeldet, von denen zwei jetzt Intensivpflege benötigen. Alle Erkrankten hatten sich noch vor kurzer Zeit in Deutschland aufgehalten, die meisten in Norddeutschland.

Dieser Ausbruch unterscheidet sich von früheren Ausbrüchen durch seine schnelle Entwicklung und die ungewöhnlich hohen Anteile von Erwachsenen (86% sind 18 Jahre oder älter) und insbesondere Frauen (67%), anstelle der sonst stark gefährdeten Gruppen der Kleinkinder und alten Menschen. Es sind allerdings auch Fälle unter Kindern im schulpflichtigen Alter aufgetreten. Man nimmt an, dass die seltenere E.-coli-Serumgruppe O104 als Krankheitserreger mit dem Ausbruch in Verbindung steht. Die epidemiologische Untersuchung der Ausbruchsquelle dauert noch an. Doch auch wenn die Quelle noch nicht eindeutig bestimmt wurde, so richtet sich der Verdacht gegen Gurken und das Robert-Koch-Institut rät als Vorsichtsmaßnahme dazu, Tomaten, Gurken und Blattsalat zu meiden und die üblichen Hygieneregeln im Umgang mit Obst und Gemüse zu befolgen.

Deutschland hat den Ausbruch an die WHO gemäß den Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) als ein  Ereignis gemeldet, das eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite sein könnte, und die WHO gibt ihre Informationen an die Gesundheitsbehörden anderer Länder weiter.  Die WHO hat außerdem ihre fachliche Unterstützung angeboten und ist bereit, denjenigen Ländern die Zusammenarbeit mit Laboratorien zu erleichtern, die selbst über keine Kapazitäten zum Nachweis der seltenen E. coli-Serumgruppe O104 verfügen. Die WHO ist in engem Kontakt zu den maßgeblichen Behörden.

EHEC kann zu blutigen Durchfällen und Bauchschmerzen führen. Menschen die sich mit solchen Symptomen in Deutschland und besonders Norddeutschland aufhalten oder erst vor kurzem dort waren, sollten dringend ärztlichen Rat suchen. Komplikationen des Syndroms können zu Nierenversagen führen und auf noch auftreten, wenn der Durchfall schon abgeklungen ist. Eine Behandlung mit Durchfallmitteln oder Antibiotika ist in der Regel nicht zu empfehlen, da sich hierdurch die Lage noch verschlimmern könnte.

Regelmäßiges Händewaschen, besonders vor der Essenszubereitung und nach jedem Toilettenbesuch, ist dringend angeraten, gerade für Menschen, die kleine Kinder versorgen oder deren Immunsystem geschwächt ist: Das Bakterium wird von Mensch zu Mensch sowie über Nahrung, Wasser und direkten Kontakt mit Tieren weitergegeben.

Die WHO empfiehlt keine Einschränkungen im Reise- oder Handelverkehr mit Deutschland.

Nützliche Hinweise

  • Das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) ist eine lebensbedrohliche Erkrankung, bei der es zu akutem Nierenversagen (Urämie), hämolytischer Anämie und Blutplättchenmangel (Thrombozytopenie) kommen kann. Es tritt hauptsächlich, jedoch nicht ausschließlich, bei Kindern auf. HUS ist die Folge einer EHEC-Infektion, tritt nach Schätzungen bei bis zu 10% aller EHEC-infizierten Patienten auf und führt in bis zu 5% der Fälle zum Tode. HUS ist die häufigste Ursache eines akuten Nierenversagens bei Kindern. Es kann bei 25% aller HUS-Patienten zu neurologischen Komplikationen führen (Schlaganfall, Herzinfarkt und Koma) führen und bei 50% aller Überlebenden chronische Nierenschäden hinterlassen.
  • Das Shiga-Toxin produzierende E. coli-Bakterium (STEC) oder enterohämorrhagische E. coli-Bakterium (EHEC) ist ein gefährlicher Stamm des E. coli-Bakteriums, der allgemein im Darm von Tieren, hauptsächlich Wiederkäuern, anzutreffen ist. EHEC produzieren Toxine, die unter der Bezeichnung Verotoxine oder Shiga-Toxine bekannt sind, weil sie Ähnlichkeiten mit den Toxinen der Shigella dysenteriae aufweisen.  In Verbindung mit Lebensmittelkonsum können sie schwere Erkrankungen verursachen. STEC werden auf den Menschen in erster Linie durch kontaminierte Lebensmittel wie rohes oder unzureichend erhitztes Hackfleisch und Rohmilch, kontaminiertes Wasser sowie durch direkten Kontakt mit Tieren oder infizierten Personen übertragen. Das Bakterium wird durch gründliches Erhitzen der Lebensmittel (mindestens 70 oC) zerstört. Zu den Symptomen der Erkrankung zählen Magenkrämpfe und Durchfall, die blutig sein können. Fieber und Erbrechen können auch auftreten. Die meisten Patienten genesen innerhalb von zehn Tagen, doch in einigen Fällen (insbesondere bei jungen Kindern und alten Menschen) kann die Infektion zu einer lebensbedrohlichen Erkrankung wie HUS führen. Die Präventionsmaßnahmen gegen STEC-Infektionen ähneln denen, die gegen andere durch Lebensmittel übertragene Krankheiten empfohlen werden, etwa gute Lebensmittelhygiene, wie sie in dem WHO-Text Five keys to safer food beschrieben sind.

Wenn Sie weitere Auskünfte oder ein Interview wünschen, wenden Sie sich bitte an:

Hilde Kruse
Programmleiterin, Lebensmittelsicherheit
WHO-Regionalbüro für Europa
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Viv Taylor Gee
Kommunikationsberaterin
WHO-Regionalbüro für Europa
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