Straßenverkehrssicherheit rettet Menschenleben und spart Geld

Kopenhagen, Leipzig und Rom, 26. Mai 2011

WHO präsentiert anlässlich der Eröffnung der Aktionsdekade für Straßenverkehrssicherheit in der Europäischen Region neues gesundheitsökonomisches Bewertungsinstrument für den Verkehr

Täglich sterben in den Ländern der Europäischen Region mehr als 350 Menschen im Straßenverkehr; jährlich sind es über 120 000. Knapp die Hälfte davon sind Fußgänger, Motorrad- und Fahrradfahrer, und ca. 60% gehören zur Altersgruppe von 5–44 Jahren. Dieser unerträgliche Zustand ist in den Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen besonders stark ausgeprägt (1). Auf dem diesjährigen Gipfeltreffen des Internationalen Verkehrsforums (ITF) in Leipzig eröffnet das WHO-Regionalbüro für Europa die Aktionsdekade für Straßenverkehrssicherheit 2011–2020 in der Europäischen Region der WHO und veröffentlicht gleichzeitig den Globalen Plan für die Aktionsdekade, in dem erläutert wird, wie die Länder Geld sparen und Menschenleben retten können.

Auf dem Gipfel des ITF veröffentlicht das Regionalbüro außerdem ein neues gesundheitsökonomisches Bewertungsinstrument (HEAT), mit dem die Länder die ökonomischen Einsparungen messen können, die sich durch mehr Sicherheit für Radfahrer und Fußgänger und eine verstärkte Förderung dieser Fortbewegungsarten erzielen lassen. Regelmäßiges Radfahren und Zufußgehen werden zunehmend dazu genutzt, sich das notwendige Maß an täglicher moderater körperlicher Betätigung zu verschaffen, und können zu einer Reduzierung der Gesamtmortalität auf den Straßen um 40% führen.

„Verkehrsunfälle treffen vor allem unsere jüngste und produktivste Generation. Dabei sind sie vermeidbar”, sagt Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa. „Eine nachhaltige Verkehrspolitik kann zur Entstehung einer gesünderen und wohlhabenderen Gesellschaft beitragen, und die Straßenverkehrssicherheit ist ein zentraler Bestandteil in diesem Prozess. Die Regierungen der Länder Europas müssen verstärkt in Maßnahmen investieren, die Zufußgehen und Radfahren sicherer machen, und die Voraussetzungen für ein leistungsfähiges öffentliches Verkehrswesen schaffen. So können die gesellschaftlichen und finanziellen Kosten reduziert werden.“

Gesundheitsverträgliche Verkehrskonzepte sind mit einem erheblichen ökonomischen Nutzen verbunden. Sie können nicht nur zu einer Verringerung der Zahl der Verkehrsunfälle führen, sondern auch dazu beitragen, dass Zufußgehen und Radfahren sicherer werden und das öffentliche Verkehrswesen verbessert, die Luftqualität durch weniger Schadstoffe beeinträchtigt und die körperliche Fitness der Menschen erhöht wird.

Die Länder geben weit weniger für Sicherheitsmaßnahmen aus, als ihre Volkswirtschaften durch Verkehrsunfälle verlieren. Die meisten der von Verkehrsunfällen Betroffenen sind jung, und die jährlich 2,4 Mio. nicht tödlichen Unfälle sind eine wesentliche Ursache für Behinderungen. Jahr für Jahr sind verkehrsbedingte Verletzungen für den Verlust von bis zu 3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) eines Landes durch erhöhte Gesundheitsausgaben, vorzeitigen Tod, Behinderung und Fehlzeiten am Arbeitsplatz verantwortlich. Dieser Verlust ist Teil der Kosten des Straßenverkehrs für die Gesellschaft. Zusammen mit den Folgen von Umweltbelastung, Staus, Landschaftszerstörung und Klimawandel belaufen sich diese Kosten auf ca. 8% des BIP.

Das Instrument HEAT zur Bewertung von Zufußgehen und Radfahren wurde im Rahmen des Paneuropäischen Programms für Verkehr, Umwelt und Gesundheit (THE PEP) in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Netzwerk für gesundheitsförderliche Bewegung (HEPA Europa) entwickelt. Es dient dazu, den Verkehrs- und Städteplanern bei der Abschätzung der ökonomischen Einsparungen behilflich zu sein, die sich durch eine geringere Mortalität aufgrund regelmäßigen Radfahrens und Zufußgehens ergeben, und stellt eine Grundlage für gezieltere Investitionen in ein nachhaltiges Verkehrswesen dar.

Das Instrument HEAT für den Bereich Radfahren wurde in einer Reihe von Ländern innerhalb und außerhalb der Europäischen Region erprobt, darunter Österreich, Frankreich, Schweden, die Tschechische Republik, das Vereinigte Königreich, Neuseeland und die Vereinigten Staaten. Seine Innovationsfähigkeit lässt sich gut anhand von Schätzungen für Österreich veranschaulichen, nach denen nach gegenwärtigem Stand durch Radfahren – eine Fortbewegungsart, die 5% der gesamten Verkehrsleistung ausmacht und bei der die Wege eine durchschnittliche Länge von 2 km haben – jährlich 412 Menschenleben durch die regelmäßige körperliche Betätigung gerettet werden, was Einsparungen in Höhe von 405 Mio. € ermöglicht. In Schottland würde eine Zunahme des Anteils des Radfahrens an der Verkehrsleistung von gegenwärtig 1% auf 13% Einsparungen in Höhe von jährlich einer bis zwei Mrd. Pfund zur Folge haben. Mit dem neuen Instrument HEAT für den Bereich Zufußgehen werden die Möglichkeiten für eine Einbeziehung dieser elementaren Fortbewegungsart in die Berechnung des Nutzens einer aktiven Fortbewegung erweitert.

Von Investitionen in aktive Fortbewegung und mehr Straßensicherheit könnten auch andere Länder in ähnlicher Weise profitieren. Mit Maßnahmen wie Überführungen, Fußgängerwegen, Gehsteigen und sicheren Fahrradwegen könnten jährlich Zehntausende Menschenleben gerettet und Milliarden von Euros gespart werden, indem die Zahl der Toten und Verletzten auf den Straßen reduziert und durch mehr Bewegung die Gesundheit aktiv gefördert würde.

(1) Daten aus dem European status report on road safety des WHO-Regionalbüros für Europa.

Hinweise an Redakteure

  • Die Aktionsdekade für Straßenverkehrssicherheit 2011–2020 wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen im März 2010 offiziell ausgerufen. Sie bildet einen Rahmen, innerhalb dessen die Länder und ihre Bürger sich weltweit verstärkt für die Rettung von Menschenleben auf den Straßen einsetzen können. Sie wird von der Gruppe der Vereinten Nationen für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Straßenverkehrssicherheit (UNRSC) gestaltet, die gemäß dem Mandat durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2004 von der WHO koordiniert wird.
  • Der am 11. Mai 2011 veröffentlichte Globale Plan für die Aktionsdekade für Straßenverkehrssicherheit basiert auf fünf Säulen: Investitionen in Straßensicherheit; Aufbau von Kapazitäten für die Steuerung der Straßenverkehrssicherheit; Verbesserung der Fahrzeugsicherheit; Förderung eines sicheren Verkehrsverhaltens; und Verbesserung von Unfallsofortmaßnahmen.
  • Das ITF ist eine zwischenstaatliche Organisation mit 52 Mitgliedstaaten, die zur Familie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gehört. Es fungiert als eine strategische Denkfabrik für die Verkehrspolitik und veranstaltet jährlich ein Gipfeltreffen der Minister. Die Zielsetzung besteht darin, die verkehrspolitische Tagesordnung auf weltweiter Ebene mitzugestalten und dafür zu sorgen, dass sie zu Wirtschaftswachstum, zum Schutz der Umwelt, zu sozialer Integration und zur Erhaltung von Leben und Wohlergehen der Menschen beiträgt.
  • Das THE PEP ist eine Plattform zur Stärkung der Einbeziehung von Fragen aus dem Themenkomplex Umwelt und Gesundheit in die Verkehrspolitik der Länder der Europäischen Region. Das Programm wurde 2002 eingerichtet und wird seitdem vom WHO-Regionalbüro für Europa und der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) gemeinsam betreut.
  • HEPA Europa ist ein europäisches Netzwerk aus etwa 110 Institutionen in 30 Ländern, das eng mit dem WHO-Regionalbüro für Europa zusammenarbeitet. Es zielt darauf ab, durch Förderung von mehr Bewegung für alle eine Verbesserung der Gesundheitssituation in der Europäischen Region herbeizuführen, indem gezielt die Bemühungen um eine stärkere Beteiligung und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für gesundes Leben forciert bzw. unterstützt werden.
  • Die Europäische Region der WHO mit ihren über 880 Mio. Bürgern in 53 Ländern umfasst ein Gebiet, das sich vom Nordpolarmeer im Norden bis zum Mittelmeer im Süden und vom Atlantischen Ozean im Westen bis zum Pazifischen Ozean im Osten erstreckt


Weitere Auskunft erteilen:

Dr. Dinesh Sethi
Fachreferent, Verhütung von Gewalt und Verletzungen
Europäisches Zentrum der WHO für Umwelt und Gesundheit, Büro Rom
WHO-Regionalbüro für Europa
Tel.: +39 06 4877526
E-Mail: din@ecr.euro.who.int

Cristiana Salvi
Fachreferentin, Kommunikation
Europäisches Zentrum der WHO für Umwelt und Gesundheit, Büro Rom
WHO-Regionalbüro für Europa
Tel.: +39064877543, +393480192305 (Mobiltel.)
E-Mail: csa@ecr.euro.who.int