Neuer Bericht: Tuberkulose in der Europäischen Region auf dem Rückzug, doch Besorgnis über medikamentenresistente Stämme und Misserfolge bei Behandlung bleibt bestehen

Stockholm, Kopenhagen, 19. März 2012

Anlässlich des Welttuberkulosetages am 24. März 2012 veröffentlichen das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und das WHO-Regionalbüro für Europa ihren gemeinsamen Bericht mit dem Titel „Tuberkulose-Surveillance und Kontrolle in der Europäischen Region (2012)“. Mit diesem Bericht wird erstmals eine Bestandsaufnahme der Fortschritte bei der Bekämpfung der Tuberkulose präsentiert. Ferner werden Kontrollrahmen für die Weiterverfolgung der Erklärung von Berlin zur Tuberkulose und des Konsolidierten Aktionsplans für die Prävention und Bekämpfung von multiresistenter und extensiv resistenter Tuberkulose in der Europäischen Region der WHO (2011–2015) eingeführt und die Maßstäbe für zwölf Indikatoren präsentiert, die mit der Weiterverfolgung der Ergebnisse des Aktionsplans zur Bekämpfung von Tuberkulose in der Europäischen Union verbunden sind. 2010 wurden aus den Ländern insgesamt 309 648 neue Tuberkulosefälle gemeldet, was gegenüber 2009 einen Rückgang um 2,6% darstellt. Dies bestätigte den allgemeinen Rückgang der gemeldeten Fälle in der gesamten Region in den vergangenen fünf Jahren. Dagegen stellt die steigende Zahl der Fälle von MDR- und XDR-Tb eine ernsthafte Bedrohung für die Bemühungen zur Eliminierung der Tuberkulose dar und unterstreicht die Bedeutung von Früherkennung und angemessener Behandlung.

2010 wurden aus den Ländern der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) knapp 74 000 Tuberkulosefälle gemeldet; dies war ein Rückgang um ca. 7% gegenüber 2009. Während die Zahl der Meldungen von MDR-Tb in den vergangenen fünf Jahren stabil geblieben ist, hat sich der Anteil der extensiv medikamentenresistenten Tuberkulose innerhalb dieser Gruppe von 8,2% (2009) auf 13,2% (2010) erhöht, was möglicherweise auf eine verbesserte Meldepraxis zurückzuführen ist. In dem neuen Bericht werden vier epidemiologische Indikatoren analysiert, die eine Messung der in jüngster Zeit bei der Eliminierung der Tuberkulose erzielten Fortschritte ermöglichen: die Melderaten für Tuberkulose und MDR-Tb, die Relation von Fällen bei Kindern zu Fällen bei Erwachsenen und die altersmäßige Verteilung. Ferner werden Trends in insgesamt acht strategischen Handlungsfeldern, die in dem Aktionsplan der EU genannt sind, bewertet, um die Stärken und Schwächen der Maßnahmen zur Tuberkulosebekämpfung in den Ländern der EU und des EWR zu kontrollieren.

Mit Blick auf die Veranstaltungen zum Thema „Tuberkulosebekämpfung in Städten“, die am 22. und 23. März in Barcelona, Mailand, London und Rotterdam stattfinden, unterstreicht der Leiter des ECDC, Marc Sprenger: „Länder mit einer niedrigen Inzidenz von Tuberkulose – also weniger als 20 Fällen pro 100 000 Einwohner – stehen bei dem letzten Schritt zur Eliminierung der Krankheit vor einer besonderen Herausforderung, da die Tuberkulose oft in großen Städten gehäuft auftritt. Dort sind bestimmte Bevölkerungsgruppen, etwa injizierende Drogenkonsumenten, Obdachlose und Migranten, unverhältnismäßig häufig von der Tuberkulose betroffen. Deshalb müssen wir einen effektiven Praxisaustausch in der gesamten Europäischen Region einrichten, denn wenn die Angebote nicht auf die Bedürfnisse städtischer Risikogruppen zugeschnitten sind, besteht ein anhaltendes Risiko, dass es zu höheren Raten der Tuberkulose allgemein und insbesondere der medikamentenresistenten Tuberkulose kommt.“

Zwischen 2005 und 2010 verzeichnete die Europäische Region der WHO einen Rückgang der Melderaten für Tuberkulose um 15,2%. Leider sank in diesem Zeitraum auch die Behandlungserfolgsquote auf das dramatisch niedrige Niveau von 68,7% für neue Patienten und 47,6% für zuvor bereits behandelte Patienten. Dies war hauptsächlich auf MDR-TB zurückzuführen, deren Prävalenz in dieser Patientengruppe 13,7% bzw. 48,7% betrug.

„Unsere Region hat die niedrigste Behandlungserfolgsrate bei Tuberkulose und gleichzeitig weltweit die höchsten Raten für MDR- und XDR-Tb“, sagt Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa. „Auch wenn die Tuberkulose in jedem Land der Region auftritt, so sind doch 18 Hochprävalenzländer, überwiegend im östlichen Teil der Region, besonders schwer von der Epidemie betroffen [Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Bulgarien, Estland, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Lettland, Litauen, Republik Moldau, Rumänien, Russische Föderation, Tadschikistan, Türkei, Turkmenistan, Ukraine und Usbekistan]. Hier sehe ich dringenden Handlungsbedarf. Ein besonderes Augenmerk muss auf eine frühzeitige Diagnose und eine angemessene Behandlung aller Typen der Krankheit und dabei konkret auf die besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen gerichtet werden.“

Aus dem Bericht geht auch hervor, dass Tuberkulose bei Kindern in der Region nach wie vor Anlass zu großer Sorge gibt: so wurden im Jahr 2010 aus den Ländern etwa 10 000 Fälle in der Altersgruppe unter 15 Jahren gemeldet. Ferner machten Kinder in 20 Ländern mehr als 5% aller Tuberkulosefälle aus, und in zehn Ländern entfielen mehr als die Hälfte dieser Fälle auf Kinder unter fünf Jahre; dies waren: Belgien, Frankreich, Griechenland, Israel, Italien, Lettland, Österreich, Schweiz, Slowenien und Spanien. 

Zur Prävention und Bekämpfung von MDR- und XDR-Tb hat das WHO-Regionalbüro für Europa ein Sonderprojekt eingerichtet. In enger Abstimmung mit einer Reihe von Partnerorganisationen hat es den auf fünf Jahre angelegten Konsolidierten Aktionsplan ausgearbeitet, der 2011 von allen 53 Mitgliedstaaten der Region angenommen wurde. Seine Zielsetzung besteht darin, durch Bereitstellung eines flächendeckenden Zugangs zu Präventions-, Diagnose- und Therapieangeboten in der gesamten Europäischen Region bis 2015 die Ausbreitung von MDR- und XDR-Tb einzudämmen.

Hintergrund

Der Welttuberkulosetag wird jährlich am 24. März begangen, um die Öffentlichkeit auf die Epidemie aufmerksam zu machen. Am 24. März 1882 verkündete Dr. Robert Koch die Entdeckung der Tuberkelbazillen und ebnete damit den Weg zu Diagnose und Therapie der Krankheit.

Die Europäische Region der WHO umfasst 53 Mitgliedstaaten sowie Liechtenstein und hat eine Gesamtbevölkerung von fast 900 Mio. Menschen, von denen über 504 Mio. (56%) in den Ländern der EU und des EWR leben (27 EU-Mitgliedstaaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen).

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