Gute Behandlung entscheidend für Kampf gegen Tuberkulose in Europa – neuer Bericht von WHO/ECDC

Kopenhagen und Stockholm, 19. März 2013

In Europa erkranken immer noch mehr als 1000 Personen täglich bzw. mehr als 380 000 jährlich an Tuberkulose. Somit besteht kein Grund zum Nachlassen in den Bemühungen um Prävention und Bekämpfung der Tuberkulose. Aus Anlass des Welttuberkulosetags veröffentlichen das WHO-Regionalbüro für Europa und das ECDC heute die aktuellen Surveillance-Daten für das Jahr 2011. Die Daten zeigen, dass die Gesamtzahl der Tuberkulosefälle jährlich um 5% fällt, dass die Last aber weiter zu 87% von Ländern im Osten der Europäischen Region der WHO zu tragen ist. Aus diesen Ländern wurden im Jahr 2011 auch die meisten der insgesamt rund 44 000 Todesfälle aufgrund von Tuberkulose gemeldet. Aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) wurden mehr als 72 000 Tuberkulosefälle gemeldet, was im Vergleich zu 2010 aber einen Rückgang um 4% bedeutet.

„Durch bessere Diagnoseverfahren können wir heute mehr Tuberkulosefälle aufdecken, doch heißt dies auch, dass die Gesundheitssysteme überall Schritt halten und den zusätzlichen Patienten eine vollständige Behandlung anbieten müssen. Solange jeder dritte Tuberkulosepatient nicht geheilt wird, ist dies in der Europäischen Region der WHO noch nicht optimal gelöst“, sagt hierzu die WHO-Regionaldirektorin für Europa Zsuzsanna Jakab. „Tuberkulose ist dann heilbar, wenn die Patienten kostenlos und bedarfsgerecht behandelt und bis zum Abschluss der Therapie begleitet werden. Die Gesundheitssysteme müssen sich auf den Menschen konzentrieren, wie es auch das neue Rahmenkonzept der Region „Gesundheit 2020“ vorsieht.“

Der Europäische Kommissar für Gesundheit und Verbraucherpolitik Tonio Borg kommentiert die Ergebnisse des Berichts so: „Ich freue mich über die Fortschritte in der Tuberkulosebekämpfung innerhalb der EU. Doch bin ich besorgt, wegen der angespannten Lage in einigen EU-Mitgliedstaaten sowie wegen der Hartnäckigkeit multiresistenter Tuberkuloseformen in anderen Ländern, wo die Situation früher besser beherrschbar zu sein schien. Die Daten bringen einige gesundheitliche Ungleichheiten an den Tag, die vor allem die schwächsten Glieder der Gesellschaft betreffen. Wir müssen unsere Gesundheitssysteme so stärken, dass alle Tuberkulosepatienten in der EU eine angemessene Behandlung erhalten.“

Der ECDC-Direktor Marc Sprenger betont: „In erster Linie wollen wir der Übertragung der Lungentuberkulose durch frühe Diagnose und angemessene Behandlung stärker vorbeugen. Dies ist eine entscheidende Voraussetzung für die Eliminierung der Tuberkulose. Wir dürfen jedoch auch nicht Patienten mit extrapulmonaler Tuberkulose vergessen, bei denen die Tuberkulose andere Organe als die Lunge befällt, was die Diagnose für Ärzte wie Patienten erschwert. Diese Gruppe wird in der Tuberkulosebekämpfung noch zu oft vernachlässigt. 2011 wurden in EU und EWR mehr als 16 000 Patienten mit extrapulmonaler Tuberkulose gemeldeten.“

Richtige Tuberkulosebehandlung entscheidend

Die richtige Behandlung der Tuberkulose wirkt der Entstehung resistenter Formen (mehrfach resistente und extensiv resistente Tuberkulose (MDR-Tb bzw. XDR-Tb)) entgegen, welche sich gerade zu einer Bedrohung für die öffentliche Gesundheit entwickeln. Rund 78 000 Menschen erkranken in der Europäischen Region der WHO jährlich an M/XDR-Tb und in der Europäischen Region liegen mehr als die Hälfte der Länder mit den weltweit höchsten M/XDR-Tb-Raten. In EU und EWR gehen die Fallzahlen leicht zurück, doch ist die M/XDR-Tuberkulose insbesondere unter den Patienten in den drei baltischen Ländern noch prävalent.

Weniger als 50% der Patienten mit diagnostizierter MDR-Tb werden erfolgreich behandelt. Die Behandlung von M/XDR-Tb-Patienten dauert länger, kostet ein Hundertfaches und bringt häufigere und schwerere Nebenwirkungen mit sich, als die Behandlung einer gewöhnlichen Tuberkulose. Eine an Tuberkulose oder M/XDR-Tb erkrankte Person, die nicht behandelt wird, kann jedes Jahr 10 bis 15 weitere Personen anstecken, von denen ca. 10% früher oder später ebenfalls erkranken.

Das derzeitige Spektrum aus Arzneimitteln, Diagnostika und Impfstoffen reicht für die Behandlung und Eliminierung der Tuberkulose bis zum Jahr 2050 nicht aus. Und es wird nur an wenigen neuen Arzneimitteln gearbeitet, die das Potenzial zur Ausweitung des Kampfes gegen die Tuberkulose besäßen. Solche neuartigen Medikamente müssten einfacher bereitgestellt und besser vertragen werden können, sie dürften nicht so viel kosten und müssten die Behandlungsdauer von derzeit zwischen sechs Monaten und zwei Jahren auf unter zwei Wochen verringern.

Erfolgreiche Behandlung Ziel des konsolidierten Aktionsplans der WHO gegen M/XDR-Tb

Eine Diagnostizierung von 85% aller Fälle bzw. von 225 000 M/XDR-Tb-Patienten sowie ein Behandlungserfolg in mindestens 75% dieser Fälle sind zentrale Ziele des konsolidierten Aktionsplans der WHO gegen M/XDR-Tb, den die Mitgliedstaaten der Europäischen Region 2011 billigten. Der Plan unterstreicht auch die Bedeutung des Schritts von der stationären zur ambulanten Versorgung, der das Risiko von Infektionen im Krankenhaus und die psychologische Belastung für die Patienten verringert. Insgesamt ließen sich durch seine Verwirklichung 120 000 Menschenleben retten und 12 Mrd. US-$ einsparen.

Schwerpunkt in EU und EWR auf extrapulmonaler Tuberkulose

Zwischen 2002 und 2011 war für die extrapulmonale Tuberkulose kein Abwärtstrend zu beobachten, während die Fallzahlen für Lungentuberkulose zurückgingen. Daher stieg der Anteil der Patienten mit extrapulmonaler Tuberkulose von 16% im Jahr 2002 auf 22% im Jahr 2011. Ihr Anteil variierte aber in EU und EWR stark und reichte von nur 4% bis zu 67%. Da die Symptome dieser Tuberkuloseform oft nicht eindeutig sind bzw. mit denen anderer Krankheiten verwechselt werden können, kommen die Ärzte leicht zu verspäteten oder fehlerhaften Diagnosen.

Aktivitäten am Welttuberkulosetag 2013

Das Regionalbüro für Europa eröffnet am 20. März 2013 in Brüssel die Fotoausstellung „Gesichter der Tuberkulose“, deren Schirmherrschaft das Mitglied des Europäischen Parlaments, Glenis Willmott, übernommen hat.

Am 22. März bieten WHO und ECDC in der Zeit von 11:00 bis 12:00 Uhr MEZ über Twitter einen Chat zum Thema Tuberkulose an. Verwenden Sie hierfür das Hashtag #TBchat.

Das ECDC wird am 19. März einen Dokumentarfilm über extrapulmonale Tuberkulose vorstellen.

Hinweise an Redakteure

Der Welttuberkulosetag wird jedes Jahr am 24. März begangen. Sein übergeordnetes Ziel ist die Bewusstseinsbildung über die weltweite Tuberkuloselast und den Stand ihrer Prävention und Bekämpfung. 2013 ist das zweite Jahr der auf zwei Jahre angelegten Kampagne zur Unterstützung des Welttuberkulosetags „Stoppt die Tuberkulose, bevor es für mich zu spät ist!“.

Der Konsolidierte Aktionsplan für die Prävention und Bekämpfung von multiresistenter und extensiv resistenter Tuberkulose in der Europäischen Region der WHO (2011–2015) dient der Stärkung und Intensivierung der Anstrengungen zur Bekämpfung der besorgniserregenden Ausbreitung der medikamentenresistenten Tuberkulose in der Europäischen Region. Er wurde in regionsweiter Abstimmung ausgearbeitet, an der neben Vertretern von 53 Mitgliedstaaten auch zahlreiche Experten sowie von der Krankheit betroffene Patienten und Bevölkerungsgruppen beteiligt waren.

Tuberkulose befällt meist die Lunge (Lungentuberkulose), kann aber auch jedes andere Organ angreifen (extrapulmonale Tuberkulose). Jedes Auftreten einer Tuberkulose außerhalb der Lunge wird als extrapulmonaler Fall (EPTB) bezeichnet. EPTB sind im Gegensatz zur Lungentuberkulose nur selten ansteckend, doch steuern sie erheblich zur Tuberkulosesterblichkeit bei und können Komplikationen sowie bleibende Spätschäden und Behinderungen auslösen.
Die Europäische Region der WHO umfasst 53 Mitgliedstaaten und hat eine Gesamtbevölkerung von fast 900 Mio.

Menschen. In den Ländern der EU und des EWR (27 EU-Mitgliedstaaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen) leben über 508 Mio. Menschen, also fast 56% der Bevölkerung der Europäischen Region.

Weitere Auskunft erteilen:

WHO-Regionalbüro für Europa

Cristiana Salvi
Kommunikationsreferentin
Abteilung Übertragbare Krankheiten, Gesundheitssicherheit und Umwelt
Tel.: +45 39 17 13 79, +45 29 63 42 18 (mobile)
E-Mail: csa@euro.who.int

ECDC-Pressebüro

Tel: +46 8 586 01 678
E-Mail: press@ecdc.europa.eu