Komplexität der Lebensmittelkette erhöht Gefahren für die Lebensmittelsicherheit
Weitere Auskünfte erteilen:
Stephanie Brickman
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit
WHO-Regionalbüro für Europa
UN City, Marmorvej 51
2100 Copenhagen Ø, Denmark
Tel.: +45 45336844
Mobiltel.: +45 40 87 48 76
E-Mail: sbr@euro.who.int
Hilde Kruse
Programmleiterin, Lebensmittelsicherheit
Abteilung Übertragbare Krankheiten, Gesundheitssicherheit und Umwelt
WHO-Regionalbüro für Europa
UN City, Marmorvej 51
2100 Copenhagen Ø, Denmark
Tel.: +45 45336754
Mobiltel.: +45 29 44 05 06
E-Mail: hik@euro.who.int
Kopenhagen, 31. März 2015
Am Weltgesundheitstag 2015 geht das WHO-Regionalbüro für Europa davon aus, dass lebensmittelbedingte Erkrankungen deutlich verbreiteter sind als bisher registriert, und unterstreicht die Notwendigkeit einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen den maßgeblichen Ressorts, um die mit unsicheren Lebensmitteln verbundenen Risiken zu verringern.
Unsere Lebensmittelkette ist heute länger und komplexer als je zuvor, und demografische, kulturelle, ökonomische und umweltrelevante Entwicklungen – wie die Globalisierung von Handel, Reiseverkehr und Migrationsströmen, die Bevölkerungsalterung, sich verändernde Konsummuster und -gewohnheiten, neue Technologien, Notlagen, der Klimawandel und extreme Wetterereignisse – haben eine Erhöhung der lebensmittelbedingten Gesundheitsrisiken zur Folge.
„Die Tatsache, dass wir es erheblich unterschätzen, wie viele Menschen aufgrund von Chemikalien in der Lebensmittelkette sowie weit verbreiteten Mikroorganismen wie Salmonella und Campylobacter erkranken, sollte in der Vielzahl von Bereichen, die an unserer Lebensmittelkette in irgendeiner Weise beteiligt sind, Alarmglocken läuten. Ein Fehler in der Lebensmittelsicherheit in auch nur einem Glied dieser Kette – von der Umwelt über Primärproduktion, Verarbeitung, Transport, Handel und Gastronomie bis zum Konsum zuhause – kann erhebliche gesundheitliche und ökonomische Auswirkungen haben," erklärt Dr. Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa.
Gegenwärtig sind die Surveillance- und Meldesysteme in der Europäischen Region der WHO begrenzt und können nur einen Bruchteil der Fälle aufdecken. In Ländern mit weniger fortgeschrittenen Laborkapazitäten und weniger entwickelten Surveillance-Systemen ist die Dunkelziffer besonders hoch. Für eine wirksame Antwort auf solche Gefahren sind bessere Daten erforderlich.
„In Gesundheit 2020, dem Rahmenkonzept der Europäischen Region für Gesundheit und Wohlbefinden, wird zu einer wirksamen Kommunikation und zu Informationsaustausch und gemeinsamem Handeln zwischen den Bereichen Bevölkerungsgesundheit, Tiergesundheit und Landwirtschaft sowohl innerstaatlich als auch grenzüberschreitend aufgerufen. Dies wird maßgeblich dazu beitragen, unsere Nahrung sicherer zu machen", fügt Dr. Jakab hinzu.
Probleme im Bereich der Lebensmittelsicherheit
- Aufgrund der Nachfrage der Verbraucher haben wir heute einen verbesserten Zugang zu einem breiteren Angebot an Lebensmitteln, die außerhalb der normalen Saison produziert, über Kontinente hinweg transportiert, für unseren Komfort verarbeitet und zunehmend außerhalb des Hauses verzehrt werden. Nach Zahlen aus dem Welthandelsbericht 2014 betrug die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate im Agrarhandel zwischen 1950 und 2010 etwa 4% und lag damit über der jährlichen Zuwachsrate in der weltweiten Landwirtschaftsproduktion, die 2% betrug.
- Eine Verseuchung aus einer einzigen Quelle kann sich ausbreiten und beträchtliche gesundheitliche und ökonomische Konsequenzen nach sich ziehen. So kam es beispielsweise 2011 bei einem Ausbruch enterohämorrhagischer Escherichia coli (EHEC) in Deutschland und Frankreich, der mit verseuchten Bockshornklee-Sprossen in Verbindung gebracht wurde, zu knapp 4000 Fällen von EHEC-Infektion in 16 Ländern, darunter mehr als 900 Fälle des hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS), von denen 55 tödlich endeten. Die Verluste für Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie beliefen sich auf geschätzte 1,3 Mrd. US-$.
- Veränderungen in der Herstellung von Tierfutter haben eine Zunahme der Entstehung und Ausbreitung von Zoonosen zur Folge. Von 335 Ereignissen mit Ausbrüchen von Infektionskrankheiten bei Menschen in den Jahren 1940 bis 2004 wurden nach Schätzungen 60% von Tieren und viele davon durch Lebensmittel übertragen.
Die WHO appelliert an die Politik
- ausreichende Systeme und Infrastrukturen für Lebensmittelsicherheit aufzubauen und aufrechtzuerhalten, einschließlich der erforderlichen Laborkapazitäten, Surveillance- und Meldesysteme;
- Risiken für die Lebensmittelsicherheit entlang der gesamten Lebensmittelversorgungs-kette zu beherrschen und auf sie zu reagieren, auch während Notlagen;
- eine übergreifende Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Bevölkerungsgesundheit, Tiergesundheit und Landwirtschaft zu fördern, um eine wirksamere Kommunikation, einen besseren Informationsaustausch und gemeinsame Maßnahmen zu erreichen;
- die Lebensmittelsicherheit in übergeordnete Konzepte und Programme im Bereich Ernährung (z. B. Ernährungssicherheit) einzubinden;
- global zu denken und lokal zu handeln, damit die im Inland erzeugten Lebensmittel auch im Ausland so sicher wie möglich sind.
Weltgesundheitstag 2015: Lebensmittelsicherheit
Der am 7. April begangene Weltgesundheitstag 2015 bietet die Gelegenheit, die bedeutende Rolle zu erkennen, die allen Akteuren bei der Herstellung von Lebensmitteln in Bezug auf deren Sicherheit zukommt, und die Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen diesen verschiedenen Bereichen zu stärken, um lebensmittelbedingte Krankheiten verhüten bzw. entdecken und effizient und kosteneffektiv bekämpfen zu können. Weltweit sind eine bunte Vielfalt von Veranstaltungen geplant.
Die Bürger werden auch aufgefordert, sich über die sozialen Medien zu engagieren und unter dem Hashtag #safefood das Konzept „Lebensmittelsicherheit: vom Bauernhof zum Teller" zu unterstützen. In einem Twitter-Chat am 7. April 2015 (#safefoodchat) von 14.00 bis 15.00 Uhr MESZ werden Experten aus verschiedenen Organisationen in der Europäischen Region Fragen zum Thema Lebensmittelsicherheit beantworten und Ratschläge geben.
Globale Krankheitslast aufgrund lebensmittelbedingter Erkrankungen
2006 setzte die WHO die Arbeitsgruppe für die Epidemiologie von Lebensmittelinfektionen ein, um die globale Krankheitslast abzuschätzen und den Mitgliedstaaten Daten und Instrumente an die Hand zu geben, um politische Entscheidungsträger und andere Akteure bei der Festlegung geeigneter evidenzgeleiteter Prioritäten im Bereich der Lebensmittelsicherheit auf der landesweiten Ebene zu unterstützen. Der Abschlussbericht der Gruppe, die aus international renommierten Experten aus einem breiten Spektrum von Fachdisziplinen besteht, die für die globale Epidemiologie lebensmittelbedingter Erkrankungen relevant sind, wird im Oktober 2015 veröffentlicht.