Die Europäer leben länger, aber ist dieser Erfolg von Dauer? Europäischer Gesundheitsbericht 2015
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Kopenhagen und London, 23. September 2015
In der neuesten Ausgabe des Europäischen Gesundheitsberichts wird eine Europäische Region präsentiert, die beeindruckende Erfolge erzielt hat und auf bestem Wege ist, einige der gesteckten Ziele zu erreichen, etwa die Senkung der vorzeitigen Sterblichkeit und die Festlegung zusätzlicher Gesundheitsziele in den Ländern. Der Bericht – eine vom WHO-Regionalbüro für Europa erstellte analytische Bestandsaufnahme der gesundheitlichen Situation in der Europäischen Region sowie der Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele des Rahmenkonzepts „Gesundheit 2020" – verdeutlicht auch die Notwendigkeit, neue Arten von Evidenz zu finden und zu untersuchen, um das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen Gesundheit, Wohlbefinden und Kultur besser verstehen zu können.
„Dieser Bericht beinhaltet ermutigende Fortschritte", sagte Dr. Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa. „Unsere Mitgliedstaaten haben Gesundheit 2020 als Chance begriffen und genutzt, und wir können jetzt die ersten konkreten Ergebnisse sehen. Aber es besteht ein sehr reelles Risiko, dass diese Erfolge verloren gehen, wenn der Tabak- und Alkoholkonsum weiter auf dem gegenwärtigen Niveau bleibt. Dies gilt insbesondere für junge Menschen, die Gefahr laufen, kürzer zu leben als ihre Großeltern."
Die Europäer leben länger
Die Lebenserwartung nimmt ständig zu, doch gleichzeitig wird in dem Bericht auch Alarm geschlagen, denn Europa weist von allen Regionen der WHO den höchsten Tabak- und Alkoholkonsum auf. Diese Risiken könnten zusammen mit der Ausbreitung der Adipositas dazu führen, dass die Lebenserwartung in künftigen Generationen wieder sinkt. Darüber hinaus bestehen zwischen den Ländern in Bezug auf Lebenserwartung bei Geburt immer noch Unterschiede um mehr als zehn Jahre. An der Spitze der Tabelle stehen Israel und die Schweiz. Tabak- und Alkoholkonsum tragen wesentlich dazu bei, die Lebenserwartung zu verkürzen, auch wenn inzwischen bei der Zurückdrängung dieser Risikofaktoren einige Fortschritte zu verzeichnen sind. Die größten Erfolge konnten Belarus, Georgien, Kasachstan, die Russische Föderation und die Ukraine erzielen, aber auch einige Länder Westeuropas verzeichneten einen signifikanten Rückgang. Auch politische Interventionen im Bereich der Bekämpfung des Alkoholkonsums, etwa durch Einflussnahme auf Verfügbarkeit und Preis, tragen langsam Früchte.
Aus dem Bericht geht hervor, dass die Europäische Region auf bestem Wege zu einer Reduzierung der vorzeitigen Sterblichkeit um 1,5% pro Jahr bis 2020 ist. Dies bedeutet, dass die Zahl der Menschen, deren Leben durch Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebs, Diabetes mellitus und chronische Atemwegserkrankungen verkürzt wird, stetig abnimmt.
Erhebliche Verbesserungen konnten auch hinsichtlich der Todesraten aufgrund von äußeren Ursachen wie Straßenverkehrsunfällen und Suizid erzielt werden. Die größten Fortschritte wurden im östlichen Teil der Europäischen Region erreicht, vor allem in Estland, Lettland, der Russischen Föderation und der Ukraine. Die Russische Föderation konnte die Mortalitätsraten aufgrund von Straßenverkehrsunfällen in den letzten zehn Jahren um mehr als 20% senken. Dies gelang durch Maßnahmen zur Modernisierung der Straßeninfrastruktur, Verfahren zur Sicherung der Einhaltung von Verkehrsregeln durch Kraftfahrer sowie den verstärkten Vollzug geltender Gesetze.
Impflücken ermöglichen Ausbrüche impfpräventabler Krankheiten
2010 lag in der Europäischen Region die durchschnittliche Durchimpfung für Poliomyelitis bei 94,7% (Ausgangsniveau für „Gesundheit 2020"), 2011 bei 94,4% und 2012 bei 95,4%. Dies stellt für einen Großteil der Bevölkerung in der Europäischen Region ein hohes Maß an Impfschutz dar, doch ist eine ständige Wachsamkeit erforderlich, weil infolge einer suboptimalen Durchimpfung in einigen Teilen der Europäischen Region und nach Polioausbrüchen in mehreren Regionen der WHO weiterhin eine Bedrohung gegeben ist.
Die durchschnittliche Impfrate für Masern stieg in der Europäischen Region von 93,4% (2010, Ausgangsniveau für „Gesundheit 2020") auf 93,7% (2011) und 94,6% (2012) und zeigt weiterhin steigende Tendenz. Trotz einer generell hohen Durchimpfung in der Europäischen Region sind Impflücken immer noch für die anhaltende endemische Übertragung verantwortlich und haben in den letzten Jahren zu einer Reihe von Masern- und Rötelnausbrüchen geführt. 2015 wurden vier durch Masern bedingte Todesfälle gemeldet, und ein Kind starb an Diphtherie – der erste Fall seit drei Jahrzehnten.
Länder thematisieren Ungleichheiten
Das Thema gesundheitliche Ungleichheiten wird in dem Bericht ausführlich beleuchtet, und es sind in allen Bereichen erhebliche Fortschritte beim Abbau solcher Ungleichheiten zu verzeichnen. Die Zunahme der Zahl von Ländern, die Konzepte zum Abbau gesundheitlicher Ungleichgewichte eingeführt haben, wirkt sich positiv aus: 86% der antwortenden 36 Länder verfügten über derartige Konzepte oder Strategien. Doch es bleibt noch viel zu tun. In Bezug auf Kindersterblichkeit etwa hat sich der Abstand zwischen den Ländern der Region mit den höchsten und jenen mit den niedrigsten Raten erheblich verringert, liegt aber immer noch bei 20 Kindersterbefällen je 1000 Lebendgeburten pro Jahr.
Nur 12 der 53 Mitgliedstaaten aus der Europäischen Region gaben an, dass in ihrem Land die Zahlungen aus eigener Tasche unter 15% der gesamten Gesundheitsausgaben liegen. Dies bedeutet, dass in den übrigen 41 Ländern die Menschen teilweise ruinösen Gesundheitsausgaben ausgesetzt sind, die sie im Krankheitsfall in Armut stürzen können. In dieser Kategorie hat es seit 2010 keine Verbesserung gegeben.
Gesundheit hat nicht nur mit Prävention und Behandlung zu tun
Wohlbefinden, das als Indikator erstmals im Europäischen Gesundheitsbericht 2012 auftauchte, wird mit einer Kombination aus subjektiven (Lebenszufriedenheit) und objektiven Indikatoren (Beschäftigung, sanitäre Verhältnisse, Wohnbedingungen, Grundschulbesuch) gemessen. Doch das Erleben von Wohlbefinden wird stark durch die kulturellen Rahmenbedingungen beeinflusst, weshalb in dem Bericht weitere Forschungsanstrengungen zur Untersuchung dieser Zusammenhänge gefordert werden.
„Gesundheit hat nicht nur mit Prävention und Behandlung zu tun – das wissen wir schon seit einiger Zeit", sagte Dr. Claudia Stein, die Direktorin der Abteilung Information, Evidenz, Forschung und Innovation beim Regionalbüro. „Im Europäischen Gesundheitsbericht wird mit Nachdruck die Nutzung neuer Formen von Evidenz gefordert, die uns ein besseres Verständnis der Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Wohlbefinden ermöglichen sollen. In Zukunft werden wir verstärkt über die traditionellen Fachdisziplinen hinausgehen und unser Verständnis von Gesundheit und Wohlbefinden vertiefen und neue Formen von Evidenz, wie etwa qualitative Forschung und narrative Evidenz, prüfen. Diese sollen die traditionellen Formen der Gesundheitsüberwachung nicht ersetzen, sondern vielmehr ergänzen. Auf dem Gebiet der Gesundheitsinformationen haben wir eine spannende Reise vor uns."